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Wie verabschiedet man Franz Beckenbauer angemessen?

Der Kaiser ist tot, der Abschied fällt schwer: Die Planungen für seinen letzten Weg beginnen

Foto: Imago / Manfred Segerer

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Am Montag hat mich ein guter alter Freund angerufen und mir mit aufgeregter Stimme mitgeteilt, dass Franz Beckenbauer gestorben sei. Dieser Freund interessiert sich eigentlich nicht sonderlich für Fußball. Er hatte aber gelesen, dass der Kaiser tot ist, und wirkte jetzt auf mich, als sei das so unglaublich, dass es von jemandem wie mir, der Beckenbauer persönlich gekannt hatte, erst noch bestätigt werden müsse.

"Franz Beckenbauer ist tot." Er sagte den Satz in einem Ton, den Menschen nur nach besonders einschneidenden Ereignissen anschlagen. "Die Türme sind eingestürzt." "Die Mauer ist auf." "Helmut Schmidt ist gestorben." "Boris hat Wimbledon gewonnen."

Franz ist tot. Der Beste ist gegangen.

Ein bisschen habe ich mich darüber gewundert, dass die Wörter "wohl" und "wahrscheinlich" in den zahlreichen Nachrufen so oft auftauchten. Franz Beckenbauer, der "wohl" oder "wahrscheinlich" beste deutsche Fußballer der Geschichte? Wenn es über irgendetwas keinen Zweifel gibt, dann: Dass er der Beste war.

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Genau deshalb stellen sich jetzt viele die Frage: Wie verabschieden, wie ehren wir so jemanden angemessen? Antwort: Bestimmt nicht, indem wir erst mal eine Tonne Müll über ihm ausschütten. Ich habe gelernt: über die Toten nur Gutes.

Okay, bei Diktatoren und Mördern sollte man eine Ausnahme machen. Ein bisschen erschrocken bin ich angesichts der Sorgfalt schon, mit der am Tag der Bekanntgabe des Todes von Franz Beckenbauer über seine Beteiligung an der Vergabe der WM 2006 und Korruptionsvorwürfe berichtet wurde.

Natürlich ist das ein dunkler Punkt in seinem Leben. Aber für mich fühlte es sich am Montag bei Lesen und Ansehen der Nachrufe an, als habe das Leben des Kaisers zu einem Großteil darin bestanden, nachts prall gefüllte Bargeldumschläge unter Hotelzimmertüren durchzuschieben.

Leute, dachte ich, durchatmen! Der Kaiser ist tot! Was machen wir jetzt damit?

Reden wir lieber darüber, wie wir ihn würdigen können. Also physisch. Berti Vogts, sein Mitspieler im Weltmeisterteam 1974 und Nachfolger als Bundestrainer, hat vorgeschlagen, den DFB-Pokal nach Beckenbauer zu benennen. Gute Idee!

Der ehemalige Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld wünscht sich, dass die Allianz-Arena künftig Franz-Beckenbauer-Arena heißt. Karl-Heinz Rummenigge, der beim alten FC Bayern spielte und den neuen FC Bayern mit aufbaute, möchte die größte Trauerfeier aller Zeiten genau da ausrichten: in der Allianz- oder wie auch immer -Arena, weil es ohne den Kaiser keine gäbe. Den Termin gibt es nun: am 19. Januar.

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Ich bin nicht dagegen. Aber ich bin der Meinung, dass es nur einen Ort gibt, wo so ein Abschied angemessen zelebriert werden könnte: das Münchner Olympiastadion, wo Beckenbauer seinen größten Erfolg feierte. Er wurde dort Weltmeister. Ich habe noch nie ein ikonisches Bild von Kaiser Franz in einem nach einer Versicherung benannten Stadion, das in einem unbedeutenden Münchner Vorort steht, gesehen.

Dass er nun, im Alter von 78 Jahren, gestorben ist, macht viele traurig. Vor allem jene, die ihn sehr gut oder wie ich ein bisschen kannten. Er war nämlich ein guter Mensch. Nicht arrogant, obwohl er auf diejenigen, die ihn nur im Fernsehen sahen, oft so gewirkt hat. Wir sollten das würdigen. Mit einem Pokal, mit einer Abschiedsfeier, klar.

Und mit einer Statue natürlich auch.

Franz Beckenbauer in Bronze, wie er über den Platz und darüber hinaus schaut. Oder: Wie er erhobenen Hauptes den Rasen betritt. Oder, Herausforderung Nummer 1 für alle Bildhauer(innen): Der Kaiser, der den Ball mit dem Außenrist spielt.

Rummenigge fordert riesige Trauerfeier für Beckenbauer
Geht es nach Karl-Heinz Rummenigge, dann können sich die Fans in ganz großem Rahmen vom verstorbenen Franz Beckenbauer verabschieden. Der Ex-Bayern-Boss wünscht sich eine große Trauerfeier in der Allianz Arena. Der Rekordmeister prüft die Machbarkeit.

Der Außenristpass sollte nie mehr so genannt werden, denn er gehört ihm. So wie es im Handball den "Kempa-Trick" gibt, sollte es künftig im Fußball den "Beckenbauer" geben. Oder den "Kaiser".

Da sind so viele Dinge, für die er steht.

Der Duden könnte sich auch was einfallen lassen. Es gibt eine Menge Aussprüche, die Beckenbauer geprägt hat, und die ganze Generationen benutzen. Sein einleitend optimistisches "Ja, gut ..." ist eine unverwechselbare Franz-Satzkonstruktion. Pures Gold wert, wenn Diplomaten verhandeln.

Und wenn wir ausdrücken wollen, dass ein Mensch ganz besonders zuverlässig ist, sprechen wir heute dank Beckenbauer davon, dass dieser Mensch seine Aufgabe auch dann erfüllen könnte, wenn man ihn "nachts um drei weckt".

Nichts davon wird etwas daran ändern, dass Franz Beckenbauer tot ist. So ganz glaube ich es immer noch nicht. Er ist der einzige Mensch, dem ich jederzeit zutrauen würde, bei seiner eigenen Trauerfeier jedem einzelnen Gast in der brechend vollen Allianz-Arena ein Autogramm geben zu wollen. Einfach, weil das netter ist, als es nicht zu tun.

Leider wird er das beim nächsten, seinem letzten Stadionbesuch nicht machen können. Es ist ein Jammer.

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