Ehrenamt 2.0 – bevor der Kitt der Gesellschaft zu bröckeln beginnt

Das Ehrenamt im Sport hat Nachwuchssorgen – aber es gibt Auswege. Diese diskutierten erfahrene Engagierte bei einer Veranstaltung in Berlin.

|2. Oktober 2025|
Foto: privat
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Ehrenamt muss Spaß machen! Wertschätzung ist wichtiger als Geld! Die Alten müssen den Jungen Freiräume geben!

Das sind nur drei Erkenntnisse aus dem Workshop „Ehrenamt mittendrin“ den ich gemeinsam mit der Kommunikationsberaterin Susanne Amar beim Berliner Fußball-Verband durchführte. Die Runde der Teilnehmenden lauschte zunächst gespannt den Ausführungen von Susanne, um dann in der Diskussion richtig loszulegen. Die Vielzahl der Fragen und Themengebiete zeigte einmal mehr auf: Das Ehrenamt 2025 hat nicht mehr viel mit dem vom Jahr 2000 zu tun.

Damals gab es weder flächendeckend Smartphones noch Social Media. Beides setzte sich erst vor rund 15 Jahren durch. Heute nutzen moderne Vereine längst KI-Programme, um Trainingspläne oder Jugendkonzepte zu schreiben. Blöd nur, dass Behörden und Politik nicht immer mitkommen und oft noch sehr traditionell arbeiten. Wobei wir in unserer Kommune deutliche Veränderungen spüren. Junge Amtsleiter haben einen anderen Arbeitsstil, sogar Stadträte und Bürgermeister haben vereinzelt gelernt, digitale Tools einzusetzen.

Print ist out, die Vereinswelt ist digital

Auch in den Sportverbänden gibt es immer weniger Publikationen und Verlautbarungen, die als Printprodukt erscheinen, die Faxgeräte sind längst abgebaut. Für Menschen, die seit 30, 40 oder gar über 50 Jahren ehrenamtlich im Sportverein tätig sind, ist es manchmal schwer, die Veränderungen zu akzeptieren und mitzumachen. Wobei es Leute gibt, die auch im hohen Alter noch Interesse an Digitalisierung entwickeln. Noch schwerer fällt das Loslassen von alten Gewohnheiten.

In den Vereinen gehen junge Menschen mit vielen Dingen anders um, arbeiten eher kollaborativ als top down. Mehrere Menschen arbeiten an einem Ziel, das Wissen wird geteilt, moderne Tools werden genutzt. Will ein Verein sie länger halten, muss er ihnen Freiräume und Entfaltungsmöglichkeiten gewähren. Zudem wird einem Sportverein heutzutage deutlich mehr abverlangt:

  • Trainerlizenzen sind eher Regel als Ausnahme
  • Kinderschutzschulungen sind verpflichtend
  • Der Spielbetrieb ist digitalisiert und wird oft per Handy geplant
  • Nicht zuletzt ist Vereinskommunikation heute viel umfänglicher

Herausforderungen können aber auch die Chance zu mehr Miteinander sein. Während erfahrene Vorstände ihr Wissen aus Verbandswesen, Umgang mit Behörden und Politik oder bei der Gewinnung von Sponsoren an Jüngere vermitteln können, wäre als Ausgleich Hilfe bei der Digitalisierung oder neuen Kommunikations-Tools in die andere Richtung denkbar. Die Generationen ergänzen sich also, das Vorstandsleben ist keine Einbahnstraße.

It‘ s a match: alt hilft jung und umgekehrt

Bei den Trainern bringen die alten Hasen viel Erfahrung in der Führung von Teams und Spielern mit, ertragen Ergebniskrisen in einer Saison und wissen Antworten darauf. Gleichzeitig sind jüngere Coaches oft Virtuosen bei der digitalen Spielanalyse und lernen in den Fortbildungen den aktuellen Stand des Fußballwissens. Ein Trainerteam aus Jung und Alt kann eine ideale Mischung darstellen, solange weitgehend Augenhöhe herrscht.

Selbst der Kinderschutz kann als ideales Matching funktionieren, denn auch hier können sich mehrere junge und ältere Leute im Verein zusammentun und für die Sicherstellung im Club sorgen. Hier bietet es sich zudem an, Eltern mit einzubeziehen, denen man konkrete Aufgaben zuweisen kann. Und warum nicht auch das neu aufgelegte DFB-Punktespiel für gemeinsames Wirken nutzen? Schließlich verspricht es interessante Prämien für relativ wenig Aufwand.

