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Ein ganz normaler Abend auf einem Amateurplatz

Das Flutlicht geht an, Mannschaften gehen der schönsten Nebensache der Welt nach. Und treffen auf die Realitäten des Amateurfußballs

Sie sehen, dass sie nichts sehen. Foto: Adobe / decorator

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Mal wieder eine total überfüllte Sportanlage, an einem ganz normalen Abend. Auf dem Kleinfeld der so genannten Inter-Arena spielt die Ü50 des FC Internationale gegen Fortuna Biesdorf, Punktspiel der Verbandsliga. Das Großfeld besetzt die Freizeitmannschaft Inter Casino 05 (woher auch immer der Beiname kommt), die im Pokal gegen Eintracht Südring (Kreuzberg) antritt.

Nebenbei: Der Sportplatz von Südring wurde gerade wegen des Funds von Kampfmitteln aus dem 2. Weltkrieg gesperrt, große Katastrophe. Dazwischen Training der Ü60, mal wieder völlig überfüllt. Man spielt 11 gegen 11 auf einer Hälfte. Egal, die Füße tragen eh nicht mehr so schnell.

Das größere Problem stellt das Flutlicht dar, welches nur Fußball-Masochisten so nennen würden. Da verwechseln die alten Augen schon mal Freund und Gegner. Aufgrund eines Gutachtens zum Paarungsverhalten von Insekten bei Flutlicht innerhalb einer Kleingartenkolonie, wo sich unser Platz befindet, dürfen wir nur gelbe Funzeln auf kürzeren Masten nutzen. Kein Scherz!

Ganz unten - die Kolumne
Für Fever Pit’ch schreibt Gerd Thomas über die Fußballbasis.

Genau gegenüber der Straße ist auch eine Sportanlage, und zwar mit hohen Masten und gleißend hellem Flutlicht. In Berlin-Schöneberg leben nun mal die intelligentesten Insekten der Welt. Sie wissen genau, sie dürfen die Straße nicht überqueren, sonst gibt es keinen Nachwuchs. Also gelbe Funzeln!

Immer noch besser als gar kein Licht, wie wir es seit 14 Monaten auf einem neuen Platz 800 Meter weiter hatten. Tatsächlich brennt es seit der letzten Woche, wir sind ganz geblendet, hoffentlich nicht auch die Insekten. Aber dafür gibt es immer noch keine Kabinen. Kann ja mal passieren, dass man bei einem Sportplatz-Neubau die Umkleiden vergisst. Also in Tempelhof-Schöneberg jedenfalls.

Zurück in die Inter-Arena, wo das Leben tobt. Die Ü50 liegt völlig unnötig mit 0:2 hinten, was auch den Endstand darstellen wird. Ratlose Gesichter nach dem Spiel, nicht zum ersten Mal, aber bisher hat es mit dem Klassenerhalt in Berlins Eliteliga immer noch geklappt. Beim Ü60-Training spiele ich einen Pass auf Rechtsaußen, aber der reagiert gar nicht, denn er ist in ein Gespräch mit zwei Zuschauern verstrickt. Geht‘ s noch?


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Fünf Minuten später kommt es noch schlimmer. Die alte Oberschenkelverletzung bricht wieder auf, ohne Ballberührung, ohne Körperkontakt, einfach nur bei einer harmlosen Drehung. Vielleicht doch mal vorher warmmachen? Training beendet, wieder drei Wochen Pause. Aber die Karriere ist deshalb noch längst nicht zu Ende. Nicht schon mit 63! Andere spielen schließlich mit künstlichen Gelenken.

Der wahre Krimi spielt sich nebenan beim Freizeitteam ab. Die Torfolge: 0:1, 1:1, 1:2, 2:2, 3:2, 3:3, 4:3, 4:4, 4:5, 5:5. Die Gäste sind völlig aus dem Häuschen. Ihres Erachtens pfeift der (wirklich gute) Schiri nur „auf Zuruf“. Endgültig aus dem Ruder läuft es, als die Inter-Jungs das vermeintliche 5:4 machen. „Schiri, das war doch Foul!“ Alle Auswechselspieler auf dem Feld, jetzt kann es schnell kippen.

Doch was passiert? Ein Inter-Spieler geht zum Schiri und sagt: „Ja, ich habe ihn am Fuß getroffen.“ Der Treffer wird zurückgenommen. Kurz darauf fällt durch einen Elfmeter das 4:5. War der im Strafraum? Keine Ahnung, es gibt keine Linien. Doch Inter gleicht noch einmal aus. Unsere Spieler nehmen hin und wieder ihre Gegenspieler in den Arm, deeskalieren, die Partie geht trotz der Aufregung friedlich zu Ende. Super, Jungs!

Neunmeterschießen! Inter fängt an – und verschießt. Riesenparty bei Südring, die danach treffen. Sieht nicht gut aus für die Blauen. Doch danach trifft Navid, der kurz zuvor das Foul zugegeben hat, der Torwart war dran. Es gibt ihn eben doch, den Fußballgott. Und Südring? Trifft nur die Latte. Inter netzt noch einmal ein. Jetzt muss Südring treffen. Der Schütze läuft an und schießt daneben. Riesenjubel nun bei Inter, bedröppelte Gesichter bei Südring.

Der gute Schiri nimmt den Ball, geht in die Kabine. Ich frage ihn: „Und, ein Getränk?“ Antwort: „Bierchen wär‘ schön!“ Wir praktisch, dass ich von einem Freund aus dem Unternehmensnetzwerk gerade zwei bayerische Top-Biere geschenkt bekam. Gern gebe ich eins ab. Den Öffner hat Ibo, unser bester Schiedsrichterobmann der Welt, natürlich auch parat. Ein aufregender Abend findet ein versöhnliches Ende. So ist er, der Amateurfußball. Wir freuen uns auf den nächsten Pokalkrimi.

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