Ballack irrt sich gewaltig
Michael Ballack plädiert für eine Reform der 50+1-Regel in der Bundesliga.

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Michael Ballack hat recht und liegt doch völlig daneben. Ja, die Bundesliga wurde von der Premier League abgehängt. Ja, Florian Wirtz‘ Wechsel nach Liverpool zeigt die schwindende Attraktivität deutscher Klubs. Aber nein, die Lösung liegt nicht in der Abschaffung der 50+1-Regel.
Der ehemalige Nationalmannschaftskapitän argumentiert aus der Perspektive eines Spielers, der seine besten Jahre bei Chelsea verbrachte. Er kennt die Vorzüge des Investorenfußballs: höhere Gehälter, bessere Mitspieler, mehr internationale Aufmerksamkeit. Aus dieser Warte erscheint die Bundesliga tatsächlich wie ein Provinztheater neben dem Londoner West End.
Doch Ballack übersieht den entscheidenden Punkt: Die Bundesliga ist nicht trotz, sondern wegen der 50+1-Regel attraktiv. Nicht für Superstars vielleicht, aber für Fans. Die vollen Stadien, die authentische Atmosphäre, die bezahlbaren Ticketpreise – all das existiert nur, weil Vereine noch ihren Mitgliedern gehören und nicht irgendwelchen Oligarchen oder Staatsfonds.
Der Wirtz-Transfer illustriert das Dilemma perfekt. Liverpool zahlte über 100 Millionen Pfund für den 21-Jährigen. Solche Summen kann kein deutscher Klub stemmen, ohne seine Seele zu verkaufen. Aber ist das wirklich ein Problem? Oder zeigt es nicht vielmehr, dass im internationalen Fußball etwas fundamental schiefläuft?
Die Premier League mag sportlich überlegen sein, doch zu welchem Preis? Arbeitervereine wie Manchester City oder Newcastle United wurden zu Spielzeugen von Autokraten. Traditionsklubs wie Manchester United ächzen unter der Schuldenlast ihrer Besitzer. Ticketpreise explodieren, lokale Fans werden verdrängt.
Ballacks Vorschlag, die Bundesliga müsse sich für Investoren öffnen, ist der Reflex eines Wettbewerbssüchtigen. Er will mithalten um jeden Preis. Dabei übersieht er, dass die deutsche Liga gerade durch ihre Andersartigkeit wertvoll ist. Sie bietet eine Alternative zum entfesselten Kapitalismus der Premier League.
Natürlich schmerzt es, wenn Talente wie Wirtz gehen. Aber die Lösung kann nicht sein, die eigenen Prinzipien über Bord zu werfen. Die Bundesliga muss ihren eigenen Weg finden: bessere Talentförderung, klügere Transferpolitik, stärkere internationale Vermarktung – aber ohne die Vereinsdemokratie zu opfern.
Ballack hat die Diagnose richtig gestellt, verschreibt aber die falsche Medizin. Die Bundesliga braucht keine Scheichs und Oligarchen. Sie braucht Mut zur Eigenständigkeit. Denn am Ende ist ein voller Signal Iduna Park mit 25.000 Dauerkarten mehr wert als ein Etihad Stadium voller Touristen.