zum Inhalt

Nike-Millionen beim DFB: Was der Amateurfußball davon hat

Der Ausrüster-Wechsel bringt dem DFB eine Menge Einnahmen ein. Noch ist offen, wo ist das Geld am besten aufgehoben ist

Foto: ChatGPT

Inhaltsverzeichnis

Der DFB hat mit dem Nike-Deal den größten finanziellen Coup seiner Geschichte gelandet. Die Reaktion: Er wird flächendeckend beschimpft. Die Parole „Fußball-Mafia DFB!“ tönt unreflektiert durch die Stadien. Oft ist eigentlich die zunehmend irrlichternde DFL der eigentliche Adressat, aber „Sch… DFB!“ ist nun mal gelernt und eingängig wie ein Gassenhauer.

Da tröstet es wenig, dass auch Politiker für alles herhalten müssen und "Die Ampel muss weg!" nicht nur von bekennenden Querdenkern verwendet wird. Vermutlich hat das Spitzenpersonal der demokratischen Parteien, angeführt von DFB-Präsident Bernd Neuendorf, sogar den österlichen Saharastaub zu verantworten. Das gab es früher doch nicht, als alles besser war, so wie in meiner fußballerischen Jugend.

Die Bälle waren schnell mit Wasser vollgesogen und nach dem Trocknen hart wie Beton. Duschen gab es nicht, dafür vier Wasserhähne mit kühlem Nass. Die Anfang der 70er eingeweihte Flutlichtanlage bestand aus zwei Masten an der Mittellinie, die den Torhütern direkt in die Augen strahlten, und die Strafräume waren nach stärkerem Regen bis zum Elfmeterpunkt voller Wasser. Einmal sagte unser Trainer Hansi Thoms, in den 60ern Keeper beim FC St. Pauli: "Wir hören dann auf, wenn die Pfütze leer ist!"

Wir sahen nach dem Torwarttraining aus wie die Borstenviecher im heimischen Stall, doch wir waren irgendwie auch stolz, vor allem aber klitschnass. Hansi Thoms sorgte 1976 auch für meinen ersten Besuch am Millerntor. Damals spielten sie als klassischer Arbeiterverein (die bunte Szene von heute und die Totenkopf-Fahnen gibt es erst seit 1986) in der 2. Bundesliga Nord mit den einstigen West-Berliner Größen Spandauer SV, Wacker 04 und Tennis Borussia, später allesamt insolvent, wobei TeBe im Gegensatz zu den beiden anderen zumindest existiert.

Noch nicht "ganz unten", aber als eines der vielen mahnenden Beispiele, wenn es um sportlichen Größenwahn geht. Die einstigen West-Berliner Platzhirsche SC Charlottenburg und Blau-Weiß 90 dümpeln inzwischen im unteren Drittel der Berlin-Liga, der einstige Bundesligist gar auf einem Abstiegsplatz.

Fußballer erinnern sich gern an Zeiten voller Ruhm, egal wie vergänglich der ist. So behaupten in diesen Tagen viele Leute steif und fest, Adidas sei schon seit den 50er-Jahren Ausrüster des DFB. Das ist man offiziell erst seit 1970, hatte aber gar keine Trikots. Die legendären Teams von 1972 und 1974 spielten in Erima-Shirts, ohne Firmennamen, nur mit dem Adler im und auf dem Herzen.

Und nun schließt der DFB plötzlich eine Partnerschaft mit einer "amerikanischen Fantasiemarke" (Boris Rhein, immerhin hessischer Ministerpräsident) ab. Zwar ist Nike mit weitem Abstand Weltmarktführer, aber wenn es um Patriotismus und Heimat im Fußball ging, wurde es mit der Wahrheit an den Stammtischen nie so genau genommen.

Dabei hat der DFB gute Gründe für den Wechsel, denn das neue Angebot eröffnet völlig neue Möglichkeiten. Auch für den Amateurfußball. Nach vielen Jahren der Intransparenz und Mauschelei gab es erstmals eine so genannte diskriminierungsfreie Ausschreibung.

„Das Angebot von Adidas war am Ende nicht wettbewerbsfähig“
Der DFB wechselt nach siebzig Jahren den Ausrüster. Im Interview erklärt Schatzmeister Stephan Grunwald, wie es zum Mega-Deal mit Nike kam, warum die Entscheidung zwingend war – und wieso er die Kritik daran für „Kokolores“ hält

Was kann der Amateurfußball erwarten, denn der soll ja durch das viele Geld eine besondere Förderung erlangen? Viele glauben fälschlicherweise, der DFB könne nun breitflächig in sportliche Infrastruktur investieren oder gar individuelle Zuwendungen an die Vereine sorgen.

Das wird nicht passieren. Mal davon abgesehen, dass der größte Anteil an den zusätzlichen Einnahmen in die Kosten für die finanziell aus dem Ruder gelaufene Akademie und für die Tilgung der in der Vergangenheit angehäuften Schulden gehen wird. Allein das immer noch laufende Jahresgehalt für den nach Erich Ribbeck erfolglosesten Coach, Hansi Flick, umfasst angeblich 6 Millionen.

