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Finale, Finale

Unser Autor war beim DFB-Pokalfinale. Und freut sich, dass wir in mancher Disziplin den Franzosen deutlich hinterherhinken…

|2. Juni 2025|
Foto: Adobe / kenkuza
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Inhaltsverzeichnis

Das letzte Mal in Paris war ich 2016. Finale der Fußball-Europameisterschaft der Herren, Frankreich gegen Portugal. Wie bis dato bei allen großen Turnieren hatte ich mich im Vorfeld um vier Finaltickets der Kategorie 1 beworben. Und noch nie auch nur einen Blumentopf gewonnen. Als dann urplötzlich die Email kam, mir gratulierend zu eben diesen vier Finaltickets und versehen mit dem Hinweis, mir würden jetzt sofort ca. 4,8 Phantastillarden Euro von meiner Kreditkarte abgebucht, da hab ich mich zur Freude ein bisschen zwingen müssen. Anreise kommt ja auch noch obendrauf – und finde mal ein akzeptables Hotel in Paris, zumal während des großen Turniers.

Als die Deutschen dann im Halbfinale verloren haben, ist die Hälfte der Reisegruppe ausgestiegen. Man müsse ja nun auch arbeiten am Montag, daher sei Rückreise noch in der Nacht alternativlos – und überhaupt sei das ganze Projekt jetzt zu anstrengend. Am Ende bin ich mit dem 14-jährigen Sohn hingefahren, und die zwei überschüssigen Tickets bin ich kaum losgeworden. Der neuzeitliche Portugiese ist offenbar nicht mehr ganz so reiselustig wie zu Zeiten des Vertrages von Tordesillas, Kohle auch schwierig, und der Franzose, nun ja, was soll ich sagen?

Paris 2016

Auf dem Schwarzmarkt vor dem Stade de France wurden wir von den Profis ausgelacht – noch nie sei es so beschissen gewesen für die Händler vor einem großen Spiel. Die Karten daher nach fast 36 Stunden immer verzweifelterer Verkaufsversuche (der Typ auf dem Tour Montparnasse war der vielversprechendste) kurz vor knapp für 2 Äpfel und 1 Ei abgegeben, und am Ende blieben die Plätze neben uns leer.

Da unsere Kategorie-1-Plätze null Sicht zur auf der Haupttribüne gar nicht weit weg von uns erfolgenden Pokalübergabe ermöglichten (irgendein Stahlbetonträger), sind wir relativ bald nach Schlusspfiff gegangen. Haben die erste Metro gleich bekommen. Haben zwei Sitzplätze bekommen neben zwei Frauen, die sich über alles außer das Spiel unterhielten (die Franzosen, was soll ich sagen…) und konnten in der Folge die Champs Elysees rauf und runterwandern. Und konnten – mittendrin statt nur dabei – von Anfang an mitverfolgen, wie das läuft in Paris bei solchen ganz großen Spielen. Konnten sehen, wie sich da ein gewaltiger und gewalttätiger Mob versammelt, der sicher nicht im Stadion war und das Spiel höchstwahrscheinlich gar nicht gesehen, geschweige denn sich dafür überhaupt interessiert hat. Bin jetzt kein Paris-Experte, tippe aber, das waren Leute, die einzig und allein deshalb kommen, weil es gewaltige Krawalle gibt, und da muss man ja nun dabei sein. Zumal es ja auch nicht nur um Gewalt geht, sondern nicht zuletzt darum, die lokalen Geschäfte aufzubrechen und zu plündern und sie danach anzuzünden. In Paris Mitte durchaus lukrativ. Die Polizei weiß das natürlich auch, versucht früh, einzelne Bereiche abzuriegeln, verdichtet damit die Situation und hat möglicherweise auch Lust auf ein wenig Action. Auf jeden Fall brach da dann eine Hölle los, gegen die mitunter in unseren Städten passierende Ausschreitungen einschließlich früherer 1. Mai-Krawalle in Kreuzberg 36 wie ein lauwarmes Nasenwasser daherkommen. Und seit ich da am 10. Juli 2016 einmal ziemlich nah dran war, verfolge ich mit gewissem Interesse, dass das in Paris, in Frankreich durchaus normale Härte ist bei vergleichbaren Großereignissen. Sie müssen ja nicht mal in Frankreich stattfinden, diese Großereignisse, siehe das aktuelle CL-Finale.

Mit dem Jungen mich dann irgendwann in Richtung Hotel zurückgezogen, das total nah dran war, aber trotzdem in einer vergleichsweise ruhigen Seitenstraße. Belmont hieß das, das war fein.

Berlin 2025

Und jetzt warum schreib ich das? Ich schreibe das, weil ich zwar kein „absolut reines Gewissen“ (C. Daum, er ruhe sanft) habe, aber ja nun bekanntermaßen neulich mal wieder in Berlin sein durfte, Pokalfinale, #nurderVfB. Und obwohl mir größere Ansammlungen farbentragender, zumeist männlicher, fast ausschließlich betrunkener Fußballfans mit zunehmendem Alter zunehmend unangenehm werden, soll es doch an dieser Stelle mal gesagt sein: Wie nice war das! Die ganze große Stadt voller Irrer in Trikots, Hundertausende, häufig sogar wild durcheinandergemischt – und es passiert quasi überhaupt nichts. Keine Gewalt, keine Zerstörungen, keine Plünderungen. Friedliche Co-Existenz bis hin zu gemeinsamen Besäufnissen – in Zeiten wie diesen mag man es kaum glauben, dass so etwas überhaupt noch möglich ist. Wenige Ausnahmen (angebliche Biergartenzerlegung einiger Stuttgarter) bestätigen die Regel, auch wenn sie, sollte es tatsächlich so passiert sein, nicht zu entschuldigen sind.

Vor dem Match, Gedächtniskirche, Breitscheidplatz die Schwaben, sich vom doofen „getragen von Stolz“ und vom „furchtlos und treu“ nicht kirre machen lassend, am Alex die Ostwestfalen mit ihrem Arminius, in den Seitenstraßen überall Aufeinandertreffen kleinerer Fangruppen beider Lager – und nix. Keine Schlägerei, keine Randale. Nur Freude aufs Spiel. Und danach Freude übers Spiel.

Vielleicht ist bezüglich derartiger Großereignisse doch noch nicht aller Tage Abend. Vielleicht ist noch Hoffnung. Zumindest beim DFB-Pokal. Zumindest, wenn zwei Clubs aufeinandertreffen, die jetzt nicht sofort irgendwelche Feindschaften pflegen, Fanfreundschaften zu den falschen Clubs ahnden oder ähnlichen Scheiß von wegen „Ehre“ etc. klären müssen. Schön war das auf jeden Fall zu sehen, dass wir diesbezüglich noch weit hinter den Franzosen hinterherhinken. Aber was soll ich sagen, die Franzosen…