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Plattitüden helfen DFB nicht

Bundestrainer Julian Nagelsmann und Direktor Rudi Völler kündigen eine harte Hand bei der Nationalelf an. Doch die eigenen Zitate entlarven sie

Foto: Imago / Matthias Koch

Inhaltsverzeichnis

Guten Morgen, liebe Fußballfreunde!

Die Hilflosigkeit beim DFB erschöpft sich in Plattitüden, die beim ersten Hinhören sinnvoll und öffentlichkeitswirksam klingen, beim zweiten Hinhören aber Bullshit sind. Nehmen wir folgende Stellungnahme von Bundestrainer Julian Nagelsmann:

"Dann musst du vielleicht mal die Faust ballen und sagen: Ein Top-Talent weniger, einen Worker mehr. Vielleicht müssen wir auf zwei Prozentpunkte Talent verzichten und zwei Prozentpunkte mehr Worker reintun."

Mathematisch ist diese Aufgabe so nicht lösbar. Zwei Prozent einer Mannschaft: Das wäre 0,2 Feldspieler. Bei einem 25-Mann-Kader 0,5 Nationalspieler. Wie will Nagelsmann ein Fünftel Spieler einwechseln? Scheibchenweise?

Er hat nach dem 0:2 gegen Österreich die Chance verpasst, Ross und Reiter zu nennen, Mann für Mann. Zum Beispiel Julian Brandt: Totalausfall. Oder Antonio Rüdiger: Sicherheitsrisiko. Oder Mats Hummels: Kein Tempo.

Stattdessen bemüht er die Relativitätstheorie, um Probleme anzusprechen, ohne jemanden konkret wehzutun. Ihm ist dann zwar eine Bild-Schlagzeile sicher ("rechnet mit seinen Stars ab"), die Stärke und Handlungswillen suggeriert.

Aber in seinen Zitaten taucht nicht ein einziger Name auf. Niemand fühlt sich angesprochen. So eine Kritik im Ungefähren geht bei den Spielern in das eine Ohr rein und aus dem anderen ungefiltert raus: Zwischen den Ohren bleibt nix hängen.

Denn Prozentrechnen hat die unangenehme Nebenwirkung, dass alles, was Mist ist, relativiert und damit abgeschwächt wird. Dabei stinkt ein Bruchteil von Mist genauso wie der Misthaufen selbst. Nehmen wir DFB-Direktor Rudi Völler:

"Diese fünf, zehn Prozent an Leidenschaft haben gefehlt. Es ist eine generelle Frage. Ich weiß nicht, ob es an den Spielertypen liegt, da müssen wir dran arbeiten."

Was will Völler mit dieser scheinbar knallharten Analyse sagen? Dass 90 bis 95 Prozent in Ordnung ist und die letzten Prozente nicht zu erreichen sind, weil die Mentalität nicht mehr hergibt? Seit wann kann man an Leidenschaft arbeiten?

Nun stellen wir uns einen Nationalspieler vor, der den Völler-Satz bei Bild liest: "Das können wir uns nicht gefallen lassen". Wird er anschließend eine Runde extra durch den Wald laufen oder ans Kopfballpendel gehen? Wohl kaum.

Nein, die Spieler kehren in ihre Klubs zurück und gehen zum Alltagsbetrieb über. Die Nationalmannschaft ist dann weit weg und bis zur nächsten Zusammenkunft im März kein Thema mehr. Das Wehklagen beim DFB verhallt ungehört.

Nagelsmann sollte darum genau das Gegenteil tun: Spieltag für Spieltag Druck ausüben - Namen nennen, Leistungen beurteilen, Konsequenzen aufzeigen, Verbesserungen einfordern. Wir brauchen mehr Absolutismus statt Relativität.

Die Zahl der Plätze im EM-Kader ist begrenzt. Nagelsmann versteht noch nicht, welche Macht ihm die Hoheit bei der Nominierung wirklich gibt. Er muss die Leistung der Nationalspieler wieder 1,0 zu 1,0 messen und nicht 0,2 zu 0,5.

Er wird sich nicht darauf verlassen können, dass die Generation Weichspüler über Nacht ein Erweckungserlebnis feiert und Leistungen bietet, die eines Nationalspielers würdig sind. Er sollte sich dringend Gehör verschaffen.

Einen zählbaren Donnerstag wünscht

Euer Pit Gottschalk

PS: Und weil Julian Nagelsmann in der Öffentlichkeit keine Spieler seziert, tut das Alex Steudel heute in der Kolumne, Mann für Mann.


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⚽️ DFB-Chaos: Die große Spieler-Analyse

Von Alex Steudel

Wie schlimm es um den deutschen Fußball steht, muss ich hier eigentlich nicht eigens erwähnen. Very schlimm. Vielleicht eine Zahl dazu: Ich habe gelesen, dass das DFB-Team beim 0:2 in Wien 83 Fehlpässe fabrizierte. Bei einer Nettospielzeit von 52 Minuten und einem Ballbesitz von 55 Prozent heißt das: Deutschland schob alle 20 Sekunden den Ball irgendwohin, bloß nicht zum Mitspieler.

Ich weiß nicht, wie es euch ging, ich durchlebte angesichts des spielerischen Debakels eine Gratwanderung zwischen Nichtglaubenwollen und Belustigung.

Schon faszinierend, was man mit so einem Ball alles nicht können kann.

Für mich war es das schlechteste Spiel einer deutschen Nationalmannschaft seit dem 20. Juni 2000, dem 0:3 gegen Portugals B-Elf bei der EM. Sogar bei der letzten WM in Katar haben wir besser gespielt, und das will was heißen.

