Stimmung, Neuzugänge, Siege: Der neue HSV begeistert sogar mich
Fever Pit'ch-Kolumnist Alex Steudel über die beeindruckende Performance des Aufsteigers

Foto: IMAGO/Justus Stegemann
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Ich erinnere mich zurzeit oft an meine Gespräche mit Reportern und anderen Experten in diesem Sommer. 22-Tore-Stürmer Davie Selke muss gehen? Fehler. Trainer Merlin Polzin? Der hat doch weniger Erstligaerfahrung als Heidenheim Meistertitel. Jean-Luc Dompé und Robert Glatzel? Die werden sich noch umgucken in der ersten Liga. Der neue Kader? Kenne keinen, die muss man ja alle googeln!
Eigentlich hatte der Hamburger SV alles falsch gemacht. Dachten viele.
Man muss dazu wissen: Der Hamburger ist im Laufe der Zeit aus Erfahrung Skeptizist geworden. Schließlich ließ der Klub ein gutes Jahrzehnt lang nicht die kleinste Blamage-Möglichkeit liegen.
Aber nach über einem Drittel der Saison hat der HSV sieben Punkte Vorsprung auf einen direkten Abstiegsplatz. Und alle feiern den Ex-Versagerverein.
Vor allem die Heimspiele sind Kult – es ist wie Weihnachten und Silvester im 90-Minuten-Schnelldurchgang: Erst fühlen sich alle wohl und singen, am Ende kracht’s und knallt’s wie Hölle.
Die letzten beiden Bundesliga-Auftritte des HSV könnte man ins Fifa-Lehrbuch des Heimspielfußballs aufnehmen, wenn’s eins gäbe. Das 3:2 gegen Bremen fiel in der 84., das 2:1 vorher gegen Stuttgart in der 95. Minute. Und das auch noch in Unterzahl. So wurden aus zwei Mal „Nicht aufgeben!“ sechs Punkte.

Und gegen Werder trafen allen Unkenrufen zum Trotz nur Neue: Erst Albert Sambi Lokonga, der Spielfeld-Leser, dann DIE Saison-Entdeckung Luka Vuskovic (18) mit einem Hacken-Tor des Monats – und am Ende ausgerechnet der Ex-Leipziger Yussuf Poulsen, im Hauptberuf verletzt.
Die Stimmung im Stadion entsprechend: stets überragend. Dagegen bieten die Münchner Zuschauer in der Allianz-Arena den Lärmpegel des Wartezimmers vom Bürgeramt Hamburg-Nord. Also nachts.
Man muss dazu sagen: Die HSV-Fans rasten zwar total aus, aber auf eine sympathische Weise. Es ist verrückt, keiner schreit wie früher nach zwei Siegen gleich laut „Champions League“. Dass ich das noch erleben darf.
Selbst ein HSV-Dauerkritiker wie ich muss zähneknirschend einräumen: Keine Mannschaft hat mich zuletzt mehr überrascht als die des vermeintlich chronischen Krisenklubs. Die Auftritte der Neuen – ob Remberg, Lokonga oder Vuskovic: Man reibt sich die Augen. Glatzel? Kommt rein und trifft. Dompé? Wird immer besser.
Man kann Sportvorstand Stefan Kuntz und Sportdirektor Claus Costa nur loben: Das ist kein planlos zusammengekaufter Haufen, sondern ein Team.
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