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Schock in Frankfurt, Jubel beim BVB, Trainer auf Schalke

Inhaltsverzeichnis

Guten Morgen, liebe Fußballfreunde!

Zwei neue Bundesliga-Trainer sind seit gestern am Start. Dimitrios Grammozis auf Schalke und Frank Kramer bei Arminia Bielefeld. Und trotzdem ist Fredi Bobic heute unser Aufmacher. Wie kann das sein?

Das liegt zum einen daran, dass die Haltbarkeit von Trainern beim ersten Verein begrenzt ist und sich der Trainerwechsel beim zweiten Verein jeder rationalen Begründung entzieht. Man schüttelt einfach nur den Kopf.

Die Personalie Bobic bewirkt da eine ganz andere Tragweite. Fredi Bobic hat die graue Maus Eintracht Frankfurt, die Vorgänger Bruchhagen mühsam auf die Beine zurückgestellt hat, nicht nur zum Rennen gebracht.

Er war prägend. Und bevor die Qualifikation zur Champions League gelingt und irgendwann der Aufstieg zum Titelaspiranten, verlässt Fredi Bobic die Eintracht, sehr wahrscheinlich Richtung Berlin, wo die Familie wohnt.

Auf den ersten Blick scheint das ein Arbeitgeberwechsel zu sein, wie man ihn auf Management-Ebene häufiger im deutschen Profifußball beobachtet. Bei der Eintracht dagegen muss man abwarten, wie sie den Abgang verkraftet.

Ich kann mich sehr gut an meinen Besuch bei Fredi Bobic 2016 erinnern, als er gerade das Amt angetreten hatte. Er musste damals nicht nur alten Zigarettenqualm von den Bürowänden in der Arena entfernen.

Damals erzählte er mir von der Kritik, die ihm für seine mutige Kaderplanung  entgegenschlug, und vom Beharrungsvermögen, das manchmal den Verein lähmte und mit dem Totschlagargument "Tradition!" rechtfertigt wurde.

Er, der von außen kam, zeigte wenig Sympathie für angestammte Reviere und überholte Riten, er wollte Veränderung, gut begründet und selten bequem. So einer gewinnt nicht an Popularität. Ihm war's egal.

Mehr noch: Ihm war's recht. "In Stuttgart vorher", erklärte er mir mal, "war ich immer der Fredi. Hier in Frankfurt bin ich der Herr Bobic." Bei diesem Respekt konnte er die Karten neu und nachhaltig im Verein mischen.

Fünf Jahre später, inklusive DFB-Pokalsieg und Triumphzug durch die Europa League, muss er keinen Zweifler mehr überzeugen, dass sein Weg der richtige war, er hat's ja bewiesen.

Längst wünscht man sich, dass es in den Bundesliga-Klubs mehr Leute von seinem Kaliber gäbe. Sollte Berlin tatsächlich seine nächste Station sein, kann ich nur sagen: Hertha BSC darf sich freuen.

Einen  vergnügungssteuerpflichtigen Mittwoch wünscht

Euer Pit Gottschalk

Abschied von Fredi Bobic: Schockzustand in Frankfurt

Der Schwabe und die Eintracht: Eine große Liebe war's nicht

Der Sportvorstand ist bei den Hessen der Architekt des Erfolges. Dennoch ist seine Beziehung zum Umfeld des Klubs wenig emotional gewesen – und jetzt geht er weg.

Von Christopher Michel

"Bobic, geh fott!" Mit diesen Plakaten wurde Fredi Bobic im Juni 2016 von Eintracht-Fans in Frankfurt begrüßt.

Fünf Jahre später lässt sich festhalten: Diese Schilder würde es nicht mehr geben. Der Sportvorstand leistet herausragende Arbeit, der Pokalsieg 2018 und das Europa-League-Halbfinale 2019 waren die Krönung.

"Wir werden alle Steine umdrehen", hatte Bobic bei seiner Präsentation angekündigt und Wort gehalten. Mit anfangs wenig Budget wurde ein neues Team aufgebaut, Trainer Adi Hütter und Chefscout Ben Manga waren Glücksgriffe, Luka Jovic und Sébastien Haller brachten Millionenbeträge.

Inzwischen ist die Eintracht en vogue, sie wächst trotz der Coronakrise auf vielen Ebenen und träumt von der Champions League. Die sportliche Arbeit von Bobic ist nicht hoch genug zu würdigen, er hat die erfolgreichste Phase der jüngeren Vereinsgeschichte zu verantworten.

Und doch wird nach Bobics Abgang, den er am Dienstag für das Saisonende ankündigte - egal, ob es ihn nun nach Berlin oder zu einem anderen Klub zieht -, der ganz große emotionale Aufschrei, wie ihn aktuell etwa Marco Rose in Gladbach erlebt, aus dem Umfeld ausbleiben.

Vor allem seine Haltung zu RB Leipzig polarisierte am Main, er hält Kritik am dortigen Modell für "oberflächliches Gequatsche". Bei einem Traditionsverein mit emotionalen Fans kam diese Ansage weniger gut an, ebenso seine Offenheit für Investorenmodelle oder den Wegfall der 50+1-Regelung.

