Aktuelle Videos
VfB Stuttgart: Das Problemle mit Guirassy
Der Stürmer schießt die Tore Nummer 11 bis 13 und befördert Stuttgart in der Bundesliga nach oben. Alle Welt redet über ihn – auf gut Deutsch: Bald ist der 27-Jährige weg
Inhaltsverzeichnis
Ich finde gerade keine Rekordrangliste, in der Serhou Guirassy nicht oben steht. Der Stuttgarter Stürmer hat zum Beispiel die beste Bundesliga-Torquote nach sieben Spielen ever. Gegen ihn wirkt in so einer Tabelle sogar Gerd Müller wie Mister Holzfuß.
Guirassy’s on Fire, da gibt’s überhaupt keinen Zweifel. Der Mann strahlt so viel Power aus, dass sich leere iPhones im Vorbeirennen von selbst aufladen. Sieben Spiele, 13 Saisontore. Am Samstag gelang ihm ein Hattrick gegen Wolfsburg, und der fiel ihm leichter als anderen Mitbürgern Blumengießen bei Regen.
Haaland, Lewandowski, Kane, Cristiano Ronaldo? Sie alle: abgehängt. Neidisch guckt die europäische Stürmerfamilie nach Stuttgart. „Ich dachte, da sind nur meine Autos her?“, schreien die Stars, gedemütigt, ihren Beratern ins Telefon. Falsch. Bald werden sie freiwillig nach Stuttgart kommen; falls Guirassy Rein-Nagel-Nachhilfestunden auf myhammer.de anbietet.
Wobei auch am Guineer nicht alles perfekt ist. Seine große Schwäche: Er bereitet quasi keine Tore vor. Allerdings liegt das in der Natur der Sache, wenn man sie alle selbst schießt.
Was soll’s, denken sie in Stuttgart und starren so ungläubig auf die Tabelle wie die SPD auf Wahlumfragen – beide plötzlich einstellig. Der VfB Stuttgart, Dauergast im Abstiegskampf, steht auf Platz 2. Oder, wie wir in Hamburg sagen: Relegation gegen den VfB wird von Tag zu Tag unwahrscheinlicher.
Nach sieben Begegnungen haben die Schwaben tatsächlich mehr Punkte (18) auf dem Konto als in der kompletten Hinrunde der vergangenen Saison (16). Dank Guirassy natürlich. Ohne ihn würden VfB-Scouts in dieser Saisonphase schon wieder anfangen, den HSV zu beobachten.
Wie wir alle wissen, ist dieser Segen aber auch ein Fluch. Nicht mehr lange, und die üblichen Transfergerüchte verdrehen dem armen Guirassy den Kopf. Alle werden sie ihn holen wollen – er ist dann Frühstücksthema bei Scheichs, Bestandteil von Regierungserklärungen in Saudi-Arabien.
Alles werden sie ihm bieten: 50 Mio im Jahr, goldene Umkleidetürbeschläge, Rosenblätter im Kloschüsselwasser, einen Kamelhaardackel.
Mailand oder Madrid? Hauptsache Millionen!
Der VfB Stuttgart steckt damit in der Stürmerfalle. Aber man kann es halt nie richtig machen. Trifft dein Stürmer nicht, hast du ein Problem; trifft er wie Sau, hast du ein noch größeres.
Per Unterschrift hat sich der 27-Jährige zwar den Stuttgartern bis 2026 versprochen, doch im Fußball ist es anders, als wir es unseren Kindern eintrichtern. Versprochen ist versprochen und wird deshalb schnell gebrochen.
Im Angesicht des schwäbischen Torwunders wird also auch in Stuttgart ein Vertrag schnell zum Verträgle, so läuft das Geschäft. Jämmerliche neun Millionen Euro hat Guirassy den VfB gekostet. Sein Marktwert liegt laut transfermarkt.de bei 14 Millionen Euro, was nur eines bedeuten kann: Sie haben dort IT-Probleme.
Tatsächlich ist Guirassy gerade eine Null hintendran mehr wert. Und er weiß es. Bald wird er also einen Wechsel nicht mehr ganz ausschließen, vielleicht einfach mal nicht zum Training kommen, dann komische Sachen sagen, bei erstem Gegenwind vorsichtshalber das Wappen küssen, und schließlich als fremdgesteuert bezeichnet werden.
In der Hoeneßfamilie graben sie demnächst das Kriegsbeil aus, weil der Uli den Spieler von Sebastian, dem Neffen, wegholen will. Und irgendwo in einem Weltklub übt gerade schon der Zeugwart das Beflocken eines Guirassy-Trikots. So ist Fußball.
Aber babbeln und hamannen wir nicht, genießen wir lieber den Moment und diese schönen, vielen Tore. Wechseln kann der Mann ja ohnehin frühestens im Winter, noch ist Guirassys Zukunft nur ein Problemle. Und bis Januar ist der VfB Stuttgart, wenn es weitergeht wie bisher, nicht mehr einholbarer Meister und Guirassy Torschützenkönig.
13 Tore in sieben Spielen ergeben nämlich hochgerechnet 35 Treffer, bis Ende Januar 2024 das Transferfenster schließt.
Steudel-Kolumnen gibt es auch als Buch! Titel: „Die nächste Kolumne ist immer die wichtigste“. 276 Seiten, 14,95 Euro. Wer’s sofort will: Hier bestellen! Wer fürs gleiche Geld ein signiertes Exemplar bevorzugt: Mail an post@alexsteudel.de.