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Der ewige Spätentwickler Miro Klose
Als Spieler gelang dem Weltmeister von 2014 der Durchbruch spät. Als Trainer scheint er das jetzt in Nürnberg zu wiederholen
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Hat er uns mal wieder alle getäuscht?
Miroslav Klose spielte im Alter von 20 Jahren noch für die SG Blaubach-Diedelkopff in der Bezirksliga Westpfalz. Ja, genau, DER Klose. Kein Namensvetter. Niemand ahnte damals, was aus ihm werden sollte. Selbst für die besten Scouts, die ein Talent angeblich schon anhand der Körperhaltung im Kinderzimmerlaufstall identifizieren, war er der Max Mustermann des Weltfußballs: normal, nichts Besonderes, egal. Falls sie ihn überhaupt kannten.
2014 wurde Klose Weltmeister und zum erfolgreichsten WM-Torschützen der Geschichte – er hat bei Weltmeisterschaften öfter getroffen als Ronaldo, Gerd Müller und Lionel Messi.
Jetzt startet er als Trainer durch.
Nichts beim Miro Klose überstürzen
Okay, ich will nichts überstürzen. Man soll den Tag nicht vor dem 34. Spieltag loben. Aber was der so schüchtern wirkende Klose gerade als Trainer des 1. FC Nürnberg abliefert, ist schon erstaunlich. Seine letzten Ergebnisse: 4-0 beim Derby in Fürth, 8-3 gegen Regensburg, 1-1 in Hamburg. Beim HSV war Kloses Club die bessere Mannschaft. Und alle Experten dachten, was Béla Réthy sagte, als die Klose-Deutschen 2014 Brasilien abschossen: Was geht denn hier ab?
Bahnt sich da wieder so ein Blaubach-Diedelkopff-Verlauf an?
Der Stürmer Miro Klose machte sein erstes Bundesligaspiel, da war er knapp 22 Jahre alt. Mit 22 war der andere Ronaldo, also Cristiano, Englands Fußballer des Jahres. Mario Götze schoss mit 22 das entscheidende Tor in einem WM-Finale. Lionel Messi war mit 22 Weltfußballer.
Als Klose nach seiner Karriere ins Trainergeschäft einstieg, waren wir alle ein bisschen skeptisch: Oje, der schüchterne Miro, der als Experte am Spielfeldrand kaum den Mund aufkriegt – wie soll das denn gehen? Meinten viele. Und tatsächlich ging beim Debüt in Altach/Österreich alles schief.
Auch in Nürnberg war der Start sehr durchwachsen. Ich gestehe: Ich hatte keine Hoffnung. Ich dachte: Ein Trainer muss doch auf die Pauke hauen; also am Spielfeldrand Freund und Feind und Schiri zähnefletschend Angst und Schrecken einjagen (Jürgen Klopp). Oder sein Ego vor sich hertragen und es sich es aus Autoritätsgründen mit allen verscherzen (Thomas Tuchel). Oder zumindest sehr überzeugend Kaugummi kauen (Carlo Ancelotti).
Nichts von dem macht Miro Klose aus. Der Mann guckt tor- und gegentorunabhängig, als würde er gleich losheulen wollen.
Klose als Spätzünder
Klose ist 46 Jahre alt und Zweitligatrainer. Mit 46 hatte Klopp schon zweimal die Meisterschaft mit Borussia Dortmund geholt. Tuchel gewann mit 47 die Champions League.
Aber das ist wahrscheinlich bloß wieder seine Masche: brav gucken und spät durchstarten. Auf dem Platz dachten die Verteidiger früher ja auch: Wie will dieses Häuflein Elend denn an mir vorbeikommen? Und wie er an ihnen vorbeikam!
Als nach einem durchwachsenen Saisonbeginn viele vermuteten, das mit dem Trainer Klose werde nix, startete er mit dem Club durch. Heute ist der chronisch fußballkranke 1. FC Nürnberg nur noch drei Punkte von einem Aufstiegsplatz entfernt. Und das in der besten zweiten Liga aller Zeiten.
Macht also der Spätentwickler Klose wieder mal sein Ding? Schön wär’s ja.
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