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Schlappe gegen Holland: Muss Hummels zurückkehren?

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Guten Morgen, liebe Fußballfreunde!

Freitagmittag saß ich Fußballmanager Andreas Rettig im Büro gegenüber. Interview zu seinem Abschied von St. Pauli. Meine allererste Frage: Machte es jemals Spaß, den Leuten im deutschen Fußball auf den Sack zu gehen?

Andreas Rettig schnappte nach Luft und schoss bei seinen Antworten munter zurück. Als ich ihm Sozialismus bei seinen Ansichten unterstellte, sagte er: "Dafür bist du zu einfach gestrickt. Ich erkläre es dir jetzt."

Unser Thema: die Zukunft des Klubfußballs. Er schilderte sehr anschaulich, warum die Bundesliga an einer Weggabelung steht. Ich provozierte ihn: Warum er eigentlich nie etwas gewonnen hat, wenn er alles so genau weiß.

So ging das eine halbe Stunde lang hin und her. Um es kurz zu machen: Das Gespräch hat uns beiden einen Heidenspaß bereitet. Und das Beste: Wir haben es als Podcast aufgezeichnet. Wer's hören will: Hier klicken!

Ein komplementäres Wochenende wünscht

Euer Pit Gottschalk

Schlappe gegen Holland: Muss Hummels zurückkehren?

Diese Perspektiv-Generation muss noch viel lernen

Das 2:4 gegen selbstsicherere und reifere Niederländer zeigt: Deutschlands restaurierte A-Mannschaft muss noch viel lernen. Das Verhalten war nicht clever.

Von Pit Gottschalk

Das letzte Mal, dass die deutsche Nationalmannschaft in einem Pflichtspiel zu Hause vier Gegentore kassierte*, ist jetzt sieben Jahre her. Das legendäre 4:4 nach 4:0-Führung gegen Schweden ist unvergessen. Freitagabend hat’s Deutschland wieder erwischt: Vier Dinger in Hamburg - 2:4 gegen die Niederlande. Doch diesmal ist eine Sache entscheidend anders.

Damals, beim Unentschieden gegen Schweden, hatte die Löw-Mannschaft auf Schongang umgestellt und kam aus dem Orkan, den Schweden plötzlich entfachte, nicht mehr heraus. Das Länderspiel ging als Betriebsunfall in die Geschichtsbücher ein und störte die WM-Qualifikation nicht weiter. Das 2:4 von Hamburg hat dagegen weitreichende Folgen.

Zum einen darf sich Bundestrainer Joachim Löw beim nächsten EM-Qualifikationsspiel am Montag in Nordirland keinen weiteren Ausrutscher leisten. In einem Uefa-Wettbewerb zählt nicht die Tordifferenz, sondern der direkte Vergleich. Den hat die Niederlande mit 2:3 und 4:2 gewonnen. Aus eigener Kraft kann Deutschland nicht mehr Gruppenerster werden.

Deutschland mit herben Dämpfer auf dem Weg zurück an Spitze

Deutschland verliert verdient gegen die Niederlande. Besonders die hohe Fehlerquote in der Defensive dürfte Nationaltrainer Joachim Löw Sorgen bereiten. Die mahnenden Worte von Toni Kroos sollten sich bewahrheiten.

Zum anderen steht Nordirland mit zwölf Punkten aus vier Spielen tadellos an der Tabellenspitze. Weil nur die zwei Tabellenersten aus der Qualifikationsgruppe C zur EM 2020 dürfen, wäre eine Niederlage ein Rückschlag, um zumindest den zweiten Gruppenplatz zu erreichen. Die Mannschaft ist gewarnt - sie macht zu viele Abwehrfehler.

Noch kann Bundestrainer Löw argumentieren, dass der Umbruch noch nicht zu einer Reife führen konnte, wie es die Niederländer “mit zwei, drei Jahren Vorsprung” vorgemacht haben. “Die Mannschaft ist besser eingespielt, das hat man schon gesehen”, sagte Löw und gab zu: “Unsere Niederlage mit diesem Ergebnis war verdient.”

Zur Unreife gehört, dass sich die Innenverteidigung mit Niklas Süle in der Mitte sowie Matthias Ginter und Jonathan Tah an der Seite Stellungs- und Abspielfehler leisten. “Zu viele”, wie Löw befand. Schon holt ihn seine Entscheidung vom Jahresbeginn ein, als er Deutschlands besten Abwehrchef aussortiert hat - Mats Hummels.

2:4! Spiel gedreht, Deutschland besiegt

Deutschland verspielt die höchst komfortable Ausgangssituation in der EM-Qualifikation. Nach der Niederlage gegen die Niederlande steht das deutsche Team noch mal unter Druck im Kampf um den Einzug in die Endrunde.

