Öl ins Feuer
Englische Teams nehmen viel ein. Zuallererst von den TV-Geldern. Der Tabellenletzte macht mehr als der FC Bayern. Das kann uns gefallen oder nicht - aber es ist Fakt
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Irgendwie wird er mir fehlen – der eine sichere Anruf, der mich jährlich erreicht. Immer dann, wenn ein englisches Team gegen RB Leipzig im Europapokal spielt, möchte mindestens eine Kollegen oder ein Kollege wissen: Was habt ihr Deutschen für ein Problem mit RB? Ist der Verein wirklich so verhasst? In England ist es schließlich normal, dass einzelne Personen oder Firmen Vereine bezuschussen und mehr. Das Spektrum ist groß. Sponsoren, Investoren, Fonds, Mäzene, Eitle…
Ich gebe es direkt zu. Ich mache gerade, worüber ich mich gleich einen ganzen Text lang aufregen werde: Ich werfe alles einfach willenlos in einen Topf.
Denn: In diesem Transfersommer war es mal wieder so weit. Die Premier League ist dem Klischee wunderbar nachgekommen. Das ausgabefreudigste Fenster der Geschichte – inklusive britischer Einzel-als auch Teamablöserekorde. Umgerechnet 3,59 Milliarden Euro an Ablösesummen sind quer durch die Welt geflossen. Liverpool alleine hat 483 Millionen ausgegeben. Davon runde 150 alleine für Alexander Isak von Newcastle United. Der Verein muss gleich noch herhalten.
Allerlei Aufregung überall. Die Scheichs, die Scheichs. Die bösen Investoren. Die Liga, die die Bundesliga kaputt kauft. So in etwa ging das von mir wahrgenommen Narrativ des Transfersommers. Das Problem ist nur: Da werden zu viele Dinge einfach willenlos in einen Topf geworfen. Und das gekochte Süppchen schmeckt nicht einmal mit viel, viel Maggi nach Wahrheit.
Englische Big Spender
Bei uns zuhause wird gerade Checker Tobi auf heavy rotation gepumpt. Eltern werden das kennen. Wie Tobi Krell in der Checkerbude will ich jetzt der Reihe nach Punkt für Punkt durchgehen. England, die zerkaufte Bundesliga und die Öl-Milliarden. Das check´ ich für euch. Entschuldigung: für Sie!
Checker-Frage eins: Gibt die Premier League mehr aus als andere?
Ja, es stimmt. Die Premier League hat in diesem Sommer viel Geld ausgegeben. Check. Auch das meiste Geld. Wie auch in den vorherigen Fenster. Check.
Aber. Die vorherigen drei – vielleicht sogar 4 – Fenster waren ziemlich unspektakulär. Die neuen, selbtsverordneten Nachhaltigkeitsregeln PSR – kurz: es darf nur ausgegeben werden, was auch reinkommt – haben dafür gesorgt, dass Teams übervorsichtig wurden, einen Geschäftszeitraum abschlossen und jetzt eben wieder beginnen, die Einnahmen auszugeben.
Und da genau liegt der Denkfehler. Englische Teams nehmen viel ein. Zuallererst von den TV-Geldern. Der Tabellenletzte macht mehr als der FC Bayern. Das kann uns gefallen oder nicht – aber es ist Fakt. Und das liegt daran, dass sich schlicht mehr Menschen weltweit für doe Liga interessieren. Und, dass im Land – und auf der Insel – mehr Menschen bereit sind, für die Liga zu zahlen. Für Fernsehen bezahlen? Normal in England. Und auch notwendig…
Schon in den 1970er Jahren war Liverpool in Singapur um Aufmerksamkeit und Geld einzusammeln. Das internationale Interesse ist also ganz langsam gewachsen. Märkte erschließen, Marketing-Ochsentouren Sommer für Sommer. Ge-Checkt.
PIF oder PSR?
Checker-Frage zwei: Woher kommt das Geld?
Uli Hoeneß spielt Monopoly im „Sport1 Doppelpass“, rückt vor bis zu Schlossallee, „dann kommt irgendein Scheich“. Er spielt auf den Transfer Woltemades zu Newcastle United an. Der FC Bayern hatte einen Sommer lang unbeholfener am Stürmer gebaggert, als ich mit 14 bei meiner ersten Flamme. Am Ende ging er zu: Newcastle. Die sind mehrheitlich in der Hand des PIF aus Saudi-Arabien. Einem Staatsfond zu Eigenpräsentationszwecken.
