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Über den Tod im Fußball

Erst Franz Beckenbauer, dann Hertha-Präsident Kay Bernstein – warum die traurigen Ereignisse der letzten Tage den Autor so mitgenommen haben

Foto: Imago / Oliver Ruhnke

Inhaltsverzeichnis

In den vergangenen Tagen ging es im Fußball relativ wenig um Fußball. Erst starb Franz Beckenbauer. Als ich gestern Pit Gottschalk anrief, um über das Thema dieser Kolumne zu sprechen, redeten wir über die Trauerfeier heute in der Münchner Allianz-Arena, die er besuchen wolle.

Inzwischen war schon der nächste Trauerfall eingetreten, Kay Bernstein ist tot. Der Hertha-Präsident schlief am Dienstag im Alter von nur 43 Jahren ein und wachte nicht mehr auf. Auch das hat viele Menschen sehr, sehr betroffen gemacht, vor allem in der Hauptstadt Berlin, was mich als ehemaligen Berliner, der die Stadt als ziemlich ruppige Veranstaltung kennt, bewegt hat.

Wir neigen dazu, den Fußball als wunderbare, schönste Nebensache der Welt zu sehen, und erschrecken deshalb ganz besonders heftig, wenn jemand stirbt. Das Leben ist doch die Hauptsache, wie kann denn dann in einer Nebensache jemand sterben?, fragen wir uns.

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Der Tod gehört im Fußball nicht dazu, er steht in keinem Regelwerk. Kein VAR der Welt wird einen ins Leben zurückholen, und selbst der Chef des Fußballweltverbandes Gianni Infantino kann sich nicht davon freikaufen.

Ja, unser Leben in der Fußballblase ist vielleicht genau deshalb so schön, weil der Tod darin keinen Platz hat. Als Kind dachte ich nie daran, dass im traumhaften Fußballgeschäft jemand sterben könnte.

Nun lässt sich in keiner Kolumne der Welt ein Schema aus diesen zwei Todesfällen konstruieren, wie man das sonst gerne tut, wenn sich zeitlich und thematisch zusammenpassende Vorfälle ereignen. Auch im Fußball ist der Tod nur Tod und kein Transfer. Das Tröstliche ist, dass niemand weiß, was danach kommt.

Franz Beckenbauer zum Beispiel hat an das Leben nach dem Tod geglaubt, und das ist schön. An das Leben nach dem Tod glauben ist Win-win. Wenn es stimmt, kann man sich freuen, und wenn es nicht stimmt, kriegt man es nicht mit.

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Vielleicht überlegt der Kaiser in diesem Augenblick, wie er eine WM in den Himmel holen könnte. Vielleicht spielt er aber auch gerade jetzt den Ball mit dem Außenrist vor zu Diego Maradona, der ihn anschließend, mit dem Rücken zum gegnerischen Tor stehend, zu Gerd Müller spitzelt, und der Bomber der Nation haut ihn aus der Drehung an Robert Enke vorbei rein.

Danach sitzen sie alle bei Beckenbauers Einstandsbier zusammen, und Franz sagt bei einer Weißwurst: Wenn ich gewusst hätte, wie schön das Leben nach dem Tod ist, hätte ich mir nicht so viele Gedanken über das Sterben gemacht.

Aber so schön ist es nicht, nicht für uns. Wir Zurückgebliebenen leiden. Ich musste in den letzten Tagen oft an den Freitod von Robert Enke denken, dieses fassungslos machende Ereignis. Enke wurde nur 32 Jahre alt.

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Ich fuhr damals an einem Sonntagvormittag nach Hannover, zur Trauerfeier ins Niedersachsenstadion. Es war das schlimmste Fußballereignis meines Lebens. Dabei kannte ich ja Enke nicht mal persönlich. Aber wenn so viele Menschen auf einem Haufen weinen, haut das einen um. Ich kann mir also gut vorstellen, wie sich die Menschen heute in der Allianz-Arena fühlen werden: beschissen.

Als am 15. November 2009 schließlich der Sarg aus dem Stadion getragen wurde, konnte ich nicht mehr an mich halten. Weil ich in der Nähe von Rudi Völler saß und die rechts von mir stehende Kameraassistentin wohl nicht wusste, dass ich nur ein lausiger Sportbildchefredakteur bin, zeigte sie genau in diesem Moment hektisch fuchtelnd auf mich, der Kameramann riss sein Arbeitsgerät rum, und schon war's passiert und ich später in der 20-Uhr-Tagesschau zu sehen; ein kläglich weinender Fußballfan, der nie verstehen wird, dass Fußballer sterblich sind.

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