Er wollte nicht rumeiern – und schon 2020 weg

Fredi Bobic hatte bereits im Winter 2020 geplant, Eintracht Frankfurt zu verlassen. Jetzt möchte er klare Kante zeigen.

Die Kommunikation mit dem Anhang missriet oftmals, Bobic scheute auch die offene Konfrontation nicht. Als Andreas Möller neuer Leiter des Jugendleistungszentrums wurde, gab es Proteste im Stadion. "Ihre Mei­nung inter­es­siert mich nicht. Wer gegen Möller ist, ist auch gegen mich", sagte er damals bei einem Kongress der FAZ und knüpfte sein Schicksal an den früheren Profikollegen.

Der Abgang von Bobic sorgt somit zwar für einen Schock, nicht aber für Tränen. Die Zusammenarbeit verläuft erfolgreich und pragmatisch, eine Liebesbeziehung war und ist sie nicht.

Die Eintracht selbst sieht sich gerüstet für die Zeit ohne Bobic, im Hintergrund wirken die Vorstandskollegen Axel Hellmann und Oliver Frankenbach seit Jahren sehr erfolgreich mit, Trainer Hütter hat sich klar zur Eintracht bekannt.

Ohne Frage reißt der Bobic-Abgang eine Lücke. Doch der Erfolg der Hessen ruht auf mehreren Schultern.

Dadurch, dass er nun frühzeitig für Klarheit gesorgt hat, gibt Bobic der Eintracht auch die Chance, einen geeigneten Nachfolger zu finden.

Sollten die Fans rechtzeitig ins Stadion zurückkehren, dürfte auf den Plakaten wohl nicht mehr "Bobic, geh fott" zu lesen sein. Viel mehr als ein trockenes "Danke, Bobic" ist allerdings auch nicht zu erwarten.

Das ist die Berliner Luft, Luft, Luft

Pal Dardai über Bobic: Ich bin ein Fredi-Fan

Sie waren zwei Jahre Kollegen auf dem Platz. Sollte der künftige berufliche Weg von Fredi Bobic wieder nach Berlin führen, würde Pal Dardai das begrüßen. Herthas aktueller Trainer sagt: "Fredi ist ein Kämpfer. Er will immer gewinnen."

Bei Hertha sind 63,8 Mio. Euro verletzt

Laut Transfermarkt.de hat der Kader des womöglich künftigen Bobic-Klubs 225 Millionen Euro Marktwert. Mehr als ein Viertel ist verletzt oder angeschlagen. Nicht die einzige Baustelle.

++ DFB-Pokal aktuell ++

Terzic schlägt Rose: BVB im Halbfinale

Borussia Dortmund steht im Halbfinale des DFB-Pokals. Im Viertelfinale schlägt der BVB Borussia Mönchengladbach mit 1:0. Jadon Sancho war der Matchwinner. Eine schöne Genugtuung für Trainer Terzic. Sein Kontrahent wird sein neuer Chef.

DFB-Pokal heute im Fernsehen

18.30 Uhr, Sky: Rot-Weiss Essen - Holstein Kiel

20.45 Uhr, ARD: RB Leipzig - VfL Wolfsburg

Fast 70 Jahre später: Essen hadert mit schwerem Rahn-Erbe

Tradition kann etwas Schönes sein. Oder aber sie kann tonnenschwer auf der Gegenwart lasten – wie im Fall Rot-Weiss Essen, das abstürzte, doch heute im Viertelfinale des DFB-Pokals gegen Holstein Kiel steht, um Historisches zu leisten.

Was sonst noch so los ist

Dimitrios Grammozis neuer Trainer beim FC Schalke 04

Der Grieche übernimmt den krisengeschüttelten Tabellenletzten. Er soll das Unmögliche schaffen – oder den Neuanfang entscheidend mitgestalten.

Bielefeld: Der Neue heißt Frank Kramer

Jetzt ist es fix! Der 48-Jährige übernimmt bei Arminia und ist damit Nachfolger von Uwe Neuhaus. Der Vertrag läuft bis 2023.

FC Bayern: Änderung im Aufsichtsrat

Der Rekordmeister baut um: Audi-Boss Markus Duesmann folgt auf Volkswagen-Chef Herbert Diess.

FC Barcelona: Ex-Boss nach Razzia wieder frei

Einen Tag nach seiner Festnahme ist Josep Maria Bartomeu vorläufig wieder frei. Die Ermittlungen laufen weiter, heißt es.

Elf Verträge enden beim 1. FC Union im Sommer

Auf Manager Oliver Ruhnert wartet jede Menge Arbeit, wenn er die Eisernen für das dritte Bundesligajahr in Folge aufrüsten will.

Raiola-Attacke auf Trainer Roger Schmidt

Der gefürchtete Star-Berater Mino Raiola geht hart mit Roger Schmidt, dem Trainer des PSV Eindhoven, ins Gericht.

