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Herr Neuer, wir müssen reden!

Sein Interview rüttelte den FC Bayern durch. Es bleibt die Frage: Was wollte Manuel Neuer bezwecken? Alles sieht nach Trennung aus.

Manuel Neuer beim FC Bayern: Wie lange noch? Foto: Imago / Ulrich Wagner
Manuel Neuer beim FC Bayern: Wie lange noch? Foto: Imago / Ulrich Wagner

Inhaltsverzeichnis

Guten Morgen, liebe Fußballfreunde!

Ich hätte einiges dafür gegeben, dass ich das Interview mit Manuel Neuer führe. Schlagzeilenträchtige Gespräche, die einen Blick hinter die Kulissen erlauben, sind meine Spezialität. Den Zuschlag aber bekamen meine lieben Kollegen Raphael Honigstein (The Athletic) und Philipp Selldorf (Süddeutsche Zeitung), zwei sehr angesehene Sportjournalisten und ausgewiesene Fachleute für parapsychologische Gesprächsführung mit Individuen in komplexen Mannschaftsgebilden. Man kann sie nur beneiden: Ihr Interview hat ein Echo ausgelöst, das international hallt.

Dass beide über die Entstehung des Interviews und mögliche Nebenabsprachen schweigen, was bei den Fragen auftauchen durfte und was nicht (und vor allem: in welcher Tonlage), ist durchaus branchenüblich. Manuel Neuers Aussagen finden, so ganz grundsätzlich, auch ohne Verstärker Gehör. Wenn der Kapitän des FC Bayern (und der Nationalmannschaft) Ungerechtigkeit empfindet und seelisches Leid öffentlich zum Ausdruck bringt, entfalten seine Sätze eine ganz eigene Verbreitung. Als Journalist ist man gerne daran beteiligt.

In der Analyse stelle ich mir nur die Frage: Was wollte Manuel Neuer mit seinem vorgetragenen Weltschmerz erreichen? In den Arbeitsverträgen der Profispieler werden Alleingänge in der Presse untersagt; Verstöße sind strafbewehrt. Weil Interviews, bevor sie erscheinen, gegengelesen werden ("autorisiert"), sind alle Befunde über sein Verhältnis zu den Bayern-Bossen nicht zufällig herausgerutscht, sondern bewusst gesetzt. Er wird gewusst oder erfahren haben, dass sich das Interview nicht zur Vertrauensbildung eignet. Was also bezweckte Neuer?

Meine Vermutung: den endgültigen Bruch. Er kann ja nicht davon ausgehen, dass er seinen Machtkampf gegen Sportvorstand Hasan Salihamidzic gewinnt, nur weil er seinen Torwarttrainer vermisst. Er gibt zu erkennen, dass die Handlungsweise seines Trainers Julian Nagelsmann allenfalls eine professionelle Zusammenarbeit erlaubt und keine von Herzen. Dummerweise läuft Nagelsmanns Vertrag (bis 2026) länger als seiner (bis 2024). Ende März wird Manuel Neuer 37 Jahre alt - er verkörpert bestenfalls die Gegenwart des FC Bayern, nicht mehr die Zukunft.

Ein Abschied im Sommer würde ihm die Möglichkeit eröffnen, den Vorruhestand mit sattem Vermögensausbau vielleicht dort zu verbringen, wo schon Cristiano Ronaldo die Mitte der Fußballwelt vermutet. Oder missionarische Arbeit in jenen Entwicklungsländern zu leisten, die bald ein WM-Turnier veranstalten und einen Weltmeister mit Reputation benötigen. Man weiß es nicht. Was ich sagen will: Das Interview, das jetzt erschienen ist, hat noch längst nicht alle Fragen in der Causa Neuer beantwortet; es gibt mehr als vorher. Herr Neuer, wir müssen reden!

Einen ausgeglichenen Montag wünscht

Euer Pit Gottschalk


Herr Neuer, das Interview war kein Fehler

Seit Freitagabend diskutiert, twittert, echauffiert sich ganz Deutschland darüber, ob Manuel Neuer das machen durfte: ein Interview geben! Einfach so. An der Pressestelle des FC Bayern vorbei, das auch noch!! Also illegal!!! Ganz schön viele Journalisten bewerteten nicht, was der Bayern-Kapitän sagte, sondern fragten, ob er überhaupt etwas sagen durfte. Arbeitsvertrag, Loyalität und so.