Viele der Leute, die überteuerte Verträge verhandelt und das allgemeine Unheil angerichtet haben, sind zwar nicht mehr da. Verantwortlich sind sie dennoch, zumindest moralisch. Wenn schon keine unmittelbaren Zahlungen, können die Vereine an der Basis vom Dachverband allerdings erwarten, dass der Fußball reformiert und zeitgemäß weiterentwickelt wird. Als Teilnehmer der beiden letzten DFB-Amateurkongresse kann ich sagen: Die dort erarbeiteten Ergebnisse waren nicht der große Wurf.

Zu viele Dinge wurden ausgeklammert, heiße Eisen nicht angepackt. Auch weil nur wenige ausgesuchte Vertreter der Vereine Kritik äußerten. Diese ist ohnehin nicht gern gesehen, schon gar nicht, wenn Dinge grundsätzlich in Frage gestellt werden. Wir sollten das aber tun.

Geldregen für Amateure?: »Ich gratuliere dem DFB zum Nike-Deal!«
Hartplatzhelden-Kolumne #80: Der DFB wechselt von Adidas zu Nike, die Empörung ist groß. Doch die Entscheidung ist gut, denn das Geld aus dem neuen Vertrag soll dem Amateurfußball zugutekommen. Von GERD THOMAS

Die Vereinsbasis wird sich kaum von allein organisieren. Fast alle Funktionäre haben den Kopf voll, den eigenen Verein über Wasser zu halten. Oder sie kümmern sich um höhere sportliche Ziele (s. o.), was noch mehr Kraft (und vor allem Geld) erfordert. Die Landesverbände machen nicht den Eindruck, als hätte sie der Geist der Fußballinnovation erfasst. 

Viele Würdenträger sind schon sehr lange im Amt, verteidigen mit viel Energie den Status Quo und tun sich mit den nötigen Veränderungen schwer. Zumal neue Wege auch immer zu internen Konflikten führen. So herrscht vielerorts das Prinzip "Nach mir die Sintflut" vor.

DFB-Präsident Bernd Neuendorf ist als weitgehend Außenstehender ins Amt gekommen. Er hatte nur wenig Stallgeruch, was von Vorteil sein kann. Denn er kennt auch eine Welt ohne das Funktionärswesen in einem Fußballverein oder -Verband. Ich würde ihm raten, nach der hoffentlich erfolgreichen EM 2024 eine größere Gruppe von engagierten Menschen einzuladen, um ergebnisoffen über die Zukunft des deutschen Amateurfußballs zu diskutieren. Es gibt dafür weit geeignetere Formate als die klassischen Top-Down-Methoden.

Dabei sein sollten neben wenigen Verbandsfunktionären viele Menschen, die Lust haben, an der Zukunft des Fußballs mitzudenken. Das können Vereinsvorstände, Trainer, Wissenschaftler, aber auch Eltern und Anhänger des Amateurfußballs sein, alles gern auch in der weiblichen Form mitgedacht.

Warum keine Fans und Beschäftigte der Bundesligisten? Ich halte es für sinnvoll, dass der Breitensport sich erst einmal selbst um seine Belange kümmert. Selbst sind die Frau und der Mann. Die Amateure könnten schnell unter die Räder kommen, wenn es um die Befindlichkeiten der Profis geht.

Watzke, Hoeneß, Minzlaff und andere werden bestimmt bald erklären, man bräuchte mehr Geld, auch aus dem neu verhandelten Vertrag. Anders könne man den Kampf gegen die von amerikanischen oder arabischen Milliarden gedopten Klubs der Premier League nicht aufnehmen. Was machen sie bloß, wenn Bayern oder Dortmund die Champions League gewinnen sollte?

Schon vor vielen Jahren dürften interessierte Kreise aus dem Profibereich einen gewichtigen Anteil daran gehabt haben, dass nicht das beste Ausrüsterangebot angenommen wurde und damit Geld für den Amateurfußball verloren ging. Dass der damalige Ausrüster nicht immer zimperlich bei der Wahl der Mittel war, ist bekannt. Zugegeben, der neue ist es auch nicht.

Bevor es in einer gemeinsamen Debatte von Breiten- und Profifußball wieder darauf hinausliefe, vor allem die Spitze zu fördern, sollten die Amateure das Schicksal selbst in die Hand nehmen.

Bernd Neuendorf könnte als Reformer des deutschen Fußballs in die Geschichte eingehen,

  • der die Problemlagen erkennt und die nötigen Gegenmaßnahmen erarbeiten lässt,
  • der den Top-Klubs erklärt, dass auch die Spitze der Bundesliga ohne gesunde Basis nichts ist,
  • der Vielfalt und Innovation ein neues Gewicht verleiht,
  • der die Neuordnung von Ehrenamt, Infrastruktur, Trainer- und Schiedsrichterwesen in die ganze Breite des Fußballs einfließen lässt.

Viele trauen ihm das nicht zu. Genau darin könnte die Chance liegen.

Kommentare

Aktuelles