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Zuviel Euphorie um Borussia Dortmund
Alle reden vom Höhenflug, aber der BVB hat seit langem kein Spiel gegen einen Spitzenklub gewonnen – ändert sich das heute in Newcastle?
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Machen wir uns nichts vor: Der Erfolg ist bei Borussia Dortmund in der Regel so nachhaltig wie ein halbvollbesetzter Privatjet. Ich werde aus diesem Grund besonders misstrauisch, wenn ich wie jetzt BVB-Schlagzeilen lese, in denen Begriffe wie „Höhenflug“ oder „Zunge schnalzen“ vorkommen, denn ich weiß, was diese Schlagzeilen historisch gesehen nach sich ziehen: Schlagzeilen, in den Begriffe wie „Rückfall“ stehen. Normalerweise folgt umgehend der nächste herbe Niederschlag, den sich dann mal wieder niemand erklären kann.
Oder ist es diesmal anders?
In der Bild-Zeitung sah ich am Montag eine BVB-erfahrungsgestählte Überschrift, die mir besser gefiel: „In 14 Tagen wissen wir, wie stark dieser BVB wirklich ist“.
„Oder schon am Mittwoch!“, rief ich da der Überschrift zu, obwohl sie mich nicht hören konnte. Ja, vielleicht wissen wir heute Abend, nach dem Spiel in Newcastle, wie stark dieser BVB wirklich geworden ist – oder ob mal wieder alles nur wunschgeträumt war. Ob die Elf um Kapitän Emre Can jetzt dauerhaft erfolgreichen Fußball spielt – statt „sexy Fußball“, der zu nichts führt, wie es Trainer Edin Terzic so schön formuliert hat.
Wir dürfen trotz Zunge schnalzendem Höhenflug nicht vergessen: Die Dortmunder sind in der Champions League nach zwei Spielen Gruppenletzter. Sie haben einen Punkt geholt und kein Tor erzielt, was sie zu einer Art Mainz 05 der Königsklasse macht. Und sie treten bei Newcastle United an – verlieren wäre also nicht so praktisch. Sonst war’s das erst mal mit der Höhenflugstimmung.
Wo kommt die eigentlich her? Klar: Der BVB ist in der Bundesliga unbesiegter Vierter mit Tuchfühlung zur Tabellenspitze, das ist okay. Der BVB hat seine letzten fünf Spiele gewonnen, das ist top. Die Dortmunder haben ihr System von „Sexy“ auf „Punkty“ umgestellt, das ist sehr gut.
Und der 34 Jahre alte Marco Reus erlebt seinen zweiten Herbst, das ist unglaublich.
Leider kommt das Ganze in der öffentlichen Wahrnehmung ein wenig verzerrt rüber. Ich schiebe mal kurz zurecht: Der Vizemeister hat, Verzeihung, zuletzt eher gegen Aufbaugegner statt gegen Topteams gewonnen. Nach dem 4:2 in Freiburg besiegte die Mannschaft von Edin Terzic „nur“ Wolfsburg, Hoffenheim, Union Berlin und Bremen – diese Klubs stehen momentan auf den Plätzen 9, 6, 15, 14.
Dortmund musste bisher weder gegen die Bayern noch gegen Leverkusen noch gegen Leipzig noch gegen das Team der Stunde Stuttgart ran und hat in dieser Saison erst zweimal die Klingen mit absoluten Spitzenteams gekreuzt: Die hießen Paris St. Germain und AC Mailand.
Ausbeute: ein Punkt, null Tore.
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