Verrückt. Wieder einmal wurde mir klar: Wir leben im Land der Ordnungshüter.

Ich sage: Danke, Manuel Neuer! Danke, dass Sie daran gedacht haben, dass Fußball ein Unterhaltungsbetrieb und deshalb nicht mit dem normalen Arbeitsleben vergleichbar ist. Danke, dass Sie ohne Rücksicht auf Verluste gesagt haben, was Sie denken. Das erleben wir heute im Fußball quasi nicht mehr. Hier geht das Gesagte sonst bei 95 Grad durch drei Vor- und Hauptwaschgänge der Berater und Pressestellen und strahlt nach dem Schleudern septisch weiß.

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FC Bayern: Nagelsmann macht Neuer Ansage
Julian Nagelsmann spricht beim Spiel gegen den VfL Wolfsburg erstmals zur Neuer-Thematik. Bei SPORT1 übt er Kritik und hat einen deutlichen Hinweis an seinen Keeper.

"Könnten wir aus 'Mir wurde das Herz herausgerissen' vielleicht 'Der nächste Torwarttrainer ist immer der wichtigste' machen, Herr Neuer?"

"Herr Neuer, wäre statt 'Ein Schlag, als ich bereits am Boden lag' vielleicht besser, wir autorisieren: 'Ich denke nur von Torwarttrainer-Entlassung zu Torwarttrainer-Entlassung'?"

Früher war offenes Visier. Heute sagen Fußballer aus Angst vor Ärger gar nichts mehr. Ja, selbst Humor geht nicht. Denn der kleinste Scherz ruft sofort die angeschlossene Interessengruppe auf die Barrikaden.

Bei der letzten WM, als unsere Nationalspieler in der Causa Kapitänsbinde besonders deutlich gar nichts sagten, haben wir es besonders deutlich gemerkt: Die Zeiten haben sich geändert. Mut kann teuer werden. Wir waren alle enttäuscht von unseren Helden.

Aber jetzt schreit Deutschland: "Was erlauben Neuer? Geht gar nicht!"

Wissen wir vielleicht selbst nicht, was wir wollen?

Illustration: Jens Uwe Meyer / bergfest.at

Jedenfalls: Danke, Manuel Neuer, dass Sie es diesmal anders gemacht haben: Einfach raus mit den Gedanken! Danke, dass wir ungefiltert erfahren haben, was beim großen FC Bayern wo im Argen liegt. Dass der (einst) beste Torwart der Welt genervt ist von den ansonsten gottgleich wirkenden Bayern-Bossen, ist ja, ganz unabhängig von der Loyalitätsfrage, eine journalistisch wertvolle Information.

Wir wissen nun zum Beispiel dank Manuel Neuer, dass es sich Hasan "Brazzo" Salihamidzic, Sportchef und Abteilungsleiter Empathie beim FC Bayern, nun mit einer weiteren Klublegende verscherzt hat. Also nach Triple-Trainer Hansi Flick zum Beispiel und nach dem öffentlich ausgetragenen Streit mit Weltfußballer Robert Lewandowski.

Ach ja, Serge Gnabry wird nach dem jüngsten Amateurhaft-Vorwurf von Salihamidzic auch nicht gerade einen Brazzo-Fanclub gründen. Wann erscheint eigentlich das Gnabry-Interview?

Das muss man alles in der kurzen Zeit erst mal hinkriegen, Brazzo.

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Danke aber auch dafür, Manuel Neuer, dass Sie uns Ihre eigenen Fehler und Eitelkeiten ungewollt frei Haus geliefert haben. Das Interview bei "The Athletic" und in der "Süddeutschen Zeitung" hat nämlich ganz gut gezeigt, dass Sie beileibe kein Gott sind, eher ein Mensch: uneinsichtig, nörgelnd, ich-bezogen.

Dass Sie arge Probleme damit haben, eigene Fehler einzugestehen und in tropfenden Hotelzimmern zu wohnen (geht mir übrigens genauso), wissen wir jetzt obendrein.

Manuel Neuer, Sie haben viele Fehler gemacht. Dieses Interview war keiner.

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