FIFA feiert Ticket-Rekord – und ich frage mich: In welcher Welt leben die eigentlich?

Fast 6000 Euro kosten die Eintrittskarten für alle deutschen WM-Spiele bis zum Finale. Sechstausend - ohne Flug, ohne Hotel, ohne Bier vorm Stadion

|13. Dezember 2025|
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Foto: Imago / Schüler

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Zuerst sah ich die ARD-Kacheln auf Instagram. Sachlich gestaltet, kühl präsentiert – und dann diese Zahl: fast 6.000 Euro für alle deutschen WM-Spiele bis zum Finale. Ich blieb hängen. Rechnete nach. Rechne noch einmal. Und war geschockt.

6.000 Euro. Nur für Tickets. Kein Flug, kein Hotel, kein Bier vor dem Stadion.

Kurz darauf fiel mir eine SID-Meldung in die Hände. Die FIFA zieht demnach ein positives Zwischenfazit. Fünf Millionen Ticket-Anfragen in 24 Stunden. Riesiges Interesse. Globale Begeisterung. Ich legte das Handy weg und dachte nur: In welcher Welt leben wir eigentlich?

FIFA und Fans: Zwei Wirklichkeiten und dazwischen ein Abgrund

Auf der einen Seite feiert sich die FIFA für Rekorde. Auf der anderen Seite stehen Fans, die rechnen müssen, ob sie sich überhaupt ein einziges Spiel leisten können. Dieser Widerspruch ist nicht neu – aber selten war er so brutal sichtbar wie jetzt.

Wer dem deutschen Team bei der WM 2026 von der Gruppenphase bis ins Finale folgen will, zahlt im günstigsten Fall rund 5.975 Euro. Drei Gruppenspiele, dann Sechzehntel-, Achtel-, Viertel- und Halbfinale – und am Ende ein Finale, das allein mit 3.580 Euro zu Buche schlägt. Das ist kein Fußballromantik-Problem. Das ist ein handfestes Realitätsproblem.

Ich habe mir die Zahlen angeschaut, Spiel für Spiel. 155 Euro hier, 190 Euro dort, 230 Euro gegen Ecuador. Das klingt einzeln vielleicht noch machbar. Aber das WM-Turnier funktioniert nicht in Einzelteilen. Eine Weltmeisterschaft ist ein Gesamterlebnis. Und dieses Gesamterlebnis ist für viele deutsche Fans schlicht unbezahlbar geworden.

Nachfrage ist nicht gleich Leidenschaft

Die FIFA verweist auf fünf Millionen Ticket-Anfragen aus über 200 Ländern. Das klingt beeindruckend – und soll genau das auch sein. Doch Anfragen sind noch keine Stadionbesuche. Und sie sagen vor allem nichts darüber aus, wer sich diese Tickets leisten kann.

Nachfrage misst Zahlungsfähigkeit, nicht Leidenschaft. Sie misst Klicks, nicht Fankultur. Und sie blendet aus, dass viele dieser Tickets nicht über die Nationalverbände, sondern über globale Verkaufsphasen laufen – fernab derjenigen, die ihrem Team seit Jahren folgen, bei Wind und Wetter, in Freundschaftsspielen und Qualifikationen.

Während der Weltverband Rekorde zählt, zählen Fans ihr Kleingeld. Und oft reicht es hinten und vorne nicht.

Wenn der Fußball seine Basis verliert

Fanorganisationen sprechen von „horrenden Preisen“. Der DFB zeigt sich irritiert, verweist aber auf fehlenden Einfluss. Am Ende bleibt das Gefühl, dass sich hier ein System selbst genügt. Ein System, das sich an Zahlen berauscht und vergisst, was diesen Sport einmal groß gemacht hat.

Fußball war nie ein Event nur für Wohlhabende. Er lebte davon, dass Menschen sich ihre Wochenenden, ihre Urlaube, manchmal ihr letztes Geld für ein Spiel zusammensparten. Heute spart man nicht mehr – man verzichtet.

Was hier entsteht, ist keine Weltmeisterschaft für alle. Es ist ein Prestige-Projekt, das Fans aussortiert. Nicht offiziell, nicht mit Verboten – sondern über Preise.

Der eigentliche Schaden ist unsichtbar

Die WM-Stadien werden 2026 voll sein, gar keine Fragen, und die Spiele als TV-Produkt auf Vordermann gebracht. Die Bilder werden perfekt sein. Aber etwas wird fehlen. Nicht messbar, nicht bezifferbar, nicht in Anfragen auszudrücken: echte Nähe zwischen Mannschaft und Fans.

Wenn ein Turnier für viele nur noch am Bildschirm stattfindet, weil das Stadion unerschwinglich geworden ist, dann verliert der Fußball mehr als ein paar Kritiker. Er verliert seine Glaubwürdigkeit. Dann ist ein Fußballspiel genau das: ein Event, perfekt inszeniert fürs Fernsehgerät.

Ich sehe schon die Influencer, wie sie auf Einladung von Sponsoren ihre Videos und Selfies von den Tribünen posten und ein herzliches „Amazing!“ in die Welt posaunen. Das ist die Welt, in der unser Fußball angekommen ist. Der Influencer muss keinen Euro zahlen, er macht einen Deal. Amazing!

Rekorde ohne Realitätsbezug

Vielleicht liegt genau hier das Problem der FIFA: Sie lebt in einer Welt der Rekorde, der Zahlen, der Superlative. Doch Fußball findet nicht in Pressemitteilungen statt. Er findet bei den Menschen statt, die ihn tragen. 6.000 Euro für alle deutschen WM-Spiele – das ist kein Randthema.

Das ist ein Alarmsignal. Und solange der Weltverband dieses Signal als Erfolg verkauft, bleibt nur eine Frage offen: Wer soll diese WM eigentlich noch fühlen – außer denen, die sie sich leisten können?