Ohne gute Kommunikation geht nichts.

Das A und O ist eine wichtige Kommunikation. Denn je mehr ehrenamtliche Kräfte an Bord sind, desto mehr Steuerung bedarf es. Den Vorständen, Jugend- und Bereichsleitungen kommt hier eine große Aufgabe zu. Früher gab es den Vereinskasten, in den alle relevanten Informationen Eingang fanden. Heute gibt es Apps für Teamorganisation, diverse Social-Media-Seiten, Eltern-Chats, Mailverteiler und natürlich die Internetseite. Alles das will bespielt werden – und zwar nicht mit Edding oder Kugelschreiber.

Eine gute Idee sind Mentorenprogramme. So könnte man sich Vorstandsämter teilen, indem Amtsinhaber ihre Nachfolger noch ein oder zwei Jahre begleiten. Wenn 20-Jährige oder FSJler anfangen eine Kindermannschaft zu trainieren, kann man ihnen Paten an die Seite stellen und Telefonnummern von zwei oder drei erfahrenen Trainern geben. Diese können um Rat gefragt werden oder sind im Notfall erreichbar. Denn bei einem Spiel kann immer mal etwas passieren, vom Unfall auf dem Platz bis zum Ärger mit den Gegnern. Wer noch nie vor einer Diskriminierungs-Situation stand, weiß nicht, was man in so einer macht. Da ist es gut, Unterstützung und Ratgeber zu haben.

Die Hauptfrage: Wie finden wir Trainer?

Klare Informationen über die Aufgaben, Ansprechpartner und gute Trainingsbedingungen sind die beste Wertschätzung für Coaches. Wer sich erst einmal vor jedem Training 10 brauchbare Bälle zusammensuchen, mit dem vorherigen Übungsleiter über das Ende seiner Trainingszeit diskutieren und eine saubere Kabine finden muss, wird nicht viel Spaß haben – entsprechend auch nicht lange bleiben.

Beim FC Internationale haben wir in den letzten Jahren einiges in einfache Hilfsmittel investiert. Die umsichtigen und stets freundlichen Platzwarten pumpen genügend Bälle auf, suchen Markierungskappen und gewaschene Leibchen zusammen. All das legen sie in einen der vielen Gitterwagen, den die Trainer zu ihrem Trainingsplatz schieben und ohne Zeitverlust beginnen können. Wobei wir ein paar Bälle mal austauschen oder ergänzen müssten.

Solche, die in die benachbarten Kleingärten fliegen, bekommt man manchmal wieder. Auch die vom Hundeauslaufplatz, was hin und wieder etwas Mut erfordert. Nur wenn der Ball auf den Bahndamm fliegt, ist er für immer verloren. Höhere Zäune wären sinnvoll, aber was ist schon sinnvoll an Berliner Sportstättenplanung? Das Engagement im Sportverein bleibt immer ein Stück weit ein Abenteuer, bei dem der Ausgang spätestens beim Punktspiel ungewiss ist.

Wertschätzung erhöht den Spaßfaktor

Aber wir können uns untereinander das Leben leichter machen und den Ehrenamtlichen mehr Spaß verschaffen. Indem wir sie ernst nehmen, unterstützen und wertschätzen. Auch wenn die Herausforderungen nicht kleiner werden, helfen Solidarität, gegenseitiger Respekt und Zuspruch immer noch am besten, diese zu bewältigen. Am besten im Team, gern auch altersübergreifend. Wo gibt es das sonst noch im Leben, für das die Menschen im Amateursport deutlich mehr lernen als über Handyspiele oder Streamingdienste.

Das Ehrenamt lebt, solange wir uns leidenschaftlich um die Engagierten kümmern. Und wenn jemand wirklich keine Zeit hat, sich zu betätigen. Dann gibt es immer noch die schon immer gültigen Aufgaben wie Trikots waschen, Kuchen backen und Geld spenden. Dazu wird kein Verein der Welt nein sagen.

Übrigens: Im Dezember geben wir beim Landessportbund Berlin den nächsten Workshop zu „Finden und Binden von Ehrenamtlichen“. Gern kommen wir auch in andere Regionen der Republik. Anfrage genügt.

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