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Die Champions League-Geschichte des VfB Stuttgart ist eine kurze. Erst zum 4. Mal nehmen die Schwaben in diesem Jahr teil, insgesamt waren es mit dem Auftakt bei Real Madrid 23 Spiele. Dass es nicht mehr sind, lag auch daran dass sie sich 1992 selbst um die Teilnahme brachten.
Ein fataler Wechselfehler war der Anfang vom Ende der Beziehung zwischen dem VfB und seinem damaligen Trainer Christoph Daum.
1992 war der VfB überraschend Deutscher Meister geworden und hatte die Chance, sich als erster Bundesligist an der neu gegründeten Champions League zu verewigen. Der Modus war noch ein anderer: Tatsächlich nahmen nur Champions, also Meister, teil. Vor der Gruppenphase waren zwei K.o.-Runden vorgeschaltet. Erst die Gruppenphase galt als eigentliche Champions Leaguem und der geneigte Fan, der dem Europacup der Landesmeister nachtrauerte, fragte sich: Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?
Der VfB Stuttgart hatte wahrlich kein Losglück und traf auf den englischen Meister Leeds United, den er in einem begeisternden Hinspiel zuhause mit 3:0 abfertigte.
Das Rückspiel am 30. September 1992 ging in die Geschichte ein – als schwarzer Tag der Schwaben. Nicht weil sie es mit 1:4 verloren, denn durch die damals geltende Auswärtstorregelung hätte es dank Andy Bucks Tor für das Achtelfinale gereicht. Dementsprechend groß war die Erleichterung nach Abpfiff. Bis Manager Dieter Hoeneß in der Kabine die Freude dämpfte und mit der unangenehmen Nachricht herausrückte: Die Stuttgarter hatten gegen die Regeln verstoßen, Konsequenz völlig offen. Was war geschehen?
Dummerweise war Trainer Christoph Daum auf die Idee gekommen, in Minute 83 einen Mann einzuwechseln, der nie zuvor und auch danach nie mehr für die erste Mannschaft spielte: Der Amateur Jovica Simanic war der eine Ausländer zu viel.
Auf dem Feld standen mit Anpfiff schon der Jugoslawe Slobodan Dubajic und der Isländer Eyjölfur Sverrisson, nach 80 Minuten kam der Schweizer Adrian Knup dazu. Von daher hätte Daum den kopfballstarken Jugoslawen Simanic nicht mehr bringen dürfen, was ihm bloß keiner rechtzeitig gesagt hatte.
Simanic hätte schon gar nicht auf dem Spielberichtsbogen stehen dürfen, wenn auch erst seit jener Saison. Ausreden gab es keine: Von der Änderung der Statuten war der VfB Stuttgasrt in Kenntnis gesetzt worden. In dreifacher Ausfertigung war das DFB-Schreiben im Uefa-Auftrag bei den deutschen Vertretern gelandet.
In Regel VIII, Artikel 12, Absatz drei wurde drauf hingewiesen, dass fortan nicht mehr als drei Ausländer zum Einsatz kommen dürfen, zuvor waren vier erlaubt. Das Schreiben landete bei Manager Dieter Hoeneß, aber angeblich nie im Trainerbüro. Weshalb das Unglück seinen Lauf nahm. Daum kannte die Regel nicht und seufzte ins RTL-Mikrofon: "Soll ich mich jetzt erschießen?"
Die Bild jedenfalls richtete ihn hin mit der bedingt originellen Zeile: "Christoph Dumm". Die Stuttgarter Zeitung kürte den VfB zur "Lachnummer der Nation" und Hoeneß bot seinen Rücktritt an. Zunächst hatten sie Glück im Unglück:
Drei Tage danach wertete die Uefa die Partie mit 3:0 für Leeds, was nach dem 3:0 im Hinspiel immerhin noch ein drittes Spiel bedeutete.
Aber das verlor der VfB auf neutralem Platz in Barcelona mit 1:2. Hinzu kam eine Geldstrafe über 10.000 Schweizer Franken.
Der Vorfall stürzte den VfB in eine Krise, in der Liga landete er nur auf Platz sieben – und Daum war nicht mehr Daum:
"Ich müsste momentan vielleicht mehr Größe zeigen, aber da passiert so viel Gemeines unter der Gürtellinie, und damit habe ich Probleme. Merkt denn keiner, dass ich nicht mehr der große Sprücheklopfer bin?"
Es war der Anfang von Christoph Daums Ende in Stuttgart, das 14 Monate nach dem Wechselfehler kam. Leeds brachte einen Knacks in die Beziehung, auch in die zu Dieter Hoeneß. Er vollzog sich quälend langsam und war erst nach einem Jahr so tief, dass man getrennte Wege ging.
Mit einem 4:0 über Duisburg und von den Fans gefeiert, nahm Daum auf Platz 14 im Dezember 1993 seinen Hut und das Angebot von Besiktas Istanbul an.
Daum war freilich in bester Gesellschaft, Wechselfehler passierten den größten Trainern.
