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Meine fünf Gewinner der Woche
Was dem Kolumninsten bei den Hinspielen im Champions-League-Halbfinale besonders viel Spaß gemacht hat
Eigentlich sollte dieser Text meine Gewinner der Champions-League-Woche aus deutscher Sicht auf möglichst ausgeglichene Weise präsentieren. Es sind jetzt aber fast nur Dortmunder geworden.
Das Halbfinal-Fernduell endete 80003:1. Sorry, FC Bayern.
Warum? Weil ich auf die Bayern sauer bin. Und je besser sie spielen, desto saurer. Jeder starke internationale Auftritt ist eigentlich nur ein weiteres Beweismittel dafür, wie unmotiviert sie in der Bundesliga waren. Nun könnte das einem Kolumnisten egal sein, doch ich sitze jeden Samstag auch als Fußballfan vor dem Fernseher und habe deshalb ein Recht auf motivierte Bayern. Nun gut.
Meine fünf Gewinner der Woche waren gar nicht so leicht festzulegen. Mats Hummels, der nach dem furiosen Dortmunder 1:0 gegen Paris St. Germain zum „Man of the Match“ gekürt wurde, gehört zum Beispiel nicht dazu. Ich finde auch nicht, dass er in den EM-Kader muss. Bei der EM spielen wir in der Gruppenphase gegen Mannschaften, die auf Konter setzen – das Gegenteil von Paris also – und brauchen deshalb schnelle Innenverteidiger.
Okay, gegen Paris hat Hummels aber sehr gut gespielt und mitgeholfen, das Tor zu Wembley weit aufzustoßen, obwohl ich mich ein paar Mal gefragt habe, wo dieses Tor denn stehen soll, von dem alle reden, denn ich habe es noch nicht gesehen.
Zu den Gewinnern zählt ebenfalls nicht DAZN. Wer 80.000 frenetisch „You’ll Never Walk Alone“ singende Menschen einfach mittendrin in den Werbeblock schickt, hat den Fußball nie geliebt.
Ihr seht, ich baue Spannung auf. Das habe ich vom BVB gelernt. Also.
Erster Gewinner, mit Abstand: die BVB-Fans
Ich weiß nicht, ob man es es wissenschaftlich belegen kann, aber ich glaube, sie waren noch nie so laut wie am Mittwoch. Diesen Menschen kann man nichts vormachen, und doch stehen sie zu 150 Prozent hinter ihrem Klub. Das sind übrigens etwa 80 Prozent mehr, als es die Bayernspieler 2024 von sich behaupten können.
Die BVB-Fans haben gegen Paris gelungene Abwehraktionen frenetischer bejubelt, als dies anderswo Fans bei entscheidenden Toren ihrer Mannschaft in der Nachspielzeit tun. Sie haben auf dem Weg zum Stadion die schönste Demo Deutschlands abgeliefert. Sie gingen für kein Kalifat auf die Straße, nicht für eine 30-prozentige Lohnerhöhung, sie forderten keinen Kommunismus. Sie taten’s für die Liebe.
Zweiter Gewinner: Edin Terzic
Ich gebe zu, dass ich es nicht für möglich gehalten habe, dass er eines Tages in einem Atemzug mit nur zwei anderen großen Trainern genannt werden muss, die mit dem BVB das Halbfinale der Champions League erreicht und dort ein Spiel gewonnen haben.
Ottmar Hitzfeld, Jürgen Klopp, Edin Terzic.
Dritter Gewinner: Karim Adeyemi
Nur im Fußball darf man jemandem liebevoll anlasten, dass er einen Nagel im Kopf hat. Von ihm habe ich das schon oft gehört. Ich würde diesen Nagel gern mal sehen, denn es ist ein toller Nagel. Der Linksaußen rannte gegen Paris bis kurz vor Besinnungslosigkeit, denn er spielte quasi alle Positionen außer Torwart. Der Münchner war Kehrmaschine im eigenen Strafraum, Balldieb kurz davor, und seine pfeilschnellen Konterläufe entlockten mir und allen Dortmundern ziemlich laute Laute der Verzückung. Völlig klar, dass dieser Mann mit zur EM muss: als Odonkor 2.0.
Vierter Gewinner: Niclas Füllkrug
Wenn es nicht so traurig wäre, weil nach seinem knallharten 1:0 der hilflos eingreifende Lucas Hernández von Platz humpeln musste, würde ich schreiben: Wo „Lücke“ schießt, wächst kein Kreuzband mehr. Er hat aber gegen Paris nicht nur getroffen, als es darauf ankam, sondern auch sonst wirklich gut gespielt.
Fünfter Gewinner: Konrad Laimer
Wenigstens ein Bayer also. (Okay, aus Österreich.) Rannte beim 2:2 gegen Real Madrid alles nieder, gewann Zweikämpfe, tauchte sogar für Fernsehzuschauer, die ja das ganze Feld überblicken und die deshalb kein Laufweg überraschen kann, völlig überraschend immer wieder an den richtigen Stellen auf. Laimer ist als Talent nicht in den Fußballkessel gefallen, aber er macht das Allerbeste draus.
Kurz: Champions League gucken war diese Woche eine Spitzenwahl, mit mehreren Überhangmandaten für Dortmund.
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