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Die Herausforderungen an die Vereine steigen. Digitalisierung, Ehrenamtskrise, fehlende Sportstätten in der Stadt, fehlende Kinder auf dem Land, jede Menge Vorschriften und Formulare für Verbände oder Kommunen – die Liste ließe sich fortsetzen.
Gleichzeitig steigt die Anspruchshaltung an die Klubs. Viele Aktive und Eltern möchten nur das Beste. Die Ausstattung muss top sein, die Trainer gut ausgebildet, die Sportanlage sauber und am besten zeitlich flexibel nutzbar. Kein Wunder, dass mehr und mehr Funktionäre hinwerfen.
Zwar kosten Urlaub, Auto, Handy, Schuhe, Porto oder Fahrkarten immer mehr Geld, doch beim Fußball sollen die Beiträge auf niedrigstem Niveau bleiben. Das ist nicht realistisch! Und das ist für die verbliebenen Ehrenamtlichen auch nicht gesund. Die Zeiten haben sich grundlegend geändert. Nur haben viele Vereine nicht die entsprechenden Entwicklungen eingeleitet.
Eine Formel besagt: Auf 500 Mitglieder braucht es einen Hauptamtlichen, bei mehr als 1.000 mindestens zwei. Das ist realistisch, denn wer ist heute noch bereit, die Mitgliederverwaltung eines großen Vereins gratis zu machen? Mindestens fünf bis zehn Euro pro Jahr dürften als reiner Personalaufwand pro Mitglied anfallen. Dazu kommt Aufwand für das Pass- und Meldewesen, den Spielbetrieb, Verbandsgebühren u.v.m.
Wer soll bei einem Verein mit mehr als 20 Jugendteams die vielen Trainer unentgeltlich koordinieren? Die zuständigen Vorstände oder Jugendleitungen haben Personalverantwortung, das wird kaum thematisiert. Zumal es in der Regel nicht nur einen Coach pro Team gibt. Es muss vieles besprochen, Strategien müssen erarbeitet werden. Manchmal gibt es auch Meinungsverschiedenheiten. Wie im Unternehmen, nur mit weniger Durchgriffsrecht als dort. Vorstände großer und mittlerer Vereine gleichen heutzutage Managern in der Wirtschaft. Die sogenannten BGB-Vorstände stehen zudem in der Haftung.
Doch kein Grund, den Sand in den Kopf zu stecken (Lothar Matthäus). Es gibt Auswege, wie man den steigenden Anforderungen begegnen kann – nämlich mit gutem hauptamtlichem Personal. Das muss allerdings bezahlt werden. Hierfür gibt es zwei Möglichkeiten.
Entweder finden sich Gönner, also vermögende Spender oder Unternehmen. Oder das Geld muss aus der Mitgliedschaft kommen, sprich: über die Vereinsbeiträge. Diese zu erhöhen ist eine unpopuläre Maßnahme, vor der viele Vereinsverantwortliche zurückschrecken. Warum eigentlich?
Nehmen wir an, ein Verein nimmt 20 Euro Beitrag im Monat, also 240 pro Jahr.
Im Vergleich dazu hier in etwa die Jahreskosten für ausgesuchte Positionen:
- Unterhalt Mittelklassewagen pro Jahr 4.800 Euro
- Schlagzeugunterricht 50 x 30 Minuten 2.750 Euro
- Eine Kugel Eis pro Tag 730 Euro
- Kinobesuch einmal pro Woche 600 Euro
- Smartphone Mittelklasse 500 Euro
- 1 Woche Mallorca all-inclusive 450 Euro
- Günstige Sitzplatzkarte 1. Liga 17 Spiele 381 Euro
Werden hier Äpfel mit Birnen verglichen? Nein, alles sind Beispiele, die man im Umfeld eines Fußballvereins findet. Es geht um Prioritäten. Wie viel ist uns der Amateurverein des Herzens wert? Eine Gemeinschaft, in dem viele Menschen drei oder vier Tage der Woche zubringen.
Bleibt die soziale Ausgewogenheit, mehr als jedes fünfte Kind ist mittlerweile von Armut betroffen! Ein Verein sollte den Anspruch haben, auch Menschen aus wirtschaftlich benachteiligten Haushalten die Möglichkeit zur Mitgliedschaft zu geben. Hier braucht es Solidar-Modelle, bei denen starke Schultern mehr tragen als nicht so belastbare. Hilfreich sind auch Bildungs- und Teilhabe-Pakete, die ausgeschöpft werden sollten.
Im Einzelfall kann auch der Beitrag reduziert werden. Denkbar wäre z. B. einen halben Beitragssatz zu nehmen, den Rest durch Spenden aus einem Sozialfonds aufzustocken. Der Fußball rühmt sich gern als Ort des Zusammenhalts, da darf er hin und wieder ruhig zeigen, wie viel Solidarität in den Vereinen vorhanden ist.
Was nicht solidarisch ist: Wenige Ehrenamtliche viel erledigen zu lassen und gleichzeitig noch Verbesserungen zu fordern. Irgendwann gehen die Leute dann, oft steht der Verein dann vor einem ernsthaften Problem. Keiner ist unersetzbar. Und dennoch sollten sich die Mitglieder gut überlegen, wer ihren Verein wie führen soll, und was sie den Menschen abfordern können.
Auf einer Mitgliederversammlung eines Vereins hieß es plötzlich: „Wir können doch alle eine Stunde ehrenamtlich einbringen, dann müssen wir die Beiträge nicht erhöhen!“ Abgesehen vom naiven Glauben, das würde funktionieren, bliebe die Frage: Wer koordiniert die Wilde Horde? Das Hauptamt ersetzt nicht jedes Ehrenamt, aber es hilft Vereinen, sich gut aufzustellen und weiterzuentwickeln. Es schafft verlässliche Strukturen.
Und tatsächlich kenne ich zwei Fälle, bei denen sogar die Vorsitzenden zu Hauptamtlichen gemacht wurden. Ich kenne beide gut und habe mich intensiv mit ihnen über ihre nun gelungenen Pläne ausgetauscht. Die Mitglieder ihrer Clubs haben nicht die schlechteste Entscheidung getroffen und werden davon profitieren.
Mehr zum Thema bei der Abschlussveranstaltung zur Stärkung des Ehrenamts am 8. November in der LSB-Sportschule in Berlin. Anmeldungen unter: vorstand@inter-berlin.de