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Was brauchen Trainer an der Basis?

Worte wie Integration und Identität fallen sehr schnell. Das Problem ist die Umsetzung in der Praxis eines Fußballplatzes

Foto: Adobe / Lucky Ai

Inhaltsverzeichnis

Was brauchen Trainerinnen und Trainer, um gut arbeiten zu können? Das war die Fragestellung eines Workshops, den ich im Rahmen unserer Eventreihe zur Stärkung des Ehrenamts leitete. Die Runde war hochkarätig. Zehn Leute, die es in sich hatten. Vom Fußball-Lehrer bis zum Jungtrainer war alles dabei, nicht zuletzt auch Menschen mit interkultureller Kompetenz, ein immer wichtigeres Prädikat.

In diesem Zusammenhang: Rund ein Drittel der deutschen Jugendlichen kommen aus Familien mit Zuwanderungsgeschichte, bei Kindern ist die Zahl deutlich höher, in einigen Kommunen liegt sie über 50 %. Tendenz steigend, denn es ist nicht damit zu rechnen, dass die Kriegstreiber der Welt kurzfristig ihr mörderisches Geschäft beenden.

Kinder mit Migrationshintergrund
In Deutschland lebten 2019 laut Mikrozensus rund 13,5 Millionen Kinder unter 18 Jahren, davon hatten 5,3 Millionen einen Migrationshintergrund. Die überwiegende Mehrheit der Kinder mit Migrationshintergrund hatte einen deutschen Pass. Nur jedes fünft

Zurück zur Trainerrunde, die sich natürlich erst einmal die übliche Grundversorgung mit Bällen, Leibchen und verlässliche Trainingszeiten erwarteten. Möglichkeiten zur Fortbildung, solidarische Kollegen, unterstützende Vorstände und freundliche Platzwarte waren ebenso auf dem Wunschzettel wie klare und realistische Zielsetzungen der Vereine. Struktur, Ordnung und gegenseitige Unterstützung helfen selbstverständlich auch.

Überraschend deutlich wurde es bei diesen Wünschen:

  • Rückendeckung von der Vereinsspitze
  • Solidarische und respektvolle Vereinsatmosphäre
  • Mehr Achtung durch die Eltern
  • Kontinuität bei Spielern und Ansprechpartnern
  • Eine klare Vereinsidentität

Während man 1 bis 3 eher unter der Kategorie nachvollziehbares Wunschdenken abhandeln kann, was die Punkte nicht unwichtiger macht, lohnt es sich, 4 und 5 näher zu betrachten. Denn die sind nicht so selbstverständlich, wie mancher denken mag.

Gerade in den Ballungsräumen kommen schon mal fast ganze Mannschaften abhanden. Es gibt immer wieder Vereine und Trainer, die völlig rücksichtslos Spieler und Eltern zu Abwerbezwecken ansprechen. Selbst Leute, die etwas auf ihren Titel Fußball-Lehrer halten, treffen sich im Café mit Jugendlichen, um diese mit finanziellen Angeboten zu ihrem Club zu lotsen.
Die Verbände sehen dieser Wegelagerei meist tatenlos zu. Die Menschenhändler – denn um nichts anderes handelt es sich - bleiben unbehelligt. Was andere Leute denken, wenn die sich mit Minderjährigen auf eine Cola treffen, scheint sie nicht zu stören. Dabei ist Kinder- und Jugendschutz ein zunehmendes Thema im Amateurfußball.

dsj.de: Kinder- und Jugendschutz
Die Deutsche Sportjugend im Olympischen Sportbund (dsj) unterstützt Menschen zwischen 16 und 26 Jahren, die sich im Sport freiwillig oder ehrenamtlich engagieren.

Sind die besten Spieler abgeworben, hat der abgebende Verein – so die sehr technische Bezeichnung – ein Problem. Bei kleineren Clubs fällt dann schon mal ein ganzer Jahrgang aus, weil nicht genug Ersatz da ist. Als Mitbewerber in derselben Staffel ist man geschwächt, ein Prinzip, das Bayern München bei den Profis kultivierte. Trainer sind frustriert, hören vielleicht auf, weil man nach jahrelanger Aufbauarbeit plötzlich vor einem Scherbenhaufen steht.

Wir redeten im Workshop auch über die Ausnahmetalente, die Diamanten, wie es ein Teilnehmer nannte. Diese werden die kleineren Vereine eh eines Tages verlassen. Da ist ein möglichst guter Übergang in ein Nachwuchsleistungszentrum wichtig. Auch sollte der Wechsel nicht zu früh erfolgen, aber auch die NLZs sind nicht immer wählerisch in ihren Mitteln. Letzte Woche hörte ich von einem 12-jährigen, der ein Angebot von Juventus Turin hat!

Manchmal ist weniger am Ende mehr!
Sind Nachwuchsleistungszentren (NLZ) bei der Ausbildung von Fußballtalenten förderlich? Eine Analyse von MICHAEL FRANKE.

Helfen kann eine klare Vereinsidentität, doch was ist das eigentlich? Das Gewinnen gehört zum Wesen des Sports – Verlieren übrigens auch. Alle stehen lieber auf der Seite der Sieger als bei den Unterlegenen. Doch als Verein sollte man sich immer wieder die Frage stellen, was man sich zumuten kann und will.
Ein Aufstieg von der Bezirks- in die Landesliga bringt nicht unbedingt eine Vielzahl zusätzlicher Zuschauer, zumal man wahrscheinlich häufiger als Verlierer vom Platz gehen wird. Wohl aber steigen die Kosten, z. B. durch weitere Fahrten, höhere Trainerhonorare oder Siegprämien, sofern man diese zahlt. Die Unparteiischen sind teurer, die Ansprüche steigen.

