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2. Liga: Nicht mehr als ein Fluchtort für deutsche Talente

Die Spielzeiten deutscher U21-Spieler in den Profiligen steigen, sagt Hannes Wolf.

|15. August 2025|
25.06.2025 Kosice(Slovakia) Germany- France semi final U21, U 21 U-21 Under-21 European men s football championship Andreas Rettig(L) DFB-Geschäftsführer Rudi Völler(C) DFB-Sportdirektor, Hannes Wolf (R) DFB-Direktor für Nachwuchs :
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IMAGO/Aleksandar Djorovic

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Hannes Wolf verkauft Symptombekämpfung als Heilung. Der DFB-Nachwuchschef feiert steigende Einsatzminuten deutscher Talente in der zweiten Liga als Trendwende. Dabei offenbart gerade dieser Umstand die Tiefe der Krise: Wenn unsere größten Hoffnungen nicht in München, Dortmund oder Leipzig reifen, sondern in Kaiserslautern, Paderborn oder Braunschweig ihre ersten Schritte machen müssen, stimmt etwas Grundlegendes nicht.

Die Zahlen sind brutal ehrlich. In der Saison 2020/21 hatten deutsche U21-Spieler mit Abstand die wenigsten Einsatzminuten in den europäischen Topligen. England, Frankreich, Spanien – überall bekommen junge Spieler mehr Vertrauen. Wolf gibt das unumwunden zu: Deutschland war in der Spielerentwicklung „von den Topnationen die schlechteste“. Eine schonungslose Selbstdiagnose, die längst überfällig war.

Doch seine Schlussfolgerung greift zu kurz. Wolf will die Trainer der Erst- und Zweitligisten nicht verantwortlich machen. Stattdessen fordert er bessere Ausbildung, damit die Spieler „auf den Platz kommen“. Diese Logik hat einen entscheidenden Denkfehler: Sie ignoriert, dass Entwicklung und Einsatzzeit sich gegenseitig bedingen. Talente werden nicht erst perfekt ausgebildet und dann eingesetzt. Sie wachsen durch Spielpraxis, durch Fehler, durch Verantwortung.

Die wahre Misere liegt tiefer. Deutschland ist „keine Bolzplatznation mehr“, sagt Wolf. Kinder brauchen „viel mehr täglichen Zugang zum Sport“. Hier trifft er den Kern: Während andere Länder ihre Straßenfußballer professionalisieren, hat Deutschland seine Straßenfußballer abgeschafft. Das Ergebnis sind technisch solide, aber charakterlich glattgeschliffene Akademieprodukte, denen genau das fehlt, was Matthias Sammer zu Recht anprangert: Mentalität, Risikobereitschaft, Persönlichkeit.

Die zweite Liga mag ein Anfang sein. Aber solange deutsche Topklubs lieber fertige Spieler aus dem Ausland holen, statt eigene Talente zu entwickeln, bleibt jeder Fortschritt Stückwerk. Wolf hat die Probleme erkannt, „gravierend“ eingegriffen, wie er sagt. Doch die eigentliche Revolution steht noch aus: Eine Bundesliga, die sich traut, auf deutsche Talente zu setzen. Nicht aus Patriotismus, sondern aus Überzeugung. Bis dahin bleibt die zweite Liga das, was sie nicht sein sollte: die höchste Entwicklungsstufe für deutschen Nachwuchs.