War das Hummels-Aus womöglich ein Fehler? Löw wird diese Frage immer verneinen. Seine Kritiker sind da weniger zurückhaltend. Hummels, inzwischen 30 Jahre alt und zum BVB zurückgekehrt, verströmt die Aura des Unerschütterlichen. Doch um es eindeutig zu formulieren. Seine Rückkehr zur Nationalmannschaft wäre ein Fehler. Aus drei Gründen.

  • Erstens: Hummels spielt nicht mehr so sicher, wie es seine Reputation verheißt. Auch er hatte beim 1:3 gegen Union in der Bundesliga keine passende Antwort auf die schnelle Spielweise des Gegners. Sein Stellungsspiel war ebenfalls fehlerhaft.
  • Zweitens: Den dreien, die jetzt das 2:4 gegen Holland mitverschuldet haben, gehört die Zukunft - sie sind 23 bis 25 Jahre alt. Wann sollen sie höchstes Niveau lernen, wenn nicht gegen Weltklasse-Spieler? Eine konstruktive Fehlerkultur gehört zur Lernkurve dazu.
  • Drittens: Wenige Monate vor dem EM-Start käme eine Hummels-Rückkehr in die Nationalmannschaft einer Bankrotterklärung des Trainers gleich. Löw hat den Schritt so vehement verteidigt, dass jede Abweichung vom Kurs sein Ende einleiten würde.

Überall Eigentore

Das EM-Qualifikationsspiel gegen die Niederlande begann für die deutschen Fans schon schlecht - und wurde zum Schluss immer schlimmer. Nein, gemeint ist nicht das Eigentor von Jonathan Tah zum zwischenzeitlichen 1:2-Rückstand.

Berti Vogts, Bundestrainer von 1990 bis 1998, hatte mit der Revidierung seiner Personalentscheidungen weniger Probleme. Mehrfach holte er vor Weltmeisterschaften aussortierte Spieler zurück, zum Beispiel Lothar Matthäus. Gebracht hat es ihm nichts. Gewonnen hat er nur, als er seinen Weg ohne Comebacks weiterging. Zum Beispiel vorm EM-Sieg 1996.

Zur Ehrenrettung sei gesagt: Vogts hatte keine Wahl. Es gab keine besseren Spieler als die, die er zurückgeholt hat. Löw hat mehr Auswahl. Antonio Rüdiger wird seine Verletzung auskurieren und mit Niklas Süle ein Bollwerk bilden. Was die tapsigen Verteidiger von Hamburg jetzt brauchen, ist etwas, das die Deutschen ungern aufbringen: etwas Geduld.

"Tatü TAH TAH! Jetzt hat Deutschland den EM-Alarm"

Jetzt heißt es trotz drei Siegen zum Start in die EM-Quali doch wieder zittern. Haben Deutschland und Holland nach Abschluss der Gruppenphase die gleiche Punktzahl, ziehen die Löw-Spieler den Kürzeren.

*Jenes 4:4 damals gegen Schweden war der Ausrutscher in einer Qualifikation, die am Ende nicht nur zur WM-Teilnahme 2014 führte, sondern mit dem Weltmeistertitel in Rio de Janeiro sogar einen krönenden Abschluss erlebte. Da tat das 2:4 ein paar Wochen später gegen Argentinien danach nicht weh. Die Final-Revanche in Düsseldorf war nur ein Testspiel und kein Pflichtspiel.

Heute im Fernsehen

18 Uhr, DAZN: England - Bulgarien

Was sonst noch so los ist

Fever Pit'ch Podcast: Andreas Rettig im großen Interview

In der neuen Ausgabe von Fever Pit'ch hat Pit Gottschalk mit Andreas Rettig kurz vor dessen Abschied beim FC St. Pauli gesprochen. Im großen Interview schaut Rettig auf seine Karriere als Fußballfunktionär zurück, diskutiert über den Zustand der Bundesliga, die gesellschaftliche Verpflichtung des Profifußballs und wie er auf sein Wirken in der Bundesliga schaut. Das heißeste Thema: Pyrotechnik im Derby.

WM-Affäre: Eine Spur zu heiß

In der Affäre um Millionen-Schiebereien vor der WM 2006 weisen viele Indizien ins TV-Rechte-Geschäft. In den Anklageschriften der deutschen und der Schweizer Justiz findet sich dazu jedoch erstaunlich wenig. Ausgerechnet durch den DFB könnte sich noch etwas tun in der Sache: Der Verband beauftragte jüngst externe Rechercheure, den seltsamen Verbindungen zwischen dem TV-Rechtehändler Infront und dem deutschen Fußball nachzuspüren.

Alle mal herschauen!

Das Quiz: Wie gut kennt Ihr Diego Maradona und seine Karriere?

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