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Jung, jünger, WM-Finale: Was für eine B-Jugend!
Die deutsche U17 besiegt im Halbfinale Argentinien und zeigt den Herren schon wieder, wie man's macht
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Natürlich ist es total vorhersehbar und billig, Nationalspielern, die zwar Meisterschaften und Champions League gewinnen können, aber nicht mal in der Lage sind, einen Ball von A nach B zu spielen, sobald sie ein DFB-Trikot tragen, jetzt die Großtaten ihrer 16- und 17jährigen Brüder vorzuhalten. Ich tu’s einfach trotzdem.
Deutschland hat bei der U17-WM alle Spiele gewonnen und gestern via Elfmeterschießen gegen Argentinien das Finale erreicht. Mir bisher unbekannte Menschen mit Vornamen wie Paris, Max, Fayssal, Eric oder Noah und ein vollkommen gnadenloser Ersatztorwart aus Haching mit dem unschuldigsten Praktikantengesicht ever fesselten mich an einem stinknormalen Dienstagvormittag vor den Fernseher. Und warum?
Weil g’scheiter deutscher Fußball in diesen Tagen nur werktags vor dem Mittagessen geboten wird.
Schon verrückt. Es brauchte Fußballer, die fast noch Kinder sind, um endlich in den Genuss einer perfekten Mischung aus technischem Knowhow und kompromissloser Kampfbereitschaft zu kommen, die uns Gündogan & Co. seit Jahren vorenthalten.
Bei dieser U17-WM stehen sich auch bei über 30 Grad im Schatten und 90 Prozent Luftfeuchtigkeit deutsche Sechser nicht gegenseitig auf den Füßen rum. Da blättert kein Stürmer vor dem Schuss noch schnell im Handbuch für den Torerfolg, kein Außenverteidiger schiebt den Ball ins Seitenaus, obwohl er eigentlich einen Steilpass spielen wollte. Und wir sehen verwundert nicht volljährige Innenverteidiger mit der Routine 30-Jähriger.
Jungs, die kürzlich keiner kannte, begeistern (vermutlich auch dank ihres Trainers Christian Wück) mit einer unglaublichen Mischung aus Einsatzfreude und ständiger Gewissheit, was als Nächstes getan werden muss. Sie sind noch nicht alt genug für den Führerschein und verstehen doch genau, wann auf dem Platz Mercedes angesagt ist, wann Porsche und wann Geländewagen.
Das ist so unterhaltsam und so wahnsinnig effektiv. Ich merk’s daran, wie ich mich beim Zuschauen verhalte: Ich springe auf, ich raufe mir die Haare, ich stöhne langgezogene „Neeeeiinns!“, wenn der Ball am Tor vorbeifliegt.
Kürzlich, beim männerdeutschen 0:2 in Österreich, schüttelte ich 90 Minuten lang mit schweren Lidern den Kopf.
Und jetzt dieses Team! U17-Weltmeister kann es werden, sowas hat es in Deutschland noch nie gegeben. Nicht mal unsere Superhelden von 2014, kein Kroos, kein Khedira, kein Müller, Neuer oder Schweinsteiger haben das geschafft. Und schon gar nicht Miro Klose. Als der 17 war, verhallte sein Torjubel leistungszentrumsunabhängig in Blaubach-Diedelkopf.
Am Samstag um 13 Uhr wird in Surakarta/Indonesien das WM-Finale angepfiffen, Gegner ist Frankreich. Wer gewinnt, ist mir vollkommen egal. Diese deutsche Mannschaft hat ihr wichtigstes Ziel längst erreicht: Ich mag sie.
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