Rangnicks Österreich lernt die härteste Lektion zur falschen Zeit
Österreichs Nationaltrainer Ralf Rangnick äußert sich kritisch nach einer unnötigen Niederlage.

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Fünf Minuten Nachspielzeit in Bukarest, und Ralf Rangnick wird zum Zeugen seiner eigenen Lehrstunde. Der Mann, der einst deutschen Vereinen das Gegenpressing beibrachte, muss zusehen, wie seine österreichische Nationalmannschaft die primitivste aller Fußballweisheiten ignoriert: In der Nachspielzeit spielt man den Ball in die Ecke, nicht in die Mitte. „Das war sicherlich deppert von uns“, wird Rangnick später sagen, und selten klang ein Dialekt so schmerzhaft präzise.
Virgil Ghita, Zweitligaverteidiger aus Hannover, wird zum unwahrscheinlichen Helden einer rumänischen Mannschaft, die eigentlich nichts mehr zu gewinnen hatte. Sein Kopfball in der fünften Minute der Nachspielzeit verwandelt Österreichs komfortable Ausgangslage in ein Vabanquespiel. Aus einem Zwei-Punkte-Vorsprung auf Bosnien-Herzegowina wird plötzlich eine Zitterpartie, bei der sogar Rumänien noch mathematische Chancen auf das direkte WM-Ticket besitzt. Die Niederlage in Rumänien gefährdet das direkte WM-Ticket für Österreich auf eine Weise, die niemand für möglich gehalten hätte.
Was Österreich lernen muss
Drei Tage zuvor hatte Österreich San Marino mit 10:0 demontiert, ein Rekordsieg, der Euphorie auslöste. Doch Tore gegen San Marino sind wie Monopoly-Geld: Sie sehen beeindruckend aus, haben aber keinen realen Wert, wenn es darauf ankommt. In Bukarest zeigte sich, dass Rangnicks Team noch immer nicht gelernt hat, was erfolgreiche Mannschaften auszeichnet: die Fähigkeit, ein Spiel tot zu machen, wenn es tot sein muss. Rangnick beklagt mangelnde Cleverness in der Schlussphase eines Spiels, doch das Problem liegt tiefer.
Es ist die alte österreichische Krankheit: Man spielt ansehnlichen Fußball, erntet Lob für mutige Auftritte, aber wenn es um die entscheidenden Punkte geht, fehlt die Kaltschnäuzigkeit. Der Vorsprung auf Platz zwei beträgt nur noch zwei Punkte, ein Endspiel droht. Am 18. November in Wien gegen Bosnien-Herzegowina wird sich zeigen, ob Rangnicks Mannschaft aus Bukarest die richtigen Lehren gezogen hat. Vorher wartet noch Zypern, eigentlich ein Pflichtsieg, aber nach Bukarest weiß man: Eigentlich gibt es im Fußball nicht.
Rangnicks Wut ist verständlich, aber sie offenbart auch ein Paradoxon seines Trainerdaseins. Er predigt Kontrolle durch Intensität, doch manchmal braucht Fußball das Gegenteil: kontrollierte Passivität. In Bukarest wurde Österreich Opfer seiner eigenen Ambitionen. Die WM 2026 ist noch nicht verloren, aber der Weg dorthin wurde unnötig kompliziert. Durch eine einzige depperte Aktion.