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Vorsicht bei der Namenswahl

Die Taufe von Amateurvereinen gestaltet sich manchmal schwierig. Man muss kämpfen, wenn man etwas Besonderes sein will

Foto: Imago / opokupix

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Südamerikanische Vereinsnamen machen was her: Libertad, Independance, International … die dortige Champions League heißt gar Copa Libertadores, also "Befreierpokal". Spanische Namen klingen einfach bedeutungsvoller als BFC Germania 1888, Viktoria 89 oder BFC Preussen von 1894, um ein paar deutsche Traditionsvereine aufzuzählen.

Zum Glück spielt die Gründungszeit für die Klubs keine identitätsstiftende Rolle mehr. Tatsächlich ging 1888 als das Dreikaiserjahr in die Annalen ein. Dabei wissen alle: Im Fußball gab es nur einen Kaiser. Dennoch lohnt sich ein Besuch in der Tempelhofer Götzstraße. Dort findet sich die Sportanlage von Germania 88, Deutschlands ältestem Verein.

Den Sportplatz kann man getrost vergessen. Das ist die typische Bänderriss-Wiese mit billigstem Kunstrasen, wie sie in Berlin aus unerfindlichen Gründen immer noch verbaut wird. Merkwürdigerweise ist noch nie eine Krankenkasse gegen diesen volkswirtschaftlichen Unfug eingeschritten. Vielleicht weil sie sich lieber Gesundheitskasse nennen, und damit hat der Billigbelag nichts zu tun.

Interessanter ist das Vereinsheim. Weniger wegen der berüchtigten Berliner Mettbrötchen, wohl aber wegen der Pokale und vor allem wegen der historischen Fotos. Tradition pur - auch wenn man nach früheren Höhenflügen, die nicht zuletzt mit Unterstützung eines Münzhändlers zustande kamen, heute nur noch in der Kreisliga B kickt.

Tradition schießt eben keine Tore. Mir sagte mal ein Präsident eines Mehrspartenvereins, sie hätten noch eine Fahne von 1886 im Keller stehen. Vielleicht meinte er das als eine Art Daseinsberechtigung oder als Platzhirschsymbol. Schließlich liegen zwischen den Gründungsjahren unserer Vereine satte 94 Jahre. Ich riet ihm, auf jeden Fall immer genügend Mottenkugeln bereit zu haben. Sportlich hat die Standarte keinen positiven Einfluss gehabt. Aber vielleicht habe ich den tieferen Sinn einfach nicht verstanden.

Mag es in Argentinien oder Brasilien schillernde Vereinsbezeichnungen geben, können wir hierzulande immerhin mit viel Kreativität aufwarten. Polar Pinguin wurde nach dem legendären Schöneberger Pinguin Club benannt. Die serbische Sportgemeinschaft Nikola Tesla in Hamburg ist nicht etwa die Werkself eines Automobilkonzerns, sondern wurde nach einem in Kroatien geborenen Erfinder mit serbischen Eltern benannt.

In Kassel gibt es seit 1982 Dynamo Windrad, dessen Namen der hessische Fußball-Verband nicht anerkennen wollte. Man hatte nichts gegen Windräder, jedenfalls nicht offiziell, aber Dynamo ging nun wirklich nicht. Bis 1991 ein Dresdner Verein mit demselben Vornamen auf die Bundesligabühne trat. Irgendwie dumm gelaufen für die Betonköpfe in der Otto-Fleck-Schneise, wo man unweit des ehemaligen DFB-Hauses residiert und seit geraumer Zeit nicht mal die Präsidentenstelle besetzt hat. „Echte Profis – unsere Amateure“!

Auch der FC Internationale sollte 1980 wegen seines Namens nicht zugelassen werden. Die Kalten Krieger im Verband für (West) Berliner Ballsportspiele „VBB“ bevorzugten einen harten Frontstadt-Stiefel und wollten das hintere E verbieten. Natürlich vergeblich, auch dank der Unterstützung friedensbeseelter Profis wie Ewald Lienen und Rudi Völler.

Schließlich sprach der DFB ein Machtwort, die überregionale Presse (die hatte damals noch Gewicht) hatte ihre Freude. Als zwei Jahre später der übereifrige VBB-Geschäftsführer und spätere Hertha-Manager ein Friedensturnier verbieten wollte (O-Ton: "Der Weg zum Frieden kann nicht über den Sportplatz führen!") räumte die Frankfurter Rundschau die Seite 3 für einen süffisanten Artikel frei.

Auch der DFB hatte mit dem Friedensturnier mehr Probleme. Anders als wenige Jahre zuvor mit der argentinischen Junta und dem ehemaligen Weltkriegsflieger Rudel. Doch der Widerstand war zwecklos! Anadoluspor Berlin war schließlich der Gewinner des 1. Berliner Friedensturniers und erhielt dafür anstelle eines Pokals eine Kopie von Picassos Anti-Kriegs-Bild "Guernica".

Heute wären derlei Eskapaden nicht mehr möglich. Wobei? Als Tennis Borussia – auch so ein sonderbarer Name für einen Fußballverein – auf seinem Trikot für den „Opferfonds CURA“ gegen rechte Gewalt werben wollte, versuchten hartgesottene Apparatschiks des Nordostdeutschen Fußball-Verbands (NOFV) das zu verbieten. Dass der Berliner Präsident sich nicht mal zu einer Protestnote durchringen konnte, ist das eine. Das andere ist der Schiffbruch, den der NOFV mit diesem Störmanöver erlitt. TeBe lief mit CURA auf der Brust auf und hatte einen Merchandising-Liebling.

Anadoluspor war nicht der erste Verein, der sich nach der Heimat vieler seiner Spieler benannte. Schon 1965 wurde in Kreuzberg der Verein Türkspor Berlin gegründet, der erste so genannte Migrantenclub. Später fusionierte man gar mit Hellas Nordwest. Fußball verbindet eben. Wage noch jemand, das Gegenteil zu behaupten.

Aus Club Italia wurde das Pleiteprojekt Berlin United, und der ruhmreiche 1. FC Neukölln 1895 wurde aufgrund finanzieller Probleme vom FC Novi Pazar geschluckt, benannt nach einer Ortschaft in Serbien, zu dessen Bürgermeister man enge Kontakte hält. Dabei blieb es nicht, denn nach einer weiteren Fusion mit dem traditionsreichen NSC Marathon 02, nennt man sich nun tatsächlich 1. FC Novi Pazar / Marathon 1895 e. V. So viel Tradition und Namensfantasie war selten.

Die Gegner in der Endphase der Saison lauten Al Dersimspor und Türkiyemspor, was übersetzt „meine Türkei“ heißt. Danach wartet der FC Internationale II, ehe man ganz schnöde zu den wahrscheinlichen aufsteigenden Sportfreunden Johannisthal muss, die sich einfach nach dem dortigen Stadtteil benannten.

Der berühmteste und historisch skandalträchtigste Verein der Stadt trägt übrigens den Namen eines Ausflugsdampfers namens Hertha. Vielleicht hat man deswegen so oft Schlagseite. Lerne: Vorsicht bei der Namenswahl.

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