FC Bayern entdeckt die U21 als Bühne
Die Nachwuchsspieler des FC Bayern setzen im U21-Team des DFB neue Maßstäbe.

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Ein 17-Jähriger, der zwischen Englischklausur und Doppelpack jongliert, ein Kapitän mit Hattrick und ein Rekordmeister, der plötzlich die deutsche Nachwuchsarbeit prägt: Das 6:0 in der EM-Qualifikation gegen Malta war mehr als ein Schützenfest. Es markiert eine Zeitenwende in Münchens Talentförderung.
Lennart Karl winkt seiner Familie zu, Tom Bischof verstaut den Spielball für die heimische Trophäensammlung. Zwei Bayern-Talente, fünf Tore, eine neue Ära. Was in Fürth geschah, war kein Zufall, sondern das Ergebnis einer stillen Revolution an der Säbener Straße.
Während der FC Bayern jahrzehntelang seine Talente entweder zu früh verheizte oder zu spät entdeckte, funktioniert plötzlich das, was andere Vereine vorher perfektioniert haben: der kontrollierte Aufbau über die U21.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Karl ist mit 17 Jahren und 265 Tagen der zweitjüngste Torschütze der deutschen U21-Geschichte, nur Youssoufa Moukoko war jünger. Bischof, mit 19 bereits Kapitän, erzielte einen lupenreinen Hattrick. Beide trafen ausschließlich mit links, beide zeigten eine Reife, die über ihr Alter hinausgeht. Doch die eigentliche Geschichte liegt tiefer.
U21 als Entwicklungsstufe
Bayern München hat die U21 als Entwicklungsstufe lange ignoriert. Bei den Titelgewinnen 2017 und 2021 waren zwar Serge Gnabry und der ausgeliehene Lars Lukas Mai dabei, doch sie bildeten die Ausnahme. Die Regel war: Entweder schaffen es die Talente direkt zu den Profis oder sie verschwinden. Dazwischen lag nichts. Diese Lücke schließt sich nun.
Antonio Di Salvo formuliert es diplomatisch, wenn er über Karl sagt: „Er ist ein junger Bursche, der noch viel lernen muss.“ Doch zwischen den Zeilen schwingt die Erkenntnis mit, dass hier zwei Spieler heranwachsen, die dem deutschen Fußball fehlen: technisch versierte, taktisch geschulte Mittelfeldspieler mit Torgefahr. Keine Arbeiter, sondern Künstler. Keine Systemspieler, sondern Individualisten im positiven Sinne.
Nicht nur Symbolpolitik mit der U21
Die Symbolik von Karls Donnerstag ist dabei nicht zu unterschätzen. Vormittags Englischklausur im DFB-Quartier, drei Tage später Doppelpack im Nationaltrikot. Diese Balance zwischen Normalität und Ausnahmetalent, zwischen Schulbank und Stadion, macht aus Wunderkindern erwachsene Profis. Bayern hat das verstanden.
Was in Fürth begann, könnte die deutsche Nationalmannschaft in den kommenden Jahren prägen. Nicht weil Karl und Bischof die besseren Fußballer sind als ihre Vorgänger. Sondern weil Bayern endlich begreift, dass Talententwicklung Zeit braucht, Geduld erfordert und Umwege erlaubt. Die U21 ist keine Abstellkammer mehr, sondern eine Bühne. Und auf dieser Bühne spielen sie alle mit links.



