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Meine Startelf für die Zukunft von Vereinen und Verbänden

Unser Autor Gerd Thomas hat elf Ratschläge und Erkenntnisse, wie man den Amateurfußball auf Vordermann bringen könnte

|8. Juli 2025|
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Inter demonstriert für mehr Sportstätten

Foto: Gerd Thomas

Inhaltsverzeichnis

In der letzten Woche erschien ein Text mit der Überschrift „Wenn Ehrentribünenkarten wichtiger sind als das Kinderturnier“, veröffentlicht als Hartplatzhelden-Kolumne auf dem Amateurfußball-Portal fupa. Anscheinend traf die Kolumne den Nerv der Leserschaft – noch nie erzielte ein Artikel von mir so hohe Zugriffszahlen. 

Oft sind es prägnante Überschriften, die für Reichweite sorgen, auch im Bereich des Amateurfußballs. In diesem Fall trug zudem ein außergewöhnliches Foto mit besonderer Aussagekraft dazu bei. Doch vor allem zeigt die Resonanz, wie groß der Diskussionsbedarf rund um die Vertretung des Amateurfußballs durch Verbandsfunktionäre ist. Viele Funktionäre – ebenso wie viele Hauptamtliche – schätze ich sehr, das möchte ich ausdrücklich betonen. Dennoch höre ich immer häufiger von Vereinsvorständen, dass sie sich von den Sportverbänden nicht ausreichend vertreten fühlen.

Bei einer Podiumsdiskussion zum Thema „Platz für alle! Die soziale Kraft des Sports.“ habe ich an meinen Artikel angeknüpft. Eingeladen hatten die Scoring Girls rund um die unermüdliche Tugba Tekkal, die sich stets für Menschen engagiert, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen – ein Antrieb, den ich mit ihr teile.

Tugba kandidiert nun sogar für das Präsidium ihres 1. FC Köln, ich wünsche ihr maximalen Erfolg dafür. Sie bringt vieles mit, was anderen fehlt: Sie ist jung, hat einen Zuwanderungshintergrund, ist in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen aktiv, ist eine Frau mit hohem gesellschaftlichen Engagement  – aber vor allem ist sie kompetent. Schließlich war sie selbst Profifußballerin.

In der Diskussion habe ich insbesondere die vielen anwesenden jungen Menschen ermutigt, sich nicht die Butter vom Brot nehmen zu lassen. Noch nie gab es so viele Menschen mit hoher Fachkompetenz im Sport: Sie spielen selbst, studieren Sportwissenschaft oder -Management und wissen um die enorme Kraft des Sports. Sie bringen Kreativität, Innovationsgeist und Begeisterung mit. Das intellektuelle Niveau und die Vielfalt im Sport sind heute so groß wie nie zuvor. Genau das muss sich endlich auch in den Verbänden widerspiegeln – sonst riskieren wir, viele engagierte Menschen unnötig zu verlieren. 

Elf Ratschläge und Erkenntnisse habe ich zusammengefasst. Die Aufstellung bildet zwar nicht alle Facetten ab, doch jede Position ist für den Sportverein und den Verband der Zukunft von zentraler Bedeutung. Warum das so ist, möchte ich gerne erläutern:

1. Nichts ist unpolitisch, auch nicht der Sport.

Sportvereine sind Teil der Gesellschaft und können gesellschaftliche Entwicklungen mitgestalten. Sie bieten eine Plattform, um Werte wie Fairness, Respekt und Gleichberechtigung zu vermitteln. Indem sie sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sind, können sie aktiv zu einer offenen, demokratischen und solidarischen Gesellschaft beitragen.

2. Wir dürfen uns nicht länger hinters Licht führen lassen, erst recht nicht von der Politik.

Sportvereine müssen ihre Interessen selbstbewusst vertreten und dürfen sich nicht mit leeren Versprechungen abspeisen lassen. Nur so können sie notwendige Ressourcen, Anerkennung und Unterstützung erhalten, die für ihre Mitglieder und die Weiterentwicklung unerlässlich sind.

3. Grobe Missstände müssen uns immer aufregen, die Leisetreterei ist gescheitert.

Kritikfähigkeit und die Bereitschaft, auf Probleme aufmerksam zu machen, sind essenziell für Veränderung. Nur wenn die massiven Missstände offen benannt und thematisiert werden, können Verbesserungen erreicht und der Verein sowie dessen Bedingungen weiterentwickelt werden. Die größten Defizite und Fehlleistungen gehören ans Licht der Öffentlichkeit. Die Hinterzimmergespräche ohne die Partizipation der Vereine haben für den Breitensport nahezu nichts erreicht. Im Gegenteil: Die Probleme wachsen und wachsen, der Amateurfußball muss endlich kampagnenfähig werden.

