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Amateurvereine in Gefahr

350 Ehrenamtliche versammelten sich beim DFB-Amateurkongress in Frankfurt. Und nannten ihre Probleme, die sie ganz unten haben, beim Namen.

DFB-Präsident Bernd Neuendorf. Foto: privat

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Der Amateurfußball ist in schwierigem Fahrwasser. Das wurde beim DFB-Amateurfußballkongress in Frankfurt, zu dem der Verband 350 Menschen aus Vereinen sowie Kreis- und Landesverbänden eingeladen hatte, deutlich. Die Auswahl der Delegierten nahmen die Landesverbände vor. Sie sollte vielfältiger als zuletzt sein, was gelang, auch wenn künftig noch mehr Menschen mit familiärer Zuwanderungsgeschichte dabei sein sollten.

Bei Kindern und Jugendlichen stellen in einigen Regionen inzwischen mehr als die Hälfte dieser Gruppe die Mehrheit, was nicht gleich Probleme machen muss, aber durchaus besondere Herausforderungen darstellen kann. So wie für die Schulen auch. Deutschland ist ein Einwanderungsland, das gilt explizit auch für den Fußball. Nicht nur bei den Profis in München, Dortmund, Leipzig oder Stuttgart.

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Leider nahmen die Medien vom Amateurkongress kaum Notiz, ich habe das bereits an anderer Stelle moniert. Journalisten hätten interessante Diskussionen verfolgen, vor allem aber feststellen können, woran es im Amateurfußball wirklich hapert. Die Schwerpunktthemen hießen zwar Schiedsrichter, Spielbetrieb, Frauen- und Mädchenfußball. Im Fokus standen aber immer wieder zwei andere Felder.

Die drei genannten Punkte bildeten nämlich nur den Rahmen für die drängendsten Themen: Die Situation des Ehrenamtes und der Zustand der sportlichen Infrastruktur bringen die Funktionsfähigkeit vieler Vereine in Gefahr. In nahezu jeder Diskussion an den vielen Arbeitstischen tauchten diese beiden Punkte auf, und fast immer als Problem. Beispiele:

  • Auch die letzten Bundesländer stellen in ihren Schulen nun auf Ganztagsbetreuung um, mit großen Auswirkungen auf die Trainingszeiten der Kinder, was viele Vereine mit Sorge sehen.
  • Der immer stärker nach Fachkräften suchende Arbeitsmarkt stellt die Möglichkeit von gut bezahlten Überstunden in Aussicht, was auch viele Jugendtrainer nutzen – zu Lasten der Übungsstunden auf dem Platz.
  • Allgemein lässt die Bereitschaft in der Bevölkerung nach, sich langfristig ehrenamtlich im Sportverein zu binden.
  • Gleichzeitig steigen gerade bei Eltern die Dienstleistungsmentalität und die Ansprüche an die Vereine stetig. Anspruch der Mitglieder und realistische Möglichkeiten der Vereine klaffen immer weiter auseinander.
  • Vielerorts sind die Sportstätten in einem erbärmlichen Zustand, aber fast überall fehlen Geld und Personal für die Sanierung.

Erstaunlich war, dass es bei der Infrastruktur nicht nur in den Ballungsräumen, sondern längst auch in ländlichen Gebieten Probleme gibt. Vereine in Innenstadtbereichen wie bei uns in Berlin-Schöneberg klagen seit Jahren über abenteuerliche Zustände und einen krassen Mangel an Sportstätten.

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Personell ausgedünnte Behörden machen das Leben zusätzlich schwer und arbeiten zuweilen noch mit Faxgeräten. Auch in diesem Sommer berichten wieder viele Vereine in den Metropolen von riesigen Wartelisten voll mit Kindern, die nicht aufgenommen werden können. Es fehlen Trainer und Plätze. Die Folge: Bewegungsarmut, Krankheiten und jede Menge Kosten für die Allgemeinheit.
 
Dem DFB wurde mitgegeben, sich als Lobbyist der Amateurvereine bei der Politik vehement für eine Verbesserung der Bedingungen einzusetzen. Ähnliches wurde drei Wochen zuvor auch dem DOSB schon auf seinem Kongress zur Sportentwicklung ins Pflichtenheft geschrieben.

Ich selbst hatte die Möglichkeit, in einer Podiumsdiskussion anschaulich die Schrecken der Sportstättensituation in Tempelhof-Schöneberg darzustellen und wurde hinterher von einigen Zuhörern gefragt, ob ich mir das ausgedacht hätte. Habe ich nicht, so weit würde selbst meine Fantasie nicht reichen. Stattdessen habe ich mir aber Sportpolitiker in den Parlamenten gewünscht, die wirklich leidenschaftlich für den Breitensport eintreten.

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Beim DFB-Amateurfußballkongress ging es am Rande auch immer wieder um die Themen Digitales, Bildung, gesellschaftliche Verantwortung, Gewalt und Kinderfußball. Auffällig: Über Gewalt wurde sehr differenziert und meist ohne die üblichen – und oft falschen – Stereotypen diskutiert. Es waren eben Fachleute am Werk. Einig war man sich aber, dass der Fußball klarere Regeln braucht, die Einführung der 10-Minuten-Strafe wurde mehrfach vorgeschlagen.

Immer wieder wurde angemerkt, wie schlecht der Einfluss der Bundesligaspieler auf den Nachwuchs ist. Heranwachsende übernehmen das Ritual der Rudelbildung oder werfen zur Verzögerung einen zweiten Ball ins Feld. Erwachsene krümmen sich schon nach leichten Fouls minutenlang am Boden. Zehnjährige heben bei Eckbällen ohne Sinn den Arm. Man konnte die Missachtung für solche dem Ruf des Fußballs abträglichen Eskapaden förmlich fühlen.

Auch mehr Schulung von Sozialkompetenzen in der Ausbildung von Trainern und Schiedsrichtern war ein Thema. Und nicht zuletzt wurde die besondere Verantwortung und Vorbildfunktion der Vorstände angemahnt. Die Kinderfußballreform wurde von fast allen begrüßt. Aber am Rande gab es immer wieder den Wunsch, die Veränderungen bei der Trainerausbildung zu überdenken, zumal die finanziellen Belastungen für die Vereine ohnehin groß sind.

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Die Organisatoren des DFB gaben vor, um die Themen Ehrenamt, Infrastruktur und Digitales würde man sich ohnehin laufend kümmern, weswegen diese nicht besonders herausgestellt werden müssten. Das wirkte für die Delegierten wenig überzeugend und löste manch bissigen Kommentar zur finanziell aus dem Ruder gelaufenen neuen Akademie aus.

Die früheren Gremien haben dem neuen Präsidenten Bernd Neuendorf und seinem Team nicht nur sportlich, sondern auch wirtschaftlich schwere Bürden hinterlassen. Es lohnt sich durchaus, noch einmal zurückzuschauen, wer die Verantwortung für die Schieflage des größten Einzelsportverbandes der Welt trägt.

Wir brauchen aber Geld, um die Herausforderungen für die Zukunft meistern und die Vereine an der Basis besser unterstützen zu können. Woher das kommen soll, muss diskutiert werden – nicht nur hinter verschlossenen Türen.

Gerd Thomas ist Vorstand beim FC Internationale Berlin und schreibt in seiner Kolumne auf Fever Pit'ch, wie es an das Basis zugeht.

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