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Bayern-Krise, Teil 13: Warum zerlegt sich Tuchel selbst?

Nach dem 0:3 gegen RB Leipzig weiß man nicht so genau, um wen man sich mehr Sorgen machen muss: um den schwachen Rekordmeister oder seinen lamentierenden Trainer

Foto: Imago / Laci Perenyi

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Rumgejammer ist 'ne Zier, doch weiter kommt man ohne ihr.
(Franz Grillparzer, freie Auslegung)

94,4 Prozent aller Bundesligatrainer werden nach einem Interview, wie es Thomas Tuchel am Samstag in der ehemaligen Dominanz-Arena gegeben hat, sofort verabschiedet. Mit oder ohne Blumenstrauß. In Nagelsmann-Tempo, notfalls sogar per WhatsApp.

Alles tut ihm leid, keiner seiner Spieler versteht ihn, jeder in seinem Team macht, was er will, keine Fortschritte erkennbar, und er liebt sie trotzdem alle - so ungefähr äußerte sich Tuchel nach dem 0:3 gegen den FC Olmo Leipzig.

Jeder Zuschauer dachte in diesem Moment: Das ist der Stoff, aus dem die Ex-Trainer sind.

Wenn man es positiv ausdrücken will, dann so: Tuchel ist authentisch. Er hat im März in München angefangen und seither selten wie ein Bayern-Angestellter geklungen – eher wie ein externer Personalberater, der auf gepackten Koffern sitzt und weiß, dass er sowieso bald weg ist.

Was treibt Thomas Tuchel?

Er hält jedenfalls eindeutig nichts von Diplomatie (frag' nach in Dortmund). Er verstellt sich nicht, immer geht es ihm um die (also seine) Wahrheit, und er hat nur ein Vertrauen schaffendes Argument: seinen Champions-League-Sieg mit Chelsea.

Aber reicht das für Bayern?

Illustration: Jens Uwe Meyer / bergfest.at

Wie Tuchel auftritt, das kann man als Trainer einmal pro Saison machen, aber doch bitte nicht dauernd, also jetzt im 13. Spiel. Und schon gar nicht, wenn man für den großen FC Bayern mit dem eindrucksvollen "Mia san mia" als Markenkern spricht.

FC Bayern, das war schon immer: Eier. Und wenn sie mal fehlten, fand sich schnell einer, der sie einforderte.

Tuchel fordert nicht, er schreit während der Spiele am Spielfeldrand, und hinterher sagt er mit ganz bravem Blick: alles Mist, alles falsch, wir müssen, wir sollten, sorry! Er scheint Verständnis zu haben für Desaster auf dem Platz, Verständnis für keine Abwehr, Tuchel symbolisiert "Mia san machtlos". Er passt zu Bayern wie ein Dieselmotor zu Tesla.

Man kann sich halt nicht dauernd über etwas beklagen, für das man selber verantwortlich ist.

Dabei finde ich ihn tatsächlich toll, auch wenn das widersprüchlich klingt. Ich habe ihn einmal kennengelernt, zwar lange her, aber intensiv, und ich kann mit Gewissheit sagen: Er ist genau so, wie er spricht. Gnadenlos offen. Die Wahrheit muss aus ihm raus wie bei mir der fünfte Schnaps nach dem sechsten Bier. Deswegen tu ich mich gerade schwer.

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Ich frage mich: Hat er einen großen Plan, den keiner versteht? Und wenn ja: Wie sieht er aus? Wann wird er enthüllt? Wir rätseln alle nur.

Bisher führt Tuchels Plan ins starke Mittelmaß. Bayern spielt unter ihm miserablen Fußball, oder einigermaßen positiv ausgedrückt: Vizemeisterniveau. Tuchel hat den schlechtesten Punkteschnitt eines Bayern-Trainers seit Sören Lerby 1991/92.

Und vergessen wir mal nicht: Die Meisterschaft gewann der FC Bayern im Mai trotz, nicht wegen Tuchel, Tuchel gewann sie auf den Schultern von Julian Nagelsmann und Jamal Musiala.

Nach dem 3:0 im Supercup-Finale ist RB Leipzig jedenfalls für mich jetzt Titelfavorit.

Kane Spaß, wie der Sachse sagt.

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