zum Inhalt

Funino für Fortgeschrittene

Die DFB-Reform im Kinderfußball wurde hart kritisiert. Dabei läuft's mit Funino unten an der Basis besser, als die da oben meinen

Foto: Imago / Zink

Inhaltsverzeichnis

Von Gerd Thomas

Hurra, die Kinder spielen wieder um Punkte. Nach den nervtötenden Debatten um die Spielformen, ist die Saison in Berlin gestartet. Wir haben beim FC Internationale 40 Jugendteams für den Spielbetrieb im Berliner Fußball-Verband gemeldet. Einige spielen in E- und F-Jugend klassisch 7 gegen 7, andere 3 gegen 3 im Minifußball, viele sogar beides.

Wir betreiben den in der Diskussion stehenden Kinderfußball, auch Funino genannt, seit mehr als 3 Jahren. Wir haben in kleine Tore investiert, und wir haben den Umstieg nicht bereut. Im Gegenteil. Nicht nur am Wochenende, auch in der Woche beim Training finden die Minitore großen Anklang bei den Trainern, so dass wir noch mehr gekauft haben. Vielen Dank an den Berliner Fußball-Verband, der aufgrund von Sammelbestellungen sehr gute Preise für die Vereine aushandeln konnte. Ebenso vielen Dank an die Kommissionen im DFB, die in vielen Sitzungen gezeigt haben, dass der größte Einzelverband der Welt eben doch reformfähig ist. Sogar mein Hartplatzhelden-Kollege Michi Franke, Präsident der FT Gern (immerhin Heimatverein von Philipp Lahm), lobte die Reform.

Funino – der bessere Fußball?
Fußball ist immer noch der beliebteste Sport in Deutschland – zumindest, wenn man die Zuschauer-Zahlen im Fernsehen und die Mitgliedszahlen im DFB betrachtet. Aber es gibt Nachwuchs-Probleme. Robert Meyer über eine besondere Innovation.

Derweil spielen die D-Jugendlichen 7 + 1. Ja, tatsächlich mit festem Torhüter, um den Kritikern gleich Vorschub zu leisten. Wobei eine Untersuchung interessant wäre, wie viele Kleinfeldtorhüter später auch im Erwachsenenbereich ankommen. Wir auch immer: Unsere D5 begann mit einem grandiosen 15:1-Auftaktsieg bei einem Verein im Süden Berlins. Ein großartiges Ergebnis – zumindest für unser Team. Die erfahrene Trainerin nahm dabei die besten Spieler sogar längere Zeit vom Feld, es gab acht verschiedene Torschützen. Ob die gegnerische Mannschaft das Spiel auch so toll fand?

Zu allem Überfluss führte ein mitgereister Fan auch noch einen Liveticker auf der Plattform fussball.de. Diese stets subjektiven Kommentare werden den Kindern und Eltern der Gastgeber noch einmal richtig vor Augen geführt haben, wie übermächtig der Gegner war. Die ganzen Spezialisten der „Früher-war-alles-besser-Fraktion“ hätten ihre helle Freude gehabt, denn unsere Gegner haben mal richtig verloren, was ja bekanntlich für die Zukunft unheimlich stark macht.

Naja, früher dachte man auch, Milch und rohes Fleisch würden die Wahrscheinlichkeit zum Sieg erhöhen. Oder um es mit Aki Watzke, dem Spiritus rector des Jugendfußballs, zu sagen: "Wenn du als Sechs-, Acht- oder Neunjähriger nie das Gefühl hast, was es ist, zu verlieren, dann wirst du auch nie die große Kraft finden, um auch mal zu gewinnen." Wie stark muss er sich selbst nach elf verpassten Meisterschaften fühlen?

Funino-Debatte im Fußball: Das sagen Bochumer Jugendleiter
Drei gegen drei, kleine Tore, keine Tabelle: Die DFB-Reform im Kinderfußball sorgt für Debatten. Bochumer Jugendleiter haben eine klare Meinung.

Aus den gedemütigten Verlierern werden also künftig echte Helden erwachsen. Denn wer zweifelt schon an den Worten des vermeintlich mächtigsten Mannes und Vorsitzenden einer Fußball AG, der beim Unternehmertag Essen Süd schon vor den Spielen der Champions League Ausreden sucht? Den Gegnern unserer D5 ging es nicht viel anders als den Alsterbrüdern gegen den VfL 93 Hamburg oder einem Magdeburger E-Jugend-Team bei einem Ortsderby mit dem Endstand von 0:19.

Die D3 des BFC Dynamo gewann gar mit 31:0. Dieses Spiel hat alle Beteiligten bestimmt so richtig weitergebracht. All diese Kinder der Verliererteams werden nach Lesart vieler alter Männer später also Helden, zumindest aber hartgesottene Typen, die erst durch die deklassierenden Pleiten das Leben bestehen können.

Genug des Sarkasmus. Was würde wirklich helfen? Erstens: Es wäre nötig, die nach langen Diskussionen gemeinsam beschlossenen Reformen wirklich zu unterstützen und den vielen Experten des Jugendfußballs nicht in den Rücken zu fallen. Zweitens benötigt es viel mehr Engagement für die Basis und in den Vereinen. Fast überall fehlen Trainerinnen und Trainer, aber auch Vorstände, nicht zuletzt Jugendleitungen. Wir brauchen eine Diskussion darüber, wie wir mehr Ehrenamtliche gewinnen können. Oder wie wir Vereine in die Lage versetzen, den zunehmenden Anforderungen begegnen zu können.

Reform des Kinderfußballs: Revolution mit Minitoren in vollem Gange
Schon jetzt beschäftigt die große Reform des Kinder-Spielbetriebs viele Fußballvereine. Es geht um Kosten, Details - und die Rolle der Trainer.

Das sind die wirklich wichtigen Reformen, die anstehen. Denn ohne Trainer brauchen wir uns über Spielformen gar nicht mehr unterhalten, sondern schicken reihenweise interessierte Kinder nach Hause, weil niemand da ist, um sie zu betreuen.

Wir arbeiten gerade an Konzepten zur Verbesserung, aber auch bei uns läuft längst nicht alles rund. Sinnvoll wäre auch, zumindest einen Teil der Gelder, die schon in der Kreisliga für Herrenspieler gezahlt werden, in die Jugend umzuleiten. Das wäre vielerorts ein Paradigmenwechsel, der gerade den Traditionalisten sehr schwer fallen dürfte.

Immerhin können die Debatten um die Leistungszentren und die Fußball-Ausbildung an sich seit dem letzten Dienstag wieder drei Stufen runtergefahren werden. Natürlich muss weiter diskutiert werden, welches die richtigen Wege sind. Aber der DFB-Elf sei Dank: Wir können die Debatte zumindest für ein paar Wochen etwas weniger hysterisch führen. Danke, Rudi Nationale! Und seit einigen Tagen wissen wir nach dem unglaublichen WM-Titel der Basketballer auch: Die Deutschen sind doch nicht alle völlig verweichlicht. Es besteht noch Hoffnung im Land von Goethe, Schiller, Einstein, Schmeling und Seeler.

Gerd Thomas ist Vorstand beim FC Internationale Berlin und schreibt in seiner Kolumne auf Fever Pit'ch, wie es an das Basis zugeht

Kommentare

Aktuelles

Klubikone Navas verlässt Sevilla

Klubikone Navas verlässt Sevilla

Vereinsikone Jesus Navas wird den FC Sevilla im Sommer verlassen. Der Rechtsverteidiger gehört praktisch zum Inventar der Andalusier.