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HSV ohne Glatzel: Wie soll das gehen?
Rückschlag beim Hamburger SV: Der Top-Torjäger fällt mit einem Sehnenabriss monatelang aus. Die Aufstiegshoffnung muss jetzt ein anderer wahren

Foto: Imago / Laci Perenyi
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Ein HSV-Fan hat es nicht leicht. Er kann sich an nichts gewöhnen. Auf kämpferische Siege folgten oft klägliche Blamagen. Nach dominanten Auftritten verfiel das Team unerklärlich schnell in extreme Unsicherheit. Und jetzt, nach einem souveränen 3:0-Sieg bei Tabellenführer Fortuna Düsseldorf, fällt der Top-Torjäger für mehrere Monate mit einem Sehnenabriss im Oberschenkel aus. Ausgerechnet vorm Topspiel gegen Magdeburg.
Robert Glatzel war die Konstante in all dem Trubel der vergangenen Jahre. Er hat in 120 Spielen bereits 77 Tore für den Hamburger SV gemacht. Sergej Barbarez, natürlich eine Liga höher, erzielte 76 Tore in 216 Spielen. An Glatzel können die verpassten Aufstiege wirklich kaum festgemacht werden. Aber wie kann es nun klappen, wenn der beste Spieler fast ein halbes Jahr fehlt?
In jedem anderen Jahr wäre der HSV wirklich aufgeschmissen gewesen. Unter Tim Walter gab es für Bobby keinen adäquaten Ersatz. Es war das alte Lewandowski-Phänomen. Glatzel war so gut, dass kein Spieler mit ihm in den Konkurrenzkampf gehen wollte. Filip Bilbija, jetzt sehr formstark in Paderborn, verließ den HSV nach nur einem Jahr. Andras Nemeth erfüllte die Erwartungen nicht und wurde nach Münster verliehen. Mikkel Kaufmann, immerhin heute bei Heidenheim unter Vertrag, sah ebenfalls keinen Stich gegen die Nummer Neun.
Jetzt sind die Voraussetzungen komplett andere. Davie Selke ist der erste Spieler, bei dem es Hoffnung gibt, den Superstürmer beim HSV kurz vergessen zu machen. Nein, er hat nicht das technische Niveau von Glatzel. Er hat auch nicht die Schnelligkeit seines Kollegen, der auch gerne mal auf den Flügel auswich. Selke wird das selbst wissen. Aber er lässt es sich nicht anmerken. Genau das ist sein Faustpfand.
Selke hat die Überzeugung, der beste Stürmer der Liga sein zu können. „You can’t teach height“, sagen die Amerikaner im Basketball. Frei übersetzt: Größe kannst du nicht trainieren. Das trifft auf Selke zu. Er ist eine Naturgewalt im Strafraum. der eine ähnliche Präsenz im gegnerischen Strafraum besitzt. Seine Kopfballstärke bei 1,95m Körpergröße zwingt die Innenverteidiger, sich an ihm zu orientieren.
Das wiederum schafft Räume für seine Mitspieler. Davon wird Sturmpartner Ransford Königsdörffer profitieren. Königsdörffer wurde unter Walter systembedingt auf dem Flügel geparkt. Dabei liegen seine Stärken eher im Zwischenraum. Er ist zwar schnell, aber kein begnadeter Dribbler wie etwa Dompé oder Baldé. Das geradlinigere Spiel unter Steffen Baumgart liegt ihm.
Also Selke + Königsdörffer = Glatzel? So einfach wird es nicht. Dafür fehlt den beiden die Finesse auf engen Räumen. Daher muss das Mittelfeld effizienter werden. Marco Richter macht es aktuell gut, aber seine ständigen Distanzschüsse behindern oft den Rhythmus. Adam Karabec, Emir Sahiti und Immanuel Pherai suchen aktuell noch ihren Platz im Team. Ludovit Reis hatte einen starken Auftritt bei Fortuna Düsseldorf. Wenn er diese Form bestätigt, ist er gesetzt. Allein die Auflistung dieser Namen zeigt, wie stark der HSV-Kader auch ohne Glatzel noch ist. Es liegt an Baumgart, Spiel für Spiel die beste Elf und die besten Joker zu finden.
Ach, und es gibt ja immer noch Jean-Luc Dompé. Der Franzose ist so gut wie noch nie im HSV-Dress. Ihm gelingt alles und auch er profitiert vom variableren Spiel unter Baumgart. Weil seine Mitspieler ihm mehr zur Seite stehen, sind die Aktionen viel weniger ausrechenbar. Schuss, Flanke, Steckpass oder Dribbling – bei Dompé ist alles möglich.
Also, auch ohne Glatzel hat der HSV alle Chancen auf den Aufstieg. Der breite Kader sollte sich jetzt bezahlt machen. Es wird natürlich noch mehr Arbeit, aber das hat die 2. Liga nun mal an sich. Dort marschiert niemand so leicht durch. Der HSV weiß das nur zu gut.