Ich bin es leid! Sogar der TÜV ärgert uns Amateursportler
Der russische Angriffskrieg sollte nicht länger als Ausrede für die mangelhafte Unterstützung auf den Sportplätzen herhalten
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Ich bin es leid! Nahezu täglich gibt es Berichte über fehlende und dringend sanierungsbedürftige Sportstätten. Nicht nur in der – ach, so innovativen, sich stets selbst feiernden – Hauptstadt sind die Wartelisten für Kinder lang.
Die nimmermüde Michaela Röhrbein, Leiterin Sportentwicklung beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) stellt fest:
„Die Qualität der Sportstätten in Deutschland hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verschlechtert. Mindestens 31 Milliarden Euro beträgt der Sanierungsstau. Seit den 1970er Jahren gab es keine umfassende bundesweite Initiative zur Sanierung und Weiterentwicklung der Sportstätten mehr.“
Reflexhaft verweisen einige auf den durch Putins Angriffskrieg und Schuldenbremse belasteten Etat. Doch ehrlich: Wer glaubt schon, dass ohne steigende Militärkosten das Geld in den Amateursport wandern würde? Oder in die Sanierung von Schulen inklusive Sporthallen? Zugegeben, rhetorische Frage.
Fakt ist: Der Breitensport hat keine schlagkräftige Lobby wie Banken, Wettmafia oder Metallarbeitgeber! Ausbaden müssen das die Engagierten an der Basis. Sie müssen Sportlerinnen und Sportlern erklären, warum Plätze und Hallen in schlechtem Zustand, Duschen kalt und Umkleideräume nicht geputzt sind.
Die zuständigen Behörden verweisen auf leere Kassen und zucken mit den Schultern. Unser hochengagiertes Sportamt kann das Leid nur mit uns teilen. Es gibt kein Geld mehr. Für nichts! Also auch nicht für die Installation einer neuen LED-Flutlichtanlage, die nicht nur heller (die jetzige kommt auf weniger als 30 Lux!), sondern auch energiesparender wäre.
Eigeninitiative ist also gefragt. Wir haben in den letzten Jahren erhebliche Mittel in die Ausstattung gesteckt, was uns finanziell mehr abverlangt, als wir schultern können. Wir haben Minitore gekauft und Bänke am Rand des Platzes, der aufgrund der Haushaltssperre gerade nicht gepflegt werden kann, aufgestellt.
Doch nun kam der TÜV, nach dem ADAC Deutschlands höchste Instanz. Einige Tore seien nicht ordnungsgemäß; die Bänke müssten weg, weil sie mobil und nicht fest im Boden installiert sind.
Mehrere Zuschauer gehobenen Alters durften am letzten Sonntag nicht mehr sitzen. Also bleiben sie beim nächsten Mal zu Hause. Dabei sollen wir die Älteren doch besonders pfleglich behandeln.
Von ebensolchen Bänken fallen in Bayern nicht nur beim Oktoberfest jedes Jahr tausende Alkoholgeschwängerte, stört aber niemanden. Bierfolklore war schon immer wichtiger als funktionierender Breitensport. Einige unserer Tore sind zudem nicht kippsicher. Egal, dass sie nur 70 Zentimeter hoch sind. Unseren Trainern wird zudem der strenge Hinweis gegeben, darauf zu achten, dass sich Kinder nicht an die Latte von klassischen Kleinfeldtoren hängen.
Vor vielen Jahren hat es mal ein Unglück gegeben, als einem Kind bei starkem Wind ein Tor auf den Kopf fiel. Ein tragischer Unfall, der in Deutschland ausreicht, um gleich zum Rundumschlag anzusetzen.
Sicher, Vorsicht ist geboten, Trainer haben eine Verantwortung. Doch die nehmen sie Tag für Tag wahr, indem sie dafür sorgen, dass Kinder nicht noch apathischer und unbeweglicher werden. Was bei 60 Stunden Handykonsum in der Woche, den einige aufweisen, leichter gesagt als getan ist. Wenn man den Coaches im Detail erläutern würde, was in Jugendschutz-Seminaren an Haftungsfragen alles aufgeworfen wird, würde die Hälfte die Brocken hinwerfen.
Während Fußballvereine in Deutschland mit irren Regularien traktiert werden, heißt es auf den Autobahnen weiter: Freie Fahrt für freie Bürger! Rund 3.000 Verkehrstote gab es im letzten Jahr, fast ein Drittel wegen überhöhter Geschwindigkeit. Übrigens gab es auch fast 10.000 Unfälle durch E-Scooter, aber worauf konzentriert man sich? Auf Sportanlagen, Bierbänke und Minitore.
Es passt ins deutsche Ordnungsbild, dass ein Charlottenburger Stadtrat allen Ernstes Menschen aus ihren Wohnungen treiben will, weil sich der Radweg angeblich negativ auf die Drehleiter der Feuerwehr auswirken könnte. Oder dass aufgrund irrer Bestimmungen Brachgelände der Bahn nicht für Wohnungs- oder Sportplatzbau genutzt werden kann.
Letzten Freitag waren wir mit der Ü60 im Berliner Norden. Ein schöner Abend, der nach einem 7:1 und der zurückgewonnenen Tabellenführung im dortigen Vereinsheim endete. Wir wussten alle sofort, warum wir in einem Fußballverein sind. Gemeinschaftsgefühl vom Feinsten, selbst der Gegner war freundlich und zollte Respekt.
Wir mussten auf dem schlechteren Platz spielen. Denn der neue Kunstrasen hat kein Flutlicht. In 30 Metern Entfernung steht ein Haus – Eigentum! Der Tod jedes zweiten Fußballplatzes. So viel zum Thema Solidargemeinschaft. Eine seltene Insektenart soll es auch noch geben. Nein, nicht der Mistkäfer.
Getoppt wird dieser Wahnsinn nur noch vom Denkmalschutz. Selbst hässlichste Gebäude auf Sportanlagen fallen darunter und verhindern Modernisierungen. Das Thema ist eine eigene Kolumne wert.
Wie weit wollen wir es noch treiben? Vielen scheint es egal zu sein, ob unsere Kinder und Jugendlichen unter den Umständen leiden und sich daher ganz der digitalen Welt mit allem verbreiteten Hass in rechtsextremen Videos oder Schwurbel-Chats hingeben. Hauptsache, das Eigentum, der Denkmalschutz und die Haftung für wackelige Bänke sind sichergestellt.
Meine Frage an die beiden Infrastruktur-Beauftragten in den großen Berliner Sportverbänden lautete daher: „Wann ist endlich mit Ihrer Initiative für die Infrastruktur im Berliner Breitensport zu rechnen?!“ Auf die Antwort bin ich gespannt, habe aber auch ein wenig Angst davor.
Besser wäre wahrscheinlich, meine Freunde bei Global Goals Berlin zu fragen, ob sie zeitgemäße Sportstätten als Thema für die nachhaltige EXPO 2035 Berlin aufnehmen. Die wissen, wie gute Kampagnen aussehen!
Ganz ehrlich, ich bin ob des Themas sooo erschöpft, dessen überdrüssig! Und mit mir Zehntausende anderer Ehrenamtlicher. Wir werden dennoch nicht müde, weiter mit ihnen über die Stärkung ihrer Position und die Verbesserung der Bedingungen zu sprechen. Das nächste Mal am 8. November in Berlin. Ich freue mich darauf. Wie geht es wohl in den anderen Vereinen zu?