Das gilt inzwischen auch bei der Jugend, wo vermeintlich bessere Vereine mit üppiger Ausstattung Eindruck schinden. Ob die Betreuung und das Training auch besser sind, sei dahingestellt. Eltern und Jugendliche fallen gern auf äußere Umstände rein – und zahlen dafür oft eine Menge Geld:

❶ für das Trainingslager in der Türkei oder das Turnier in Spanien
❷ für Freundschaftsspiele in anderen Teilen der Republik
❸ als Sponsor, um sich beim neuen Verein lieb Kind zu machen
❹ für meist zu reichliche Spiel- und Trainingskleidung

Kleider machen Leute, das war schon immer so. Nur ist der Kaiser oftmals nackt. Aber wie in Andersens Märchen schweigen alle, reden höchstens hinter vorgehaltener Hand. Aus Angst, der Spross könnte Nachteile erdulden müssen.

Hartnäckig halten sich Gerüchte, dass viele Trainer und Jugendleiter kräftig an den aufgeführten Dingen mitverdienen. So werden die oft großen Rabatte der Sportartikelhändler häufig nicht an die Spielereltern weitergegeben, findet der eine oder andere Euro aus dem Reiseetat undurchsichtige Wege.

Zu den oftmals abenteuerlichen Fernreisen in andere Teile des Landes chauffieren nicht selten übermüdete Väter das längst im Kleinbus eingeschlafene Team nach Hause. Nicht nur einmal wurden am Sonntag um 24 Uhr viele 11-Jährige mit Sporttasche (die am nächsten Morgen zur Schule müssen) am zentralen Bahnhof beobachtet.

Das alles sind Beispiele, die mit guter Vereinsidentität nichts zu tun haben. Ein guter Vorstand und eine gute Jugendleitung überprüfen immer wieder, was die Bedingungen hergeben. Und was man sich moralisch zumuten will. Machen wir uns nichts vor: Die wirklich guten Spieler verlassen den unter- oder mittelklassigen Verein eines Tages. Manche früher, manche später. Wir sollten sie nicht aufhalten!

Wie wir neue Leute angemessen begrüßen sollten, gibt es Sinn, wechselnde Spieler gut zu verabschieden. Denn vielleicht kommen sie eines Tages wieder. Oder ihre Geschwister und Freunde spielen noch im Verein. Und wer freut sich nicht, wenn ein Schützling später mal eine große oder auch kleinere Karriere macht?

Onboarding für Eltern im Jugendfußball - Ins Netz gegangen
Ich möchte ich dir zeigen, wie wichtig ein guter Onboarding-Prozess der Eltern in den Verein und die Mannschaft ist.

Wir hatten beim FC Internationale spätere Jugend-Nationalspieler oder Profis in den Reihen. Es sind nicht allzu viele, aber ihre Karriere ist auch immer eine Bestätigung für gute Jugendarbeit. Ein bisschen Belohnungsgeld vom DFB gab es obendrein, was allerdings nicht bedeutet, dass wir unsere Jugendarbeit darauf aufbauen würden.

Klar, auch wir streben nach Höherem. Platz 4 ist schöner als Platz 10, ein Aufstieg immer ein Fest. Aber es muss auch gesund und machbar sein. Viel wichtiger als das Erreichen einer überregionalen Spielklasse sind doch die Gemeinschaft, das solidarische Gefüge, die Freundschaften, die Kollegialität unter den Trainer, der Austausch der Generationen. Und natürlich der gemeinsame Jubel über Tore und Punkte. Aber im Vordergrund sollte immer der Verein stehen.

Sicher, um das Ehrenamt stand es schon besser. Vereinsfeste waren schon zahlreicher besucht. Und früher gab es oftmals mehr Zuschauer. Wir können die Netflixisierung der Gesellschaft nicht aufhalten, die Zersplitterung der Profispieltage durch die TV-Verträge nicht verhindern: "Money makes the world go round." Wir können aber jeden Tag dafür sorgen, dass die Leute gern zu ihrem Verein kommen, Kinder Spaß haben und sich bewegen, Freundschaften über alle Milieus hinweg entstehen. Manchmal halten sie ein Leben lang. Wir können für eine gute sportliche Ausbildung sorgen, für angenehme Umfelder, vielleicht sogar bei der Ausbildungsplatzsuche helfen.

Das ist Identität, daran werden sich alle zurückerinnern. Die Heldengeschichten bleiben sowieso, inklusive aller Verklärung. Neulich schrieb ich einem Jungen, der lange bei uns im Verein war und wünschte ihm viel Erfolg dabei, den Relegationsplatz in der 2. Bundesliga zu erreichen. Sein Vater hält mich mit Fotos und Zeitungsartikeln über den Jungen auf dem Laufenden. Die Antwort des Spielers auf meine Mail: „Danke, Gerd. Ich komme nach der Saison auf jeden Fall mal bei meinem alten Verein vorbei.“ Da haben wir doch alles richtig gemacht.

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