Fußball-Woche: Das Zentralorgan des Berliner Fußballs ist nun Geschichte
Mit dem Ende der über 100 Jahre alten „Fußball-Woche“ verliert der Amateurfußball ein weiteres Stück seiner kulturellen Basis

Foto: privat
Das Wochenende war aufregend und erfolgreich. Die Herren 1, 2 und 3 des FC Internationale erreichten jeweils mit knappen und umkämpften Siegen die nächste Pokalrunde. Entsprechend euphorisch ging ich daran, die Spielberichte zu schreiben und auf die Homepage des Vereins zu setzen. Ein passendes Jubelfoto hatte ich auch noch im Kasten bzw. auf der Speicherkarte.
Am Montag früh dann die Ernüchterung! Wie immer zum Wochenbeginn ging der erste Gang zum Briefkasten, in dem die Fußball-Woche – kurz FuWo genannt – früh morgens vom Träger eingeworfen wurde. In den letzten Monaten kam sie manchmal erst am Dienstag; dann war mein Name mit Kugelschreiber auf das Heft geschrieben, das lose auf den Briefkästen oder auf der Treppe lag. Warum, blieb bis zuletzt ein Rätsel. Also lief ich zum Kiosk, holte dort eine Ausgabe, was der Auflage half.
An diesem Montag lag tatsächlich die letzte Ausgabe der FuWo im Kasten – die letzte für immer! Auf der Titelseite prangte noch einmal die Überschrift: „Nur Inter überrascht – ein Kuriosum und viele Favoritensiege.“ Unten, wo sonst Holz Possling warb, fand sich stattdessen ein Hinweis auf ein geplantes Fußballplatz-Projekt mitten in der Spree. Selbst das Fahrstuhl-Team von Viktoria 89 erhielt aus unerfindlichen Gründen noch mal einen Kasten. Typisch Fußball-Woche, man wusste nie, was einen erwartete, manchmal auch nicht warum.
Ein Schockmoment zum Wochenstart
Auf Seite 3 dann der Schock: „Abpfiff für die Fußball-Woche!“ Herausgeber Horst Bläsig schrieb: „Wir hatten gehofft, dass wir diese Zeilen niemals schreiben müssen. Die heutige Ausgabe der Fußball-Woche ist die letzte, die Sie in Ihren Händen halten.“ In rund 180 Zeilen fasste er die vielfältigen Gründe für das Aus zusammen. Ich bin ihm dankbar, dort in einem Atemzug mit Persönlichkeiten wie Ex-Hertha-Chef Werner Gegenbauer, Union-Präsident Dirk Zingler und meinem Freund Bernd Fiedler, dem Vorsitzenden von Stern 1900, genannt zu werden – neben vielen Autoren und Förderern der FuWo. Alles Männer, übrigens.
Vielleicht liegt darin schon ein Teil der Erklärung: Die Fußball-Woche hat es nie geschafft, über ihre treue, aber überalterte männliche Leserschaft hinauszuwachsen. Der Altersdurchschnitt dürfte eher bei 70 als bei 60 Jahren gelegen haben. Nur wenige nutzten das Digital-Abo – und wenn, dann meist gemeinsam mit anderen. Viele lasen also kostenlos mit. Irgendwie passt das zum Berliner Fußball, der zu Geld seit jeher ein spezielles Verhältnis pflegt – nicht nur bei den berüchtigten „Spielerhonoraren“.
Hätten andere Schwerpunkte etwas retten können?
Immerhin widmete die letzte Ausgabe dreieinhalb von 32 Seiten dem Frauenfußball. Vielleicht hätte das Blatt früher weniger Ergebnisdienst und mehr Geschichten über Sportplatzprojekte, Vereine oder Sportlerporträts bringen sollen – Interviews, Streitgespräche, Reibung. Aber wer in der Mini-Redaktion hätte dafür Zeit gehabt? Der Tagesspiegel beschreibt die Arbeit der Kollegen zum Abschluss noch einmal anschaulich.