4. Wir müssen engagiert, ambitioniert und solidarisch sein.

Engagement und Solidarität sind das Fundament eines lebendigen Vereinslebens. Sie fördern den Zusammenhalt, motivieren zu gemeinsamen Zielen und stärken das Gemeinschaftsgefühl. Nur so kann man die Herausforderungen der Zukunft gemeinsam meistern.

5. Haltung und Werte helfen und stärken uns. 

Klare Werte und eine starke Haltung geben Orientierung, schaffen Vertrauen und machen den Verein attraktiv für Mitglieder und Partner. Sie helfen, auch in schwierigen Situationen standhaft zu bleiben und gemeinsam Lösungen zu finden. Sie stärken zudem den Zusammenhalt im Verein.

6. Wir müssen Bündnispartner finden, mit denen wir Allianzen schließen können.

Kooperationen mit anderen Vereinen, Unternehmen, Organisationen oder Institutionen eröffnen neue Möglichkeiten, Ressourcen und Ideen. Gemeinsam lassen sich größere Ziele erreichen, Herausforderungen besser bewältigen und der gesellschaftliche Einfluss stärken. Nicht zuletzt müssen Unternehmen motiviert werden, den Sportverein vor Ort zu unterstützen. Hierfür müssen wir ihnen Win-Win-Modelle aufzeigen, z. B. die Gewinnung von Fachkräften über den Sport. 

7. Wer sich in ein Amt wählen lässt, muss entsprechend handeln.

Verantwortung und Verlässlichkeit sind die Basis für Vertrauen und Glaubwürdigkeit. Wer ein Amt übernimmt, muss seine Aufgaben ernst nehmen und im Sinne der Vereine handeln. Nur so lassen sich Erfolg und Integrität der Organisation schaffen. 

8. Vielfalt hilft, die Zukunft besser zu bewältigen.

Vielfalt an Menschen, Meinungen und Erfahrungen bereichert jeden Verein und Verband, macht sie kreativer, anpassungs- und widerstandsfähiger. Diversität hilft, innovative Lösungen zu finden und die Herausforderungen der real existierenden Gesellschaft besser zu meistern.

9. Nachhaltiges Handeln ist überlebensnotwendig, nicht zuletzt für das Ehrenamt.

 Nachhaltigkeit im Sportverein bedeutet weit mehr als Umweltschutz. Es geht um die langfristige Sicherung der Vereinsstrukturen, die Förderung des Ehrenamts und das soziale Engagement für die Gemeinschaft. Nur Vereine, die nachhaltig denken und handeln, können dauerhaft bestehen, Nachwuchs gewinnen und gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Die Entwicklung des Ehrenamts sichert die Zukunftsfähigkeit, weil engagierte Menschen das Rückgrat jedes Vereins sind. Soziales und lokales Engagement stärkt zudem die Bindung zur Region und das positive Image des Vereins.

10. Die Jugend ist unsere Zukunft, das dürfen wir nie vergessen.

Die Förderung der Jugend ist essenziell, damit der Verein auch morgen noch existiert. Junge Menschen bringen neue Ideen, Energie und Perspektiven ein. Sie sichern die Weiterentwicklung des Vereins und sorgen dafür, dass Traditionen lebendig bleiben und gleichzeitig Innovationen möglich sind. Wer die Jugend fördert, investiert direkt in die Zukunftsfähigkeit und Attraktivität des Vereins – und sorgt dafür, dass Sport und Gemeinschaft auch in kommenden Generationen eine zentrale Rolle spielen. Junge Menschen helfen auch in den Vereinsgremien. 

11. Im Mittelpunkt müssen immer das Spiel und der Spaß stehen!

Stehen anstelle von Druck und übertriebenem Ehrgeiz das Spiel und der Spaß im Mittelpunkt, bleiben Mitglieder motiviert, engagiert und kommen gerne wieder. Gerade in diesen Zeiten ist es entscheidend, dass Sportvereine ein positives, lebendiges und einladendes Umfeld schaffen. Spiel und Spaß fördern nicht nur die körperliche und mentale Gesundheit, sondern auch den sozialen Zusammenhalt, die Kreativität und das Wohlbefinden aller Beteiligten – von Kindern bis zu den Senioren. Sportvereine sind mehr als reine Leistungszentren: Sie sind Orte der Begegnung, der Gemeinschaft und der persönlichen Zufriedenheit.

Fazit

Alle diese Punkte sind für den „Sportverein der Zukunft“ genauso wichtig wie für Verbände. Weil sie die Grundlage für eine starke, handlungsfähige und zukunftsorientierte Gemeinschaft bilden. Sie fördern Offenheit, Engagement, Verantwortung und Zusammenhalt – alles Eigenschaften, die der organisierte Sport braucht, um auch in einer sich wandelnden Welt erfolgreich zu sein. Sie schaffen eine positive Atmosphäre und der Jugend Halt, Orientierung und Freundschaften fürs Leben.

Frage zum Schluss: Wie weit sind wir von den elf Punkten entfernt, bzw. wie dicht sind wir an der Umsetzung?