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Was Fußball von Football lernen kann

Beim NFL-Gastspiel in Frankfurt herrschte eine beeindruckend gute Stimmung auf den Rängen – in der Bundesliga regiert zu oft der Hass

Foto: Imago / Rene Schulz

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Ich gestehe ohne Scham, dass ich der Versuchung erlegen bin: Sonntagnachmittag habe ich American Football geguckt, den Sport mit dem etwas unglücklichen Namen also, weil ja die meiste Zeit Handball gespielt wird. Die US-Profiliga NFL war zu Gast in Frankfurt am Main.

Ich traute meinen Augen und Ohren nicht.

Alle Menschen waren gut gelaunt. Die Spieler. Die Zuschauer. Die von allen in Ruhe gelassenen Schiedsrichter.

Und es wurden richtige Lieder abgespielt.

Ab und zu zappte ich rüber in die Bundesliga, weil zeitgleich Wolfsburg gegen Bremen kickte; eine vergleichsweise bemitleidenswerte Veranstaltung.  

In Frankfurt fand kein Schaukampf statt, wie das im Fußball die Premier League und die Bundesliga machen, wenn sie ferne Kontinente bereisen, sondern ein Spitzenspiel, das echte Auswirkungen auf die Tabelle hatte: Kansas City Chiefs gegen Miami Dolphins.

Es war beeindruckend. Ich sah beinahe überirdische Helden auf frischverlegtem Rasen. Patrick Mahomes, den Lionel Messi des American Football. Tyreek Hill, den schnellsten Mann der Welt. Travis Kelce, den Freund von Taylor Swift.

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Und die Leute drehten komplett durch. Sie jubelten, sie freuten sich, sie sangen schöne Lieder. Offenbar war ein Stadionverbot für Helene-Fischer-Kompositionen verhängt worden.

Vor dem Anpfiff wurden Hymnen von Menschen gesungen, die singen können, und zur Halbzeit gab's ein richtiges Konzert. Alles anders als in der Bundesliga.

Und niemand haute dem anderen auf die Fresse.

Ich habe mich am Sonntag die meiste Zeit gefragt: Warum sind die Zuschauer beim Football so begeistert, so glücklich, so tiefenentspannt? Und so jung? 1,5 Mio. Menschen schauten sich das Ganze alleine beim übertragenden TV-Sender RTL an, und es waren insgesamt deutlich mehr, denn DAZN zeigte das Spiel ja ebenfalls.

RTL meldete tags drauf sensationelle 39,2 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 29-jährigen Männern und auch sonst „in allen Zielgruppen neue Saisonbestwerte“.

Im Fußball wird derweil gehasst, gehöhnt, gegeifert, gestinkefingert, geprügelt, werden Feuerwerkskörper in den gegnerischen Block geschmissen, die Fans bezichtigen sich gegenseitig des Übernachtens unter Brücken - und das zu stets grauenvoller Musik.

Treffen dagegen beim American Football konkurrierende Fans aufeinander, nehmen sie sich in den Arm, lachen und freuen sich auf den sportlichen Wettkampf. Möge der Bessere gewinnen. Sie sitzen sogar manchmal nebeneinander.

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Im Fußball müssen Zuschauerblocks von der Polizei abgeriegelt werden, damit sich nicht schon während des Spiels alle an die Gurgel gehen. Beinahe das Stadion abfackeln wie am Sonntag beim Derby Hannover-Braunschweig geht natürlich trotzdem immer.

Ich finde, wir brauchen mehr Gute-Laune-NFL-Atmo in unseren Stadien. Bessere Musik, weniger Hass, schöneres Rahmenprogramm, leckereres Essen. Ein bisschen Abgucken bei der NFL, die übrigens dreimal so viel Umsatz (über 18 Milliarden Dollar pro Saison) macht wie die Bundesliga, kann nicht schaden.

Am Sonntag geht es in Frankfurt um 15.30 Uhr weiter. Während in der Bundesliga Bayer Leverkusen minderheitenwirksam Union Berlin zerlegt, spielen die New England Patriots gegen die Indianapolis Colts.

Abstiegskampf pur! Hätte ich fast gesagt, aber in der NFL kann man gar nicht absteigen.

Irgendwas muss der Fußball schließlich besser machen.

Ich werde jedenfalls einschalten: New England vor, noch ein Tor!

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