Inhaltsverzeichnis
Jeder, der die vergangene Bundesliga-Saison auch nur einen Hauch von bewusst verfolgt hat, muss angesichts der aktuellen Ereignisse zu dem Schluss kommen, dass in Stuttgart ein Ausweisfälscher am Werk ist, der spätestens in der nächsten Ausgabe von Aktenzeichen XY porträtiert wird. Der Mann nennt sich Serhou Guirassy, ist 1,87 Meter groß und wurde zuletzt in mehreren Bundesligastadien gesehen, wo er seit Saisonstart als VfB-Stürmer in vier Spielen acht Mal zugeschlagen hat.
Dieser Mann kann einfach nichts mit dem Serhou Guirassy zu tun haben, den ich kenne, und den der VfB 2022/23 beschäftigte; den habe ich nämlich ganz genau beobachtet und ihm irgendwann aus Verzweiflung den Beinamen Verstolper-Guirassy gegeben, weil er mit wirklich jedem angelieferten Ball alles hinbekam außer: Kontrolle.
Okay, weil ich aber nichts beweisen kann, gehen wir mal davon aus, dass der neue Guirassy identisch mit dem alten ist. Was ist dann in der Sommerpause geschehen? Hat der Guineer bei Hans-Joachim Watzke einen Satz eckiger Bälle bestellt und mit ihnen trainiert? Scheint so.
Ich erinnere mich an die letzten zwei Saisonspiele im Mai. Relegation VfB gegen HSV. Guirassy bekam Dutzende Zuspiele, teilweise sehr gute sogar, verstolperte fast alle und schoss trotzdem ein Tor. Ich dachte: Wenn der seine Ballphobie in den Griff kriegt, können sich die Abwehrspieler nächste Saison warm anziehen.
Vollends überzeugt war ich von dieser Theorie, als ihn unser Rekordnationalexperte Lothar Matthäus als Harry-Kane-Alternative dem FC Bayern anpries.
Im Sommer scheint der 27 Jahre alte Guirassy nun tatsächlich den berühmten Schalter umgelegt zu haben, von dem immer alle reden, was weltweit Internisten zur Verzweiflung treibt, weil sie in einem Fußballer noch nie einen Schalter gefunden haben, aber das ist ein anderes Thema.
Guirassy hat jedenfalls entweder einen Zwillingsknipserbruder, oder er ist aus unbekannten Gründen binnen einer Vollmondphase zum Werwolf unter den Stürmern mutiert. Trainer Sebastian Hoeneß versuchte diese Woche in einer VfB-Pressekonferenz minutenlang zu erklären, was es mit dem neuen Guirassy auf sich hat. Ich habe gut hingehört. Meine Zusammenfassung: Hoeneß weiß es selbst nicht genau.
Dabei ist die Quote des neuen Schwabenpfeils (der alte: Hoeneß-Papa Dieter) einfach sensationell: Sie liegt in dieser Spielzeit bei einem Tor alle 43 Minuten. Jeder seiner acht Schüsse saß. In der vergangenen Saison kam Guirassy stolperbedingt auf einen Treffer alle 150 Minuten, was in etwa der Zustellquote eines durchschnittlichen Amazonboten entspricht.
Natürlich kann niemand wissen, wie lange der neue Guirassy am Werk sein wird, ob bald der alte zurückkommt beziehungsweise wann. Diese bange Frage sollten sich vor allem die Abwehrspieler von Darmstadt 98 stellen, die zurzeit die demontierteste Defensive der Liga haben (13 Gegentore in vier Spielen) und ausgerechnet heute auf den besten Sturm treffen: Der Überraschungsvierte Stuttgart hat dank Guirassy schon 14 Tore erzielt.
Steudel-Kolumnen gibt es auch als Buch! Titel: "Die nächste Kolumne ist immer die wichtigste". 276 Seiten, 14,95 Euro. Wer's sofort will: Hier bestellen! Wer fürs gleiche Geld ein signiertes Exemplar bevorzugt: Mail an post@alexsteudel.de.