Herr Flick, ich will alles, bloß keinen dreckigen Sieg!
Stimmen werden laut, gegen Japan und Frankreich auf Biegen und Brechen zu gewinnen – ist das der richtige Weg fürs Nationalteam?
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Nachdem Bundestrainer Hansi Flick seine Testphase ja für beendet erklärt hat, beginnt jetzt aus Trotz meine: Ich teste weiter! Und zwar die dahinsiechende Nationalelf. Ich will ab sofort etwas von ihr sehen, das keiner kennt, nämlich nur noch richtigen Fußball und einen ganzen Haufen gewonnener Zweikämpfe; Ergebnisse sind mir komplett egal.
Leider hat der Nationalspieler Robin Gosens bereits vorgebaut und für die Testspiele gegen Japan und Frankreich „dreckige Siege“ gefordert. Dreckige Siege kommen zustande, wenn der Fußball elf Spieler auf einmal überfordert. Dreckige Siege zu fordern, bedeutet nichts weniger als Kapitulation: Wir können nicht kicken, also her mit der Brechstange.
Ich bezweifle, ob unsere Nationalmannschaft per Brechstange mein ganz persönliches Minimalziel für die EM 2024 – knappes Vorrunden-Aus, aber mit super Fußball und erhobenenen Hauptes – erreichen kann.
Ein hart erkämpfter Biegenundbrechensieg ist deshalb so ziemlich das Letzte, was ich am Samstag gegen die Japaner sehen möchte. Ich habe die Schnauze gestrichen voll von Biegen und Brechen, wobei die DFB-Elf in den vergangenen Jahren vor lauter Biegen ohnehin meistens nicht mal richtig zum Brechen gekommen ist.
Lieber Herr Gosens, lieber Hans Flick, gebogen und gebrochen wird im deutschen Fußball seit viel zu vielen Jahren. Biegen und Brechen hat uns dahingeführt, wo wir heute sind: nach ganz unten. Wir sind der HSV unter den Nationalteams: aufstrebend, talentiert, aber Zweitligist.
Nein, ich will jetzt GENAU das Gegenteil sehen. Ich will echten Fußball, der aus Kombinationsspiel und sichtbarem Spielerwillen und lauter Zweikämpfen besteht. Ja, vor allem Zweikämpfe will ich haben, ganz viele davon und alle gewonnen.
Ich will sehen, wie deutsche Nationaltrikotträger immer und immer wieder auf ihre Gegenspieler zulaufen und dann versuchen sie auszuspielen, ich will also das sehen, was Fußball außerhalb deutschen Grenzgebiets ausmacht.
Das heißt im Umkehrschluss: Die Spieler sollen keinesfalls wie bisher zum Gegenspieler hinlaufen und dann abbremsen und schlau durch die Gegend gucken und mit den Armen rudern und wieder zurückrennen oder einen Alibi-Ballbesitzpass zum Wohle der Statistik zum Nebenmann schieben; nein, sie müssen gegen Japan voll rein in die Suppe.
Das Spielergebnis ist mir wie gesagt wurscht. Es ist ja Testphase.
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