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Holding Six beim FC Bayern: Wer verpokert sich?

Bayern München gab ein Vermögen für neue Spieler aus. Trainer Tuchel reicht das nicht. Er will was Besseres als Kimmich

Foto: Imago / ActionPictures

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Die Bayern waren bei ihren Transfers zur Saison 2023/24 so mutig wie noch nie. Kane und Kim, Laimer und Guerreiro - allein dieses Quartett kostet mit Ablösen, Jahresgehältern und Vorabzahlungen in Summe ein Vermögen. Und trotzdem: Der Trainer ist nicht ganz zufrieden. Thomas Tuchel will eine "Holding Six".

Holding Six: Dieser Begriff ist erstens neu im deutschen Fußball-ABC und soll die Rolle des defensiven Mittelfeldspielers beschreiben. Er hält zusammen, was die Offensive an Lücken hinterlässt. Früher hätte man gesagt: ein Libero vor der Abwehr. Heute also: Holding Six. Übersetzt: eine haltende Sechs. Ein Sechser.

Eine Holding Six ist nicht zu verwechseln mit "Texas Hold'em" aus der Pokerei, gleichwohl Tuchel genau das tut: pokern. Texas Hold'em bezeichnet "allgemein all jene Poker-Varianten, bei denen fünf offene Karten in die Mitte des Tisches gelegt werden", so Wikipedia. Bei Bayern legt gerade niemand seine Karten offen hin.

Im Gegenteil. Es ist noch nicht ganz klar, warum Tuchel bei jeder Gelegenheit darauf hinweist, dass sein zentrales Mittelfeld zu dünn besetzt ist (nur Kimmich! nur Goretzka!), somit der Wunsch nach einer Holding Six im Raum steht, und er gleichzeitig nicht wirklich eine Forderung gestellt haben will. Es ist: kompliziert.

Was hängenbleibt: dass er als Taktikfuchs seine Vorstellung von einem gepflegten Fußballspiel nicht erfüllt sieht, wenn Joshua Kimmich die Fäden zieht. Der Gedanke ist nachvollziehbar. Kimmich enttäuscht seit langem Erwartungen an einen Weltklasse-Sechser, wie er unwidersprochen genannt wurde.

Dummerweise gilt Kimmich als Lieblingsschüler des Klubpatriarchen Uli Hoeneß, der den Erfolgshunger eines Spielers immer höher bewertet hat als gewiefte Laufwege. Tuchel muss hier manövrieren: einerseits Wünsche artikulieren und andererseits keinen Bruch riskieren. Er macht das bislang gut.

Nur wie reagiert eine Mannschaft darauf, dass der eigene Trainer öffentlich zentrale Persönlichkeiten infrage stellt? Eben, hier liegt ein unkalkulierbares Risiko. Tuchel hat seinen Wunsch auf Verbesserung eine Spur zu häufig geäußert. Er wäre nicht der erste Bayern-Trainer, der die Macht der Spieler unterschätzt.

Man kennt das aus Filmen: Der eine Pokerspieler legt seine Karten siegessicher auf den Tisch und schaut seinem Gegenspieler lächelnd ins Gesicht. Der andere aber erwidert das Lächeln mit einem Zucken in den Mundwinkeln und übertrumpft die Karten mit Royal Flush. Am besten mit fünf Sechsen oder so.

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