In den Fenstern vor Woltmade & Co waren die übrigens äußerst defensiv. So defensiv, dass Fans auf die schwarz-weißen Barrikaden wollten und sportliche Ziele fast verfehlt wurden. Hintergrund: Newcastle nimmt zu wenig Geld ein. Seit Jahren ein riesen Problem und Handicap nach den PSR-Regeln. Da helfen auch die potenziell tiefsten Taschen des Sports nicht.
Krux an der Sache nur: Die Magpies sind bayern-like öffentlichkeitswirksam bei vielen Transfers ausgestochen worden. Ekitike, Joao Pedro, Delap um nur etwa die Hälfte zu nenne. Und: Newcastle hat zuvor 150 Millionen – Sie erinnern sich – für Isak bekommen. Haben sie am Ende zu viel bezahlt für Spieler? Ja, wahrscheinlich. Für Woltemade, wahrscheinlich aber noch mehr für Wissa von Brentford. Aber: Immer noch alles querfinanziert mit den Einnahmen für Isak. Wenn „die Scheichs“ also alles beherrschen: Warum wurde der Schwede dann nicht gehalten? Das war der klare Wunsch der sportlichen Führung. By the way: Der Rekordtransfer des Sommers wurde übrigens von amerikanischen Investoren bezahlt. Ge-chekt.
America First
Das führt direkt zu Checker-Frage drei: Sind es wirklich die Scheichs?
Klares Nein. Wenn „Scheichs“ stellvertretend für irgendwelche Investoren stehen soll. Ok. Aber de facto ist das mit den Scheichs falsch. Rund die Hälfte – bei ein paar Vereinen ist es kompliziert – sind in der Hand von US-amerikanischen Konsortien. Und die sind meist für Profit unterwegs. Also für das Gegenteil. Oft sehr zum Leidwesen der Anhängend, übrigens. Ge-checkt.
Der sehr geschätzte und in meinem Haushalt zuweilen sehr verehehrte Checker Tobi Krell kommt dann immer noch mit einem Rätsel ums Eck. Heißgeliebt von meiner Tochter. Heutiges Rätsel: Wer profitiert denn am meisten von den hohen Ablösen?
Die Antwort ohne langen Trommelwirbel: Die Bundesliga! Damit kommen gleich zwei Subplots die mich nerven, weil sie plump und falsch sind. Die Investoren die fertige Spieler „weg“kaufen. Aber warum hat England dann – mehr denn je – vielversprechende Teenies bei den Topteams? Nwaneri, Lewis-Skelly bei Arsenal. O´Reilly bei ManCity. Ngumoha bei Liverpool (Die Liste hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit) Ja, Engländer kaufen auch junge Talente für viel Geld – step forward Brighton & Hove Albion.
Aber: Die finanziell meist profitierende und hierzulande als Ausbildungsliga verschrieene Bundesliga hat doch das Geld aus England / von den Scheichs bekommen. Warum holen die denn nicht einfach die jungen Talente? Damit ich meinen eigenen geforderten Ansprüchen auch gerecht werde: Ja, die Konkurrenz aus England macht es komplizierter. Hier und da. Am Beispiel Leverkusen zeigt sich, wie man die Situation für sich nutzen kann. Verkäufe – auch teils ungeplant – von Havertz, Wirtz und Hincapie finanzieren die Millionen-Renditen von morgen. Die konnten bei Maza, Quansah, Ben Seghir, Tillmann sehr wohl englische Konkurrenz ausschalten. Weil das Team um Rolfes und Falkenberg gute Arbeit im Scouting, als auch Verpflichten machen.
Warum kriegt der Rest das nicht hin?
Sie können es sich nach Lektüre meiner Ausführungen einfach machen und sagen: Klar, muss er das sagen, wo er doch Kommentator und Podcaster für die Premier League ist. Ich bin kein Apoleget Englands und schon gar nicht „der Scheichs“. Wenn die Kollegen aus England mich jährlich nach dem RB-Konstrukt fragten, war ich auch keiner des Energiedrink-Herstellers.
Ich bin fußballerisch in England sozialisiert und habe daher ein neutrales Verhältnis zum Kapitalismus in diesem Sport und vielleicht weniger romantische Ader als manche in Deutschland. Genau das beneiden die Anrufer übrigens sehr an der Bundesliga: Die Enge und Verbundenheit, die Romantik. Arbeite ich gerne uns stolz heraus.
Dann bin ich auch Journalist und blicke distanziert auf das Geschehen und aus Berufsidealismus heraus, strengen mich populistische Generalhalbwahrheiten an. Ich versuche der Wahrheit immer so nahe wie möglich zu kommen.
Und: Ich bin Deutscher. Daher rufen mich die Kollegen aus England ja an, vor den erst einmal nicht mehr stattfindenden RB-Duellen. Und Deutsche – das wissen auch die Engländer- nehmen es nun mal viel zu genau.