Merz und die Fußballfans: Wenn Politik auf Kurvenkultur trifft
Friedrich Merz' Äußerungen zur Sicherheit in Fußballstadien stoßen auf heftige Kritik.

IMAGO/Justus Stegemann
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Friedrich Merz hat auf einer DFL-Veranstaltung über Sicherheit in Stadien gesprochen. Was dabei herauskam, war ein Lehrstück über die Entfremdung zwischen Politik und Fankultur. Der Bundeskanzler sprach davon, dass man das, was dort von den Fans kommt, einigermaßen unter Kontrolle halten müsse. Ein Satz, der tief blicken lässt.
Linda Röttig vom Dachverband der Fanhilfen reagierte scharf: Die Äußerungen machten sie fassungslos und wütend. Merz stelle ohne jegliche Sachkenntnis Fans pauschal ins Abseits und zeichne ein Bild der Sicherheitslage, das mit der Realität nicht übereinstimme. Sie spricht von populistischen Parolen – ein harter, aber nachvollziehbarer Vorwurf.
Die Kritik von Fanseite zeigt die tiefe Diskrepanz zwischen politischer Wahrnehmung und der Realität in deutschen Stadien. Während Merz die Fanszene als Problem definiert, das kontrolliert werden muss, erleben Millionen Menschen Woche für Woche friedliche Fußballspiele. Die Gewaltstatistiken im deutschen Profifußball sind seit Jahren rückläufig. Die überwältigende Mehrheit der Fans verhält sich vorbildlich.
Fatales Signal vom Kanzler
Besonders aufschlussreich ist Merz‘ Formulierung, die Fanszene sei Ausdruck der gesellschaftspolitischen Entwicklung – sogar der parteipolitischen Entwicklung. Hier offenbart sich ein grundlegendes Missverständnis: Fankultur ist keine politische Bewegung, die es einzuhegen gilt. Sie ist gelebte Vereinsidentität, soziale Heimat und für viele der wichtigste Anker in einer zunehmend fragmentierten Gesellschaft.
Wenn der Bundeskanzler vor Wirtschaftsvertretern der DFL über Fans spricht, ohne mit ihnen gesprochen zu haben, sendet das ein fatales Signal. Es verstärkt das Gefühl vieler Anhänger, von der Politik nicht verstanden, sondern nur als Sicherheitsrisiko wahrgenommen zu werden. Dabei leisten Fanprojekte und Fanhilfen seit Jahrzehnten wertvolle Präventionsarbeit – meist ehrenamtlich und oft gegen Widerstände.
Die Fanhilfen werden Merz‘ Aussagen beim anstehenden Jahrestreffen diskutieren. Sie täten gut daran, den Bundeskanzler einzuladen. Nicht zur Belehrung, sondern zum Dialog. Denn wer über Fans redet, sollte auch mit ihnen reden. Das wäre ein Anfang, um die Kluft zwischen Kanzleramt und Kurve zu überbrücken. Kontrolle ist keine Lösung. Verständnis schon eher.



