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Mir egal

Zum künstlichen Gezeter um die Kosten für Polizeieinsätze im deutschen Fußball.

|17. Januar 2025|
15.01.2025 Deutschland, Stuttgart Fußball Bundesliga, Saison 2024 2025, VfB Stuttgart vs. RB Leipzig, Fan-Banner: An alle Freunde, Feinde und jeden Gegner Gemäß den Vorgaben der DFL Deutsche Fußball Liga ist es untersagt, in dem Stadion und oder vom Spiel angefertigte Fotoaufnahmen in Form von Sequenzbildern und oder videoähnlichen Fotostrecken zu verwerten bzw. verwerten zu lassen. *** 15 01 2025 Germany, Stuttgart Football Bundesliga, Season 2024 2025, VfB Stuttgart vs RB Leipzig, Fan Banner To all friends, foes and every opponent In accordance with the regulations of the DFL German Football League, it is prohibited to exploit or have exploited photographs taken in the stadium and or of the match in the form of sequential images and or video-like photo series
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IMAGO/Pressefoto Baumann

Trump hat dieses gesagt und jenes gedacht und will stündlich andere Länder kaufen, Habeck will auch noch dem ärmsten Rentner mit langen Fingern das Geld aus dem Hosensack holen, und Lindner sieht die Zukunft des Heizens im kalten Winter weniger im weiteren Beschleunigen der Energiewende als vielmehr im automatisierten Verfeuern ganzer Herden fliegender rosa Einhörner.

Ganz egal, wie bescheuert irgendetwas ist – es wird eine Schlagzeile draus gemacht, es wird ĂĽber den Ticker gejagt, gedruckt, besprochen, diskutiert, verbreitet, aufgeplustert. Und es mag am fortschreitenden Alter liegen, am damit einhergehenden Verschieben des Interessenschwerpunkts, am Abgelenktsein durch andere, wichtiger erscheinende Dinge – aber es ist nicht von der Hand zu weisen: Die ganze Aufregung, das ganze tägliche und nächtliche Gezeter in allen Medien, aus fast allen MĂĽndern, auf allen Kanälen, das geht mir zusehends am Arsch vorbei.

MĂĽcke vs Elefant

Und weil der Fußball, das Milliardenbusiness Profifußball, in Sachen Aufregung und Gezeter selbstverständlich nicht zurückbleiben darf hinter dem ganzen anderen Shit, nicht einen Moment nachlassen, nicht einen Millimeter zurückfallen darf, eben deshalb wird auch im Fußball so oft es geht aus einer Mücke medial und sozialmedial und ganz generell ein Elefant gemacht.

Fernsehrechte, Trainerentlassung, Spieler A vertritt sich den FuĂź, Spieler B verfĂĽgt ĂĽber „brutale individuelle Qualität“, Aki hier und Uli da – und alles nur crescendo in Richtung ganz groĂźer Knall: Wenn Wirtz mitsamt Alonso zu Real Madrid wechselt, im Paket fĂĽr 250 Millionen plus nochmal so viel Handgeld, dann drehen hier alle durch, dann werden die Schleusen geöffnet, dann gibt’s kein Halten mehr. Wer wird dann Trainer in Leverkusen? Welche Stuttgarter Spieler nimmt Sebastian HoeneĂź mit?

Selbstverständlich bin ich Teil dieser Aufregung. Stadiongänger, zahlender Bezahlfernsehkunde, Merchandising auch hier und da – und als Anhänger des groĂźartigen VfB Stuttgart derzeit, endlich, mal wieder mittendrin und sogar vorne mit dabei. Wir stinken sauber mit, demĂĽtigen den BVB regelmäßig, sind mittlerweile so stabil, so gut, dass wir auch die Rasenballer nach RĂĽckstand einfach besiegen, weil wir besser sind, schlauer, schneller. NatĂĽrlich sind wir auch in Sachen Aufregung ein Traditionsclub: Traditionell vorne mit dabei, wenn’s ums Protestieren geht, ums Wittern der Verschwörung wider den VfB. Schiedsrichter verpfeifen uns regelmäßig, bei den Bayern haben wir eigentlich seit der Lahm-Leihe (2003!) immer noch mindestens „einen gut“, bei DFB und DFL haben wir, anders als alle anderen, keine Lobby. Gehört wohl zur Folklore, ist fast ĂĽberall so – in Sachen ungerechte Behandlung, fragen Sie da doch mal einen vom Spochtclub aus Freiburg, wo sie zwischenzeitlich angefangen haben, sich dem Establishment näher zu fĂĽhlen als der zweiten Liga, und wo sie noch in jedem Spiel derart dramatisch hinliegen, dass unser Atakan Karazor dagegen standhaft scheint wie ein Fels in der Brandung.