Aber nur jammern bringt nichts, Ball nach vorn! Was wir jetzt dringend brauchen, ist eine schonungslose Analyse des zur Verfügung stehenden "Spielermaterials", wie es so schön heißt.

Der Steudel! bei Fever Pit’ch
Für den Newsletter schreibt Alex Steudel erfrischende Kolumnen.

Kevin Trapp: Dass wir im Tor eine super Nummer drei haben, ist schön, aber ungefähr so wichtig wie die zwölfte saubere Unterhose im Schrank. Schade, dass Fußball nicht wie Paninibilder sammeln funktioniert, sonst würde ich Trapp gegen drei top Abwehrspieler eintauschen.
Lösung: ter Stegen ins Tor, Trapp auf die Bank, Neuer vor die Abwehr.  

Antonio Rüdiger: Wirkt bei Ballbesitz, als würde ihm gerade jemand Stromschläge durch den Körper jagen. Wie kann man nur so herumzappeln und gleichzeitig gut spielen? Antwort: gar nicht.
Lösung: Den Typen, der bei Real Madrid spielt, nominieren. Muss ein Cousin von Rüdiger sein.

Mats Hummels: Wenn Julian Nagelsmann vor dem Spiel seine Taktik erklärt, ist er wahrscheinlich derjenige, der ruft: Nicht so schnell! Ein Hummels, der bei Kontern zurückrennt, ist jedenfalls ein Schockerlebnis für jeden Fan. Aber wir wollten ja einen erfahrenen Spieler, damit er die anderen beruhigt. Bekommen haben wir einen fast 35-Jährigen, der mich total beunruhigt.
Lösung: Als Spielersprecher auf die Bank setzen.

Jonathan Tah: Ich dachte wirklich, er sei der Lichtblick der Defensive. Ich wurde hart widerlegt. Gibt hinten aktuell eher den Tischzuweiser.
Lösung: Trotzdem drin lassen.  

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Benjamin Henrichs: Der Verkehrspolizist unter den Nationalspielern – wenn's hart auf hart kommt, winkt er seinen Kollegen die erwünschten Laufwege zu, damit er nachher selbst besser dasteht.
Lösung: Arme zusammenbinden und spielen lassen.  

Kai Havertz: Natürlich kann man einen Offensivspieler, der die Mittellinie nur aus dem Fernsehen kennt, zum Abwehrspieler umfunktionieren. Man kann aber auch Olaf Scholz zum Poetry Slam schicken und hoffen, dass er gewinnt.
Lösung: Vorn oder gar nicht.  

Julian Brandt: Ihm wurde vermutlich einmal zu oft gesagt, wie gut er ist. Ist aber immer nur gut, solange es nicht weh tut. Wenn es wehtut, schaltet er in den bequemen Ewiges-Talent-Modus.
Lösung: Bank. 

Ilkay Gündogan: Die Gerichte gewähren Geständigen mildernde Umstände. Da er nach Blamagen so schön traurig guckt und unumwunden zugibt, dass eigentlich wieder mal gar nichts geklappt hat, weil offenbar keiner so richtig Bock hatte, sollte er weitermachen dürfen.
Lösung: Eines Tages wird er auch im Nationaltrikot ein gutes Spiel machen, ich schwöre!

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Joshua Kimmich: Die anderen wollen nicht und können nicht, er will unbedingt und kann nicht. Immerhin sieht man ihm danach jedes Mal an, wie ihn das alles mitnimmt. Aber man kann einen ja nicht aufstellen, nur weil er immer traurig ist und Gündogan blockiert. Auf der Bank blockiert er wiederum die ganze Stimmung.
Lösung: unlösbar.

Leon Goretzka: Sehen wir es positiv – er spielt mit Gips besser als ohne. Aber wir können ihm ja nicht dauernd die Hand brechen.
Lösung: Edel-Backup.

Pascal Groß: Wenn ich Nationalspieler wäre, würde ich auch nicht alles geben – man sieht ja, was dabei rauskommt. Groß tat das nämlich bei der USA-Tour, und das hat er jetzt davon. Niemand wird je verstehen, warum die perfekte Gündogan-Ergänzung gegen Türkei und Österreich nur die Bank absicherte.
Lösung: Stammplatz.

Florian Wirtz: Unser Supertalent, das immer häufiger liefert. War beim Türkendebakel bester Feldspieler – was unmittelbar zur Nagelsmannsperre gegen die Ösis sorgte. Der Pascal-Groß-Effekt also.
Lösung: Wirtz muss immer spielen!

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Jamal Musiala: Mit Abstand bester Deutscher gegen die Türkei und Österreich.
Lösung: Musiala spielt immer!

Serge Gnabry: Warum kommt jemand, der in der gesamten Saison verletzungsbedingt kein einziges Spiel über 90 Minuten gemacht hat, im Nationalteam zum Einsatz? Antwort: Da muss ich passen.
Lösung: Abwarten.

Leroy Sané: Spielte eine super Saison, dann kamen die Länderspiele, in denen er schon nach zwei schlechten Aktionen aus der Wäsche guckte wie die Koalition an Tag 1 nach Verfassungsgericht. Nur einmal schlug er zu, Scorerpunkt gab's keinen.
Lösung: Deutschlands meistgenervter Außenstürmer muss trotzdem spielen!

Thomas Müller: Irgendwann ist auch gut.
Lösung: Verabschieden und zum Trost gleich in die Hall of Fame aufnehmen.

Niclas Füllkrug: Unsere große Nationalstürmerhoffnung ist schon 30 und Fünfundzwanzigster der aktuellen Bundesliga-Torjägerliste. Fragen? Ich nicht.
Lösung: Lieber irgendeinen aus der U21 nehmen. Zur Not U17.

Marvin Duksch: ...
Lösung: Keine, macht mich nämlich sprachlos.

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