Mir persönlich fehlte es an Auseinandersetzung – vor allem mit dem Berliner Fußball-Verband. Stoff hätte es genug gegeben. Eine Rubrik wie „Der Infrastruktur-Wahnsinn der Woche“ oder Best-Practice-Beispiele innovativer Vereine hätten das Heft beleben können. Ob sie neue Leser gewonnen hätten, ist fraglich. Der Amateurfußball liebt das Gewohnte: Tabellen, „Elf der Woche“, Kurzberichte. Immerhin waren die FuWo-Berichte nie so grotesk wie die KI-generierten Texte auf fussball.de, die Überschriften wie „Internationale muss am Wochenende in Berlin antreten“ hervorbringen.
Leserbriefe sorgten für Gesprächsstoff
Besonders vermissen werde ich die Leserbriefe. In einem der letzten schimpfte Zehlendorfs Präsident Kamy Niroumand wie ein Rohrspatz über Politik und Verband wetterte, weil in Berlin kein simpler Zaun gebaut wird. Auch ich habe dieses Forum gern genutzt – zuletzt, um die Untätigkeit von Stadt und Sportverbänden in der Sportstättenkrise zu kritisieren. Werner Natalis von Sparta Lichtenberg und Bernd Fiedler meldeten sich ebenfalls regelmäßig zu Wort. Diese Rubrik hätte man stärker pflegen müssen: Man kam danach immer ins Gespräch.
Nun ist also Schluss. Mit der Fußball-Woche verschwindet ein weiteres Stück Amateurfußballkultur. Andere regionale Fachblätter wie das Sport-Mikrofon in Hamburg oder RevierSport haben schon aufgegeben.
Wer bildet künftig den Amateurfußball ab?
Was bleibt? Der DFB betreibt fussball.de – ein Portal, das vieles bietet, aber sicher keine kritische Auseinandersetzung mit der Verbandsarbeit. Fupa.net ist regional sehr unterschiedlich aktiv, konzentriert sich meist auf Spielerwechsel und verspätete Live-Ticker. Und beim Berliner Fußball-Start-up Delay Sports landet auch mal ein Zwischenstand von 71:0 im von Kindern befüllten Liveticker. Nur selten blitzen echte Highlights auf.
Immerhin: Mein Text „Wenn Ehrentribünenkarten wichtiger sind als Kinderturniere“ erzielte eine hohe Reichweite, was sicher auch am großartigen Foto telefonierender und meist desinteressierter Funktionäre auf der Länderspieltribüne lag. Und mein Freund Michi Franke sorgt mit seiner Hartplatzhelden-Kolumne regelmäßig für Resonanz – etwa, wenn er über die Abwerbepraxis von Nachwuchsleistungszentren schreibt.
Dankenswerterweise gibt es auch noch die hier auf Fever Pit’ch erscheinende Kolumne „Ganz unten“, aber sonst? Vereinsseiten liefern selten gehaltvolle Inhalte – objektiv sind sie ohnehin nicht. Bei der FuWo wusste man: Der Schreiber konnte anderer Meinung sein als man selbst. Das war unabhängiger Journalismus.
Der deutsche Amateurfußball verliert rapide an Bedeutung – das Ende der Berliner FuWo ist ein weiteres Symptom. Der Berliner Fußball-Verband erwog kurzzeitig, die Zeitschrift zu retten, wagte es aber nicht, den Delegierten des kommenden Verbandstags einen entsprechenden Antrag vorzulegen. Unbequeme Vorschläge waren noch nie die Stärke der Verbandsspitze – es sei denn, es geht um höhere Beiträge der Vereine.
Profis verdienen Millionen – für Berichte über den Breitensport fehlt Geld
Apropos Geld: Ein Wochengehalt von Manuel Neuer hätte wohl gereicht, um die FuWo am Leben zu halten. Zwei davon hätten sogar für eine langfristige Perspektive sorgen können. Auch das zeigt, wie schief die Machtverhältnisse im deutschen Fußball inzwischen sind.
Ruhe in Frieden, Fußball-Woche. Und danke an alle, die uns über Jahrzehnte den Montagmorgen versüßt haben – wie es kein Honigbrötchen je schaffen wird.
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