So verwundert es nicht, dass auch in „meinen“ Stuttgarter Kreisen das Geschrei besonders laut erschien, als letzte Woche per oberstem Gericht die Frage geklärt wurde, wie und von wem die Kosten für Polizeieinsätze bei so genannten Risikospielen zu begleichen seien. Also wohlgemerkt nicht grundsätzlich aller Polizeieinsätze, sondern diejenigen im Rahmen der Spiele, bei denen irgendwelche Leute davon ausgehen, dass Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Fanlagern besonders wahrscheinlich sind.

Das Klischee vom zerlegten Zug

Mit der S-Bahn von Heidelberg nach Mannheim, wenn etwas später der Waldhof gegen Lautern spielt. Oder gegen SaarbrĂĽcken. In Karlsruhe vor dem Match KSC vs VfB in Stadionnähe rumlaufen. Schalke gegen Dortmund, you name it. Von den ultrarechten Ost-Szenen ganz zu schweigen. Solche Verhältnisse wurden und werden seit vielen Jahren einfach billigend in Kauf genommen. Das Klischee vom zerlegten Zug – das wird ja nun auch nur deshalb zum Klischee, weil es halt einen riesengroĂźen wahren Kern hat. Da brauch ich nicht mal zum Hochrisikospiel – denn wenn die organisierte Fanszene gleich welchen Clubs unterwegs ist, bahnfahrend, vornehmlich in schwarz marschierend, Revier markierend gleich eines paramilitärischen Verbands, da kann man das Risiko nicht nur sehen sondern auch hören, riechen und spĂĽren. Dass dann vor allem die organisierten Fans besonders laut aufheulen, wie ungerecht das alles sei, da fehlt mir ein bissle das Verständnis. Dass ausgerechnet von den im FuĂźballsex eher als sapiosexuell denn als Brutalmachos daher kommenden Menschen von „Unsere Kurve“ die scharfen Protestnoten kommen, nicht mal von den Vereinen selbst – da scheint doch irgendwie die Balance zu fehlen.

Die Vereine zumindest ein Stück weit in die Verantwortung für Sicherheit und Frieden rund um ihre Spiele mit reinzunehmen ist doch völlig okay. Viel zu lange habe ich schon den Eindruck, dass wer zum Fußball geht häufig meint, einen Freibrief zu haben für schlechtes Benehmen und ungute Aggressivität. Auch wenn dann jedes Mal zig Leute kommen und sagen, das stimme ja gar nicht. Sie würden mit so vielen anderen immer zum Fußball gehen, und alle benehmen sich. Da sag ich: Ja, stimmt, bin ja auch einer von denen. Sehe aber trotzdem viel zu viele andere jedes Mal, wo ich mich frage: Ernsthaft?

Nicht besonders steile These

These jetzt, nicht besonders steil: Sehr viele von denen mit schlechtem Benehmen sind Teil der aktiven, organisierten Fanszene, haben Dauerkarten. Sind in Verein und Kurve namentlich bekannt. Und sicher kommt man da schnell in eine Grauzone auch mit der behördlichen Beurteilung der Frage, was schlechtes Benehmen ĂĽberhaupt ist.  Aber dass ich in verfängliche Situationen rund um den Stadionbesuch gerate, obwohl ich das ĂĽberhaupt nicht will, Leute, das ist ja wohl die Ausnahme, die die Regel bestätigt. Also hat der Verein durchaus einige Möglichkeiten, bei seinen Anhängern gutes Benehmen einzufordern. Und gegebenenfalls schlechtes Benehmen zu ahnden. 

So bleibt zum Ende hin die Feststellung, dass ich wenig Verständnis habe fĂĽr das Gezeter und Geheule wegen angeblich ungerechtfertigter, unverhältnismäßiger Behandlung. Als lägen nach jedem Spiel hunderte organsierte Fans mit polizeilich völlig grundlos blaugeprĂĽgelten Nieren hinterm Stadion, und die Vereine mĂĽssten das dann bezahlen.  Und eigentlich, also wenn ich’s mir recht ĂĽberlege, und ob’s am Alter oder der Fokus-Verschiebung liegt – also eigentlich ist es mir völlig egal. Wurscht.