Es gab weitere Wechselfehler
Udo Lattek brachte 1971 in Duisburg den Spieler Günter Rybarczyk, obwohl er schon zweimal gewechselt hatte. Nach Zuschauerprotesten nahm er ihn schnell wieder herunter. Da Bayern 0:2 verlor, gab es kein juristisches Nachspiel.
Otto Rehhagel verhalf im Juni 1976 dem Ghanaer Ibrahim Sunday in Essen zum Bundesligadebüt. Es war der dritte Ausländer, was medial zunächst kein Thema war. Auch hier gab es keinen Protest, da Werder sowieso verlor. Aber der DFB schickte dem Klub eine Rechnung.
Hennes Weisweiler brachte 1977 in Frankfurt mit dem Belgier Roger van Gool ebenfalls drei Ausländer ins Spiel. Auch das war egal, der FC verlor sowieso mit 0:4.
Im Mai 1993 wurde dann wieder mal ein Bundesligaergebnis annulliert. Zwar gewann Frankfurt in Uerdingen mit 5:2, aber der Slowake Marek Penksa hätte nichts dazu beitragen dürfen. Trainer Horst Heese wechselte ihn zwar schnell wieder aus, aber das half ihm nichts mehr.
Karlsruhes Winnie Schäfer erhielt 1995 gegen Leverkusen sogar Hilfe von oben. Als mit Sergej Kirjakov der dritte Ausländer noch an der Seitenlinie stand, rief der Stadionsprecher verzweifelt: „Winnie, zähl Deine Ausländer.“ Präsident Roland Schmider hastete von der Tribüne herunter, vergebens. Nie wäre ein Handy in der Bundesliga wichtiger gewesen als 1995. Diese Punkte waren weg.
Giovanni Trapattoni brachte im selben Jahr in Frankfurt mit Dietmar Hamann einen vierten Amateur. Das ging nur mit Sondergenehmigung, die hatten die Bayern im Gegensatz zur Vorwoche nicht eingeholt. Auf der Tribüne sah Pressechef Markus Hörwick das Unglück zwar kommen, aber die Wege sind weit in Frankfurt. Bis er unten war, hatte sich Giovanni Trapattoni schon verwechselt und aus einem 5:2 wurde ein 0:2. Manager Uli Hoeneß plädierte auf menschliches Versagen: „Das ist wie bei einer Prüfung. Sie wissen, dass zwei mal zwei vier macht und schreiben trotzdem fünf.“
Weltmeister Klaus Augenthaler schoss im Mai 1996 den Vogel ab. Als Vertreter von Franz Beckenbauer wechselte er im letzten Saisonspiel gegen Fortuna Düsseldorf drei Feldspieler und einen Torwart ein (einer zu viel) und ließ auch noch Oliver Kreuzer warmlaufen. Einen Protest gab es nicht, Fortuna war mit dem Punkt zufrieden (2:2) und „Auge“ machte seinem Unmut über die Statuten laut: „Da brauchst a Sekretärin!“
Die bis dato letzte Posse in der Bundesliga lieferte noch einmal König Otto. Im September 1998 ließ Rehhagel in Kaiserslautern eine schmutzige Komödie aufführen, als er seinen Fehler im Spiel gegen Bochum merkte. Auch er versuchte zu korrigieren was nicht mehr zu korrigieren war nach der Einwechslung eines vierten Nicht-Europäers. Es war aber auch kompliziert: Das Bosman-Urteil hatte 1995 zwar für den Einsatz von Europäern alle Schranken beseitigt, doch von fremden Kontinenten durften höchstens drei Spieler pro Team zeitgleich dabei sein. Mit zwei Ägyptern und einem Brasilianer war das Kontingent schon mit Anpfiff ausgeschöpft. Als sich der Däne Schjönberg das Schienbein brach, waren alle auf der Bank geschockt und übersahen, dass sie den Nigerianer Pascal Ojigwe nicht bringen durften. Nach wenigen Minuten merkte es Rehhagel und gab Hany Ramzy den Befehl, sich eine Verletzung zu nehmen. Der Ägypter gehorchte, spielte den sterbenden Pharao und lachte sich auf der Bank schlapp über das Pfälzer Bauerntheater. Bochum gewann gegen resignierende Lauterer sportlich 3:2 und gab sich damit zufrieden. Manager Klaus Hilpert wollte zwar Protest einlegen und sich ein 2:0 holen, das Tor könne am Ende fehlen. Doch Trainer Klaus Toppmöller hinderte ihn daran.
Mark van Bommel sorgte für den jüngsten Vorfall, als er als Trainer des VfL Wolfsburg im Pokal in Münster im August 2021 einen sechsten Spieler einwechselt. In Corona-Zeiten waren immerhin fünf erlaubt, van Bommel hatte den Überblick verloren. Der 3:1-Sieg wurde aberkannt, der VfL flog aus dem Pokal und der Niederländer, 2010 WM-Zweiter, alsbald hinterher.