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Fan-Eklat in Hoffenheim: Stunde Null in der Bundesliga

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Guten Morgen, liebe Fußballfreunde!

Die Rufe waren nicht zu überhören. Dem Schalker Torwart Alexander Nübel flog der geballte Spott im Stadion um die Ohren, als