30 Jahre Pay-TV! Und jetzt auch mit Ruckeln

Als der Fernseh-Fußball neu erfunden wurde

Auf Premiere begann vor 30 Jahren ein neues Zeitalter in der Liga – mit der ersten Übertragung eines Spiels im Bezahlfernsehen:  Frankfurt gegen Kaiserslautern.

Von Alex Steudel

Kaum zu glauben, es ist 30 Jahre her. Ein Sender namens Premiere, der heute Sky heißt, revolutionierte am 2. März 1991 den deutschen Fußball. Premiere übertrug nämlich erstmals ein Bundesliga-Spiel, Frankfurt gegen Kaiserslautern, live und verschlüsselt. Viele Fans fanden das gar nicht lustig, es war ja quasi die Geburtsstunde des kommerziellen Fußballs in Deutschland.

Ich glaube, sogar die "Elf Freunde"-Redaktion protestierte, obwohl es sie 1991 noch gar nicht gab. Für mich war Bundesliga bis dahin ARD-Sportschau. Jeden Samstag lieferte ich mich bereitwillig der Entscheidung der Redaktion aus, welche Spiele der Allgemeinheit in kurzen Zusammenfassungen zugänglich gemacht werden sollen.

Premiere (der Sendername war nie wieder so sehr Programm wie an jenem Tag) hatte Glück, das Spiel war nämlich unterhaltsam und endete 4:3 für die Eintracht. Andreas Möller schoss drei Tore. Blöd war allenfalls, dass das keiner mitbekam: Nur 100.000 Menschen waren in Besitz des kleinen weißen Schlüsselchens, der, in einer hässlichen Box steckend, das Fußballbild ins Wohnzimmer zauberte – also knapp mehr, als der HSV heute Mitglieder hat. Ich gehörte keiner der beiden Gruppen an, ich war damals lausiger Student, der nebenher die ersten Trippelschritte im Journalismus versuchte und für die Fellbacher Zeitung (Fellbach liegt in Sichtweite des damaligen Neckarstadions) Geschichten über Gokart fahrende Kinder schrieb.

Erst Jahre später, als ich Redakteur war, traf mich das Thema Verschlüsselung mit voller Wucht: Ich erinnere mich an die Aufregung, die in der Sportredaktion der Abendzeitung herrsche, nachdem die TV-Rechte an der Champions League ebenfalls an Premiere gegangen waren.

Der FC Bayern spielte an einem Dienstagabend auswärts, und Dienstagsspiele gab's plötzlich nur verschlüsselt. Die Redaktion in der Sendlinger Straße hatte aber noch keinen Decoder. Der Kollege vom Spätdienst, der den Spieltext für die Morgenausgabe der AZ sonst vorm Fernseher sitzend tippte, war ratlos. Wie und was sollte er denn jetzt schreiben? Videotext gucken war eine Option. Dann wurde entschieden, dass er das Spiel im Radio hören sollte, denn der Bayerische Rundfunk übertrug ja den FC Bayern immer live.

Blöderweise können im Radio aus technischen Gründen keine Spielminuten eingeblendet werden, was das Verfassen eines Spielberichtes schwer macht ("So ganz grob in der 75. Minute köpfte dann Carsten Jancker..."). Also bat ich, der im Stadion saß, die Kollegen vom BR darum, während ihrer 90-Minuten-Reportage wenigstens ab und zu eine Spielminutenzahl einzustreuen, damit der wachhabende Spätdienst der AZ - ich meine, es war Franz Meier - einen gescheiten Spielbericht schreiben konnte.

Die beiden Radioreporter, der legendäre Günther Koch war einer davon, machten sich damals einen Spaß daraus und sagten dann live Sachen wie: "Kopfball von Jancker, haarscharf am Tor vorbei – wir schreiben übrigens, lieber Franz, die 75. Minute!"

Ja, damals war Pay-TV in jeder Hinsicht Neuland. Und wenn du einer der wenigen Menschen warst, die so ein Abo hatten, konntest du tatsächlich ein Spiel 90 Minuten lang sehen und fühltest dich dabei dem Rest von Fußball-Deutschland, dem nichts anderes übrig blieb, als eine Tatort-Wiederholung mit Gustl Bayrhammer zu gucken, überlegen.

So gesehen, war Bezahlfernsehen eigentlich nie mehr so gut wie zum Beginn, denn es geht ja seit Anbeginn stetig bergab. Geändert hat sich in den 30 Jahren nämlich vor allem – ob nun bei Sky-(No-)Go oder DAZN: Das Bild ruckelt heute mehr, oder es bleibt manchmal ganz hängen, und garniert wird das Ganze mit viel zu viel Werbung.

Die gesammelten Steudel-Kolumnen gibt’s jetzt als Taschenbuch und eBook. Titel: "Das Fußball-Jahr 2020 unter besonderer Berücksichtigung des HSV", 254 Seiten.

Weitere Infos und Bestellmöglichkeit hier.

Alle mal herschauen!

Peter Grosser: Trauer um den Meister-Kapitän der Löwen

Peter Grosser führte den TSV 1860 München zur einzigen Meisterschaft, nun ist er mit 82 Jahren gestorben. Ein Nachruf.

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