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Wie fördern wir Mädchenfußball besser?
Über die Schwierigkeit, in Amateurvereinen für die notwendige Diversität zu sorgen
Inhaltsverzeichnis
Der deutsche Mädchenfußball hat es nicht leicht, was sich zwangsläufig auf die Frauen auswirkt. Zwei Zitate von höchster Stelle, von einer Professorin und einem Professor für Sport:
„Gibt es eigentlich ein Gesetz, dass alle Mädchen ihren Geburtstag immer an einem Spieltag feiern müssen?“
„Die Zukunft des Fußballs ist nicht weiblich. Die Gegenwart ist es!“
Zitat 1 ist von einer Handballtrainerin, aber das tut nichts zur Sache. Die Teamgröße entspricht der des Kleinfeldfußballs. Außer dass vermutlich noch weniger Mädchen Handball spielen.
Zitat 2 halte ich für Wunschdenken, so sehr ich den Experten schätze. In den allermeisten Vereinen spielt der Mädchenfußball nicht die Rolle wie der von den Jungs. Die wenigsten Vereine haben viele Frauen in den Vorständen. Also ändern wir das einfach, oder? Tja, wenn es so einfach wäre…
Das Thema Diversität in Vorständen ist eine eigene Kolumne wert. Auch die wird dann sicher nicht nur Freude hervorrufen – weder bei Frauen noch bei Männern.
Wir stellen beim FC Internationale fest, dass es einen großen Zulauf bei den jüngeren Mädchen gibt. Kleinfeldteams der D- und E-Juniorinnen sind gut besetzt. Aber selbst in der Millionenmetropole Berlin ist es für die Trainerinnen und Trainer oft schwer, im Großfeldbereich ab der C-Jugend genügend Spielerinnen auf den Platz zu bringen.
Unsere Versuche, mit Schulen zu kooperieren, sind vorerst gescheitert. Die Expertise und die Leidenschaft bei den Lehrkräften waren einfach zu umwerfend. Während wir bei den Jungs vier C-Teams stellen, ist es bei den Mädchen nur eins.
An den Trainerinnen liegt es nicht. Kürzlich wurde ich Zeuge, als unsere Spielerin aus dem Frauenteam selbst bei nur vier Spielerinnen das Training nicht absagte.
Das ist echter Einsatz! Die Trainingszeiten sind gut: Dienstag und Donnerstag um 18 Uhr mit genügend Platz. Die Kabinensituation ist ebenfalls sehr gut. Die Rahmenbedingungen stimmen also einigermaßen.
Beim DFB ist man wahrlich bemüht, den Mädchen- und Frauenfußball zu fördern. Nicht nur, weil der DFB Gastgeber für die WM werden will. Man darf den zuständigen Personen abnehmen, dass sie ihre Sache ernstnehmen, zudem gibt es endlich mehrere Frauen im Präsidium; bis vor zwei Jahren undenkbar und bestimmt noch ausbaubar. Aber es fehlt die Euphorie im Land – und damit in den Vereinen. Zwar verkündet der DFB stolz steigende Zahlen, nicht zuletzt begründet durch die Vize-Europameisterinnen, aber ist dieser Trend wirklich nachhaltig?
Man kann mir vorwerfen, das wäre jetzt eine sehr männliche Skepsis, auch ich würde bestimmt nicht denselben Einsatz für die Mädchen wie für die Jungs zeigen. Nun, auch über meine 10 Jahre in der Jugendleitung könnte ich mal was schreiben. Ich werde aber auch von vielen Trainerinnen und Verantwortungsträgerinnen bestätigt. Die Bundesliga der B-Mädchen soll abgeschafft werden. Selbst im 4-Millionen-Großraum Berlin hatten wir in der Hinrunde nicht mal mehr eine Verbandsliga. Alles keine Zeichen des Aufbruchs und großer Ambitionen. Wie können wir das ändern?
Der 1. FC Union lässt seine Mädchen bei den Jungs mitspielen. Keine Ahnung, ob das eine gute Idee ist. Die Kickerinnen würden da mehr gefordert. Hertha BSC hat sich eine Jugendabteilung von der anderen Hertha aus Zehlendorf gekauft, wie man hört zu einem stolzen Preis. Was alle Beteiligten verneinen würden. Ein zulässiger Weg, aber sieht so nachhaltige Jugendarbeit aus? Mit Geld kaufen, was man vorher nicht hingekriegt hat?!
Und ist es wirkich eine gute Idee, dass irgendwann in der Bundesliga nur noch dieselben Vereine wie bei den Männern spielen? Soll die tapfere SGS Essen sich an den BVB, Schalke 04 oder Rot-Weiss Essen verkaufen, damit diese nicht den Marsch durch die Ligen antreten müssen? Und was hat das mit sportlichem Wettbewerb zu tun?
Einige Vereine stecken ebenfalls viel Geld in ihre Frauenteams, gliedern die sogar zu eigenen Firmen aus. Bei den Frauen der 3. Liga – höher spielt in Berlin zurzeit niemand – machten die Schwergewichte Union, Hertha und Viktoria den Aufstieg in die 2. Liga untereinander aus, mit klarer Tendenz für die Köpenickerinnen. Die Staffeln sind überschaubar und haben nur zwölf Teams! Wobei schon zweimal Spiele ausfielen, weil Erfurt bzw. Dresden nicht antraten. In der 3. Liga!!!
Warum sollten es mehr sein, wenn die 1. Bundesliga der Frauen auch nicht mehr Teams hat. Ein Drittel weniger als bei den Männern! Die C-Jugend-Verbandsliga der Jungs hat übrigens 14, die 1. Frauenliga in Spanien 16 Teams. Ob die Vorschläge von ZDF-Expertin Kathrin Lehmann die richtigen sind, weiß ich nicht.
Immerhin läge in einer Liga ohne DFB ein Markt, und Profitdenken war schon immer ein Grund, Dinge nach vorne zu treiben. Wobei neulich jemand in einer Podiumsdiskussion sagte: „Wir sollten bei den Frauen nicht dieselben Fehler wie bei den Männern machen!“
Wobei es da nach elf Jahren nun ja auch einen neuen Meister gibt.
Mir liegt fern, alles schlechtzureden. Ein Blick auf unsere eigenen E- oder D-Mädchen, aber auch auf unsere großartigen Frauenteams, macht sofort gute Laune. Danke an alle, die hier auf und neben dem Platz einen Riesenjob machen. Den schwereren Job haben die Trainer und Trainerinnen der C- und B-Juniorinnen. Ihnen gebührt allerhöchster Respekt. Doch wie kriegen wir mehr Zulauf und mehr Konstanz in die Sache? Ich vermute, wir brauchen einige unkonventionelle Wege, vor allem aber eine Diskussion um den Mädchenfußball an der Basis.
Es gibt durchaus hoffnungsvolle Beispiele. So berichtet meine Kollegin und Hartplatzheldin Ute Groth von der DJK TuSa Düsseldorf viel Positives. In meinem Heimatdorf beim TSV Apensen im Norden Niedersachsens blüht der Mädchenfußball seit Jahren. Die Spielvereinigung Aurich führt die Tabelle der B-Juniorinnen-Bundesliga an. Um demnächst wieder durch Niedersachsen zu touren.
Es braucht Menschen, die sich dem Mädchen- und Frauenfußball in seiner ganzen Breite verschreiben. Klar, der DFB muss seinen Anteil einbringen. Aber nur auf ihn zu schauen, ist zu wenig. Nicht zuletzt den Landesverbänden kommt eine wesentliche Rolle zu. Wir können nicht die ganze Zeit fordern, es müsse von den Verbänden mehr kommen, wenn sich gleichzeitig kaum jemand in der oft mühseligen Gremienarbeit dort engagieren will. Mir persönlich ist der Blick „nach oben“ ohnehin zu phantasielos, zu autoritätshörig. Wir müssen uns nicht mit den Dingen abfinden. Sokrates soll gesagt haben: „Das Geheimnis des Wandels besteht darin, seine ganze Energie nicht auf den Kampf gegen das Alte, sondern auf den Aufbau des Neuen zu richten.“
Ich hoffe inständig, dass die WM der Frauen an das Trio Belgien, Niederlande, Deutschland geht. Es wird schwer werden, aber wenn es dazu kommt, müssen wir die Gelegenheit ergreifen und unabhängig vom sportlichen Abschneiden des deutschen Teams etwas Nachhaltiges daraus machen. Kriegen wir die WM nicht, werden sich auch Menschen finden müssen, die den Fußball der Frauen und damit der Mädchen zu ihrer Sache machen und ihm endlich den Platz erstreiten, der ihnen gebührt. Analyse haben wir genug betrieben, nötig ist die Umsetzung. Also: Freiwillige vor!