Investor Sixth Street und Bernabéu-Stadion: Die neue Architektur des globalen Fußballs

Die Amerikaner planen die Kontrolle der zentralen Wertschöpfung: Medien, Arenen, Frauenfußball

|20. November 2025|
22.10.2024, Fussball UEFA Champions League 2024 2025, 3.Spieltag, Real Madrid - Borussia Dortmund, im Estadio Santiango Bernabeu in Madrid (Spanien), Das Stadion vor dem Spiel in Aussenansicht. *** 22 10 2024, Football UEFA Champions League 2024 2025, Matchday 3, Real Madrid Borussia Dortmund, at Estadio Santiango Bernabeu in Madrid Spain , Exterior view of the stadium before the match
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IMAGO/MIS

Inhaltsverzeichnis

Von Klaus-Martin Meyer

In einer Ära, in der Fußball längst nicht mehr nur ein Sport ist, sondern ein globales Finanz- und Emotionsemporium, hat sich ein unscheinbarer, aber strategisch denkender Investor aus San Francisco zum Schlüsselmacher entwickelt: Sixth Street. Mit über 115 Milliarden US-Dollar an permanentem Kapital und einem Geschäftsmodell ohne feste Fondslaufzeiten operiert das Unternehmen wie kein anderes: langfristig, flexibel, hochskaliert.

Was bei vielen Institutionen noch ein spannendes Side-Wettbewerbsmodell ist, ist für Sixth Street das zentrale Spielfeld. Nicht Vereine, nicht Trophäen – sondern Cashflow-Generatoren: Medienrechte, Stadien, Erlebnisplattformen. Während andere Investoren in Klubs einsteigen, investiert Sixth Street in das System, das diesen Klubs Tragfähigkeit gibt.

Der strategische Kern: Rechte, Arenen, Frauenfußball

Medienrechte als ewige Hebel

Ein zentrales Element der Strategie ist der Einstieg bei TV-Rechten – nicht kurzfristig, sondern über Jahrzehnte. So hat Sixth Street 2022 mit FC Barcelona gleich zweimal verhandelt: zunächst erwarb die Firma 10 % der LaLiga-TV-Rechte für 25 Jahre gegen eine Zahlung von rund 207,5 Mio. €. Später folgte ein weiterer Deal über 15 %, sodass sie insgesamt 25 % der LaLiga-Einnahmen für 25 Jahre sichern konnte. Dieser Schritt verschafft Sixth Street nicht nur langfristige Einnahmen, sondern macht sie zu einem strategischen Partner – ohne die Vereinsstruktur zu entmachten. Für Barcelona war das ein essenzieller finanzieller Hebel: Kapital zur Deckung der Verbindlichkeiten, aber dabei bleibt die sportliche und institutionelle Unabhängigkeit gewahrt.

Die Arena als Cashflow-Maschine

Beim Santiago Bernabéu-Stadion von Real Madrid führt Sixth Street einen noch tieferen Eingriff durch. In einer Partnerschaft mit Legends, dem Erlebnismarketing- und Hospitality-Unternehmen, hat man Madrid etwa 360 Mio. Euro zugesagt. Im Gegenzug erhält Sixth Street über 20 Jahre das Recht, am Bernabéu neue Geschäftsbereiche mitzubenutzen und mitzugestalten – von Konzerten über Events bis hin zu Corporate-Formaten. Legends wiederum bringt sein operatives Know-how ein, um die nicht-spielbezogenen Einnahmen des Stadions zu maximieren. Diese Transformation macht den Bernabéu zu einer 365-Tage-Plattform für Erlebnis und Unterhaltung – weg vom reinen Fußballtempel, hin zu einem globalen Eventzentrum.

Frauenfußball als strategischer Hebel

Ein besonders visionärer Aspekt ist der Griff von Sixth Street in den Frauenfußball. Unter dem Namen Bay Collective baut das Unternehmen ein Multi-Club-Modell auf, das auf langfristige Skalierung setzt. Aus dem Newsletter geht klar hervor, dass dies kein bloßer „Nischendeal“ ist, sondern ein strategischer Gamechanger: unbegrenztes Kapital, operative Exzellenz durch Legends und ein früher Einstieg in das Segment, das sich rasant globalisiert. Die Führung übernimmt Kay Cossington, eine erfahrene Funktionärin aus dem englischen Frauenfußball.

Der Plan: Weltklasse-Infrastruktur, datengetriebene Leistungsentwicklung und ein Netzwerk, das Frauenclubs über Ländergrenzen hinweg verbindet. Das Bay Collective könnte sich so zu dem entwickeln, was die City Football Group im Männerfußball ist – nur mit weniger regulatorischem Widerstand, schnellerem Wachstum und institutioneller Unterstützung.

Kapitalmodell: Kein klassischer Private-Equity-Drive

Was Sixth Street von vielen anderen Investoren unterscheidet, ist ihre Kapitalstruktur: Man agiert nicht aus einem klassischen PE-Fond mit 5–7 Jahren Laufzeit, sondern nutzt ein offenes Evergreen-Vehikel (TAO), das langfristige, unlimitierte Investitionen erlaubt. Aus deinem Newsletter geht hervor, dass das Unternehmen damit bereit ist, Milliarden-Engagements zu schreiben und Anteile „auf unbestimmte Zeit“ zu halten – kein Exit-Zwang, kein Leverage-Druck. Diese Flexibilität wird konkret: 2025 wurde ein dedizierter Sports & Live Entertainment Fonds aufgelegt, in den u. a. 775 Mio. US-Dollar vom US-Pensionsfonds CalPERS flossen. Damit sichert sich Sixth Street nicht nur Kapital, sondern auch institutionelle Legitimation und Rückhalt für langfristige Deals. Die Co-Leiter dieser Sparte, Austin Bowers und Josh Empson, formulieren es klar: Sie möchten nicht einfach kaufen oder handeln, sondern gestalten. Ihr Ideal ist „Lösungspartner“ – nicht Käufer.

Warum die Branche neu denkt

Sixth Street ist nicht laut, aber strategisch präzise. Der Ansatz ist nicht romantisch, sondern betriebswirtschaftlich radikal konsequent. Anstatt Vereine nach altem Muster zu übernehmen, investiert Sixth Street in die profitabelsten Architekturstrukturen des modernen Fußballs: Medien, Stadien, Infrastruktur, Frauenliga. Während andere Investoren noch über Kontrollmehrheiten streiten, setzt Sixth Street auf Revenue-Sharing. Barcelona und Real Madrid behielten ihre sportliche Souveränität – und Sixth Street bekommt Zugang zu stabilen, langfristigen Cashflows. In wenigen Jahren könnte man zurückblicken und sagen: Ohne Sixth Street sah der Fußball anders aus. Nicht, weil sie die Pokale gewonnen haben – sondern weil sie die Rechte daran kontrollieren.

Der unsichtbare Königsmacher

Sixth Street ist nicht der lauteste Investor, aber vielleicht der einflussreichste. Kein exzessiver Fremdkapital­einsatz, keine schnellen Ausstiege, kein Blitz-Vereinskauf. Stattdessen: präzise Einschnitte in die profitabelsten Hebel des modernen Fußballs. Medienrechte, Stadioninfrastruktur, Frauenfußball – das sind nicht nur Teile des Portfolios, sondern die Bausteine einer neuen Architektur des Sports. Während viele noch um Trikots und Titel kämpfen, hat Sixth Street längst verstanden: Im Fußball des 21. Jahrhunderts gewinnt nicht unbedingt, wer den Pokal hebt – sondern wer die Rechte daran besitzt.

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