Stadionsicherheit: Neue Bedrohung der Fankultur
Die Diskussion um drastische Sicherheitsmaßnahmen in Stadien sorgt für Unmut.

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Wenn Politiker und Funktionäre heute und morgen in Heidelberg über die Zukunft der deutschen Stadien beraten, entscheiden sie über mehr als nur Sicherheitskonzepte. Sie entscheiden darüber, ob Fußball in Deutschland weiterhin ein Volkssport bleibt oder zu einem Unterhaltungsprodukt verkommt. Die Warnung der Fanhilfen vor dem Sargnagel für die Fankultur ist keine Hysterie, sondern eine berechtigte Sorge angesichts der geplanten Maßnahmen.
Gesichtsscanner, personalisierte Tickets, zentrale Stadionverbotsvergabe – das Maß der Überwachung wächst stetig. Dabei ignorieren die Verantwortlichen hartnäckig die eigenen Statistiken: 1.338 Verletzte bei 28,65 Millionen Stadionbesuchern in der Saison 2023/24. Das entspricht einer Quote von 0,0047 Prozent. Zum Vergleich: Auf dem Oktoberfest 2022 wurden bei 5,7 Millionen Besuchern 244 Körperverletzungen registriert – eine ähnliche Rate, aber ohne Rufe nach Gesichtserkennung am Bierzelt.
Totale Überwachung tötet Atmosphäre
Die Fans sehen in Maßnahmen wie Gesichtsscannern zu Recht eine Bedrohung der Fankultur. Wer jeden Stadionbesucher wie einen potenziellen Straftäter behandelt, zerstört das Vertrauensverhältnis zwischen Vereinen und Anhängern. Die Kurven leben von Spontaneität, Emotionen und ja, auch von einer gewissen Anonymität in der Masse. Totale Überwachung tötet diese Atmosphäre.
Besonders irritierend ist die fehlende Transparenz der Entscheidungsträger. Seit dem Sicherheitsgipfel im Oktober 2024 in München fehlen stichhaltige Argumente für die drastischen Eingriffe. Stattdessen werden Bedrohungsszenarien konstruiert, die der Realität nicht standhalten. Es fehlt an stichhaltigen Argumenten und Transparenz seitens der Verantwortlichen – ein Armutszeugnis für eine Demokratie, die sich gerne als dialogorientiert präsentiert.
Nicht über Fans hinweg entscheiden!
Die Fanhilfen fordern deshalb eine faktenbasierte Debatte unter Einbeziehung der Fans. Wer über die Köpfe der Betroffenen hinweg entscheidet, provoziert Widerstand und Eskalation. Die Geschichte des deutschen Fußballs zeigt: Dialog funktioniert, Repression scheitert. Die Verantwortlichen in Heidelberg täten gut daran, diese Lektion zu beherzigen.
Der deutsche Fußball steht an einem Scheideweg. Entweder wir akzeptieren, dass zu einem lebendigen Stadionerlebnis auch Risiken gehören – minimale Risiken, wie die Zahlen belegen. Oder wir schaffen sterile Hochsicherheitszonen, in denen zwar niemand mehr verletzt wird, aber auch niemand mehr hingehen will. Die Entscheidung in Heidelberg wird zeigen, ob Politik und Verbände den Mut haben, der Realität ins Auge zu sehen. Oder ob sie lieber populistischen Reflexen folgen.