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Wer ist der beste TV-Experte im Land?

Die Causa Bayern: Am unterhaltsamsten ist Fußball, wenn die Hauptdarsteller anfangen, sich gegenseitig zu zerfleischen

Foto: Imago / Sven Simon

Inhaltsverzeichnis

Diese Woche ist von herausragenden sportlichen Ereignissen geprägt: FC St. Pauli gegen Düsseldorf, Hertha BSC gegen Kaiserslautern, FC Bayern gegen Didi Hamann.

Die meisten Fans interessiert vor allem das dritte Duell. Also wie sich der stets beutehungrige Sky-Experte und FCB-Kritiker Hamann im Angesicht der Übermacht schlägt. Immer wieder kracht es nämlich, gerade erst wurde Hamann von der Klubführung wegen unsachlicher (Dauer-)Kritik an Trainer Thomas Tuchel angezählt. Gestern entschuldigte sich der Ex-Bayernprofi für seine jüngsten Äußerungen. Eine Weltpremiere.

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Für den Newsletter schreibt Alex Steudel erfrischende Kolumnen.

Ich finde das anregend. Denn machen wir uns nichts vor: Am besten ist Fußball, wenn die Protagonisten anfangen, sich gegenseitig zu zerfleischen. Wie Löwen im Käfig wirken sie dann, nachdem der Tierpfleger in Urlaub gefahren ist, aber vergessen hat, das Thema Futterversorgung zu übergeben.

Für mich sind TV-Experten essenzieller Bestandteil des Profifußballs. Und als Journalist freue ich mich natürlich besonders, wenn ehemalige Profis nach der Karriere genau das machen, was sie früher scheiße fanden: öffentlich Kritik üben.

Bester TV-Experte: Hier geht's zur Abstimmung

Didi Hamann hat sich gestern, völlig überraschend, bei Bayern-Trainer Thomas Tuchel entschuldigt und seinen Unmut erklärt, warum ihm die vermeintliche Liasion mit dem FC Barcelona verdächtig vorgekommen war. Die Frage ist: Wird ihm das Publikum die falsche Anschuldigung oder den Rückzieher übelnehmen?

Nebenbei habe ich mir die Frage gestellt: Wer ist eigentlich mein liebster TV-Experte im deutschen Fernsehen? Und wen mögen die Fever Pit'ch Leser am liebsten? Schnell habe ich eine Umfrage gebaut: Wer hier draufklickt, kann mit nur einem Klick seine Stimme für den besten TV-Experten abgeben.

Zur Abstimmung

Leider gibt es zu viele TV-Experten mit Beißhemmung. Sie sind das wandelnde Verständnis und erklären Niederlagen rational, womöglich mit sachlichen Argumenten, was wirklich kein Mensch hören will. Bastian Schweinsteiger war so einer, bis die Nationalmannschaft entschied, ihm unter die Arme zu greifen und so schlecht zu spielen, dass selbst er nicht mehr anders konnte als draufzuhauen.

Bei Didi Hamann ist sowas angeboren, das macht ihn sehr wertvoll. Hamann, der mit Liverpool die Champions League gewann, aber vermutlich nie ein Volontärseminar besucht hat, wird richtig sauer, wenn eine Mannschaft schlecht spielt. Sein Ton lässt einen vermuten, dass er eigentlich erwartet, dass sofort alle gefeuert werden: die Mannschaft, der Trainerstab, die Geschäftsstelle.

Richtig gute TV-Experten schaffen die Gratwanderung zwischen Unterhaltung, Aggressivität und Expertise. Davon gab und gibt es aber nicht viele. Jürgen Klopp war der beste, deswegen durfte er als Zweitligatrainer bei den Großen mitspielen.

Kalle Rummenigge war der Inbegriff von Bias. Wenn zum Beispiel ein deutscher Nationalspieler seinen Gegner derart zugerichtet hatte, dass schon der ADAC-Rettungshubschrauber auf dem Rasen stand, rang er sich gerade mal ein "Kann man pfeifen" ab.

Günter Netzer revolutionierte das Expertengeschäft. Er war sehr gepflegt und unterhaltsam, ein Gentleman. Aber auch stets ein bisschen schlecht vorbereitet. Meister der Klischees. Südamerikaner neigen zu Faulheit, Italiener sind verspielt, Engländer brutal, Deutsche zielorientiert und so weiter.

Heute mag ich Lothar Matthäus. Nur wenn der ehemalige Weltfußballer versucht, witzig zu sein, krieche ich vor Angst unters Sofa wie früher bei Aktenzeichen XY. Aber inhaltlich ist keiner besser. Er weiß alles, sieht alles, riecht alles. Ich frage mich manchmal, ob Wettanbieter ihre Quoten anpassen, nachdem sich Lothar geäußert hat.

Und seine Konterattacke auf Bayern-CEO Oliver Kahn war größter Sport. Leider verlieren viele TV-Experten allen Mut, sobald der eben noch Kritisierte das Studio betritt. Wenn er wieder rausgegangen ist, haben sie Staubflecken an den Knien.

FC Bayern: Didi Hamann reagiert auf Bayern-Drohung!
Sky-Experte Dietmar Hamann (50) äußert sich zum Zoff mit Bayern-Trainer Thomas Tuchel (50).

Welche TV-Experten gibt es noch? Schwere Frage, es sind ganz schön viele. Stefan Kuntz höre ich gern zu, weil er so schön redet und einen schelmischen Humor hat. Ich vergesse darüber meistens, was er gesagt hat. Die Analysen von Matthias Sammer kommen gestochen scharf, er macht keine Gefangenen. Ich bin froh, dass er nicht meine Kolumnen bewertet, sonst wäre ich vielleicht schon ins Ausland geflüchtet. Und aus Mario Gomez wird noch was, glaubt's mir.

Steffen Freund, Sami Khedira, Tim Borowski? Strengen sich noch zu sehr an, was Tolles zu sagen, wobei sie wirklich nicht selten recht haben.

Sandro Wagner war wirklich richtig witzig. Jetzt hat er den unwitzigsten Job der Welt. Fußball ist so verrückt.

Mario Basler kann man nur lieben oder hassen. Zuletzt hatte ich leider oft das Gefühl, dass seine Analysen im Dschungelcamp entstehen.

DAZN-Experte Michael Ballack finde ich sehr gut, weil er besonders einleuchtend analysiert und bisweilen fast witzig ist. Das mit dem Aggro wird noch, er hat es ja in sich. Oder er geht ein paar Bier mit Stefan Effenberg trinken. Effe ist als Experte fast so gut, wie er als Fußballer war, und das will was heißen.  

Ist euch was aufgefallen? Die meisten der genannten TV-Experten haben mal beim Rekordmeister gespielt.

Der FC Bayern züchtet quasi seine eigenen Kritiker.

Am Schluss ein kleiner Tipp für alle, die unter Schlaflosigkeit leiden. Die in gedämpftem Ton vorgetragenen England-Analysen von René Adler und Mladen Petric auf Sky helfen sehr. Muss irgendwas mit ihrer HSV-Vergangenheit zu tun haben.

Achtung, ganz neu: Der Steudel-Jahresrückblick!

Alle Kolumnen des Jahres 2023 gibt es jetzt als Buch-Jahresrückblick – plus nachträgliche Anmerkungen und WM in Katar. Titel: Und dann kam Harry Kane – Alles über das kuriose Fußball-Jahr 2023, 298 Seiten, 14,95 Euro: Hier bestellen! Wer fürs gleiche Geld ein signiertes Exemplar bevorzugt: Einfach eine Mail schreiben – an post@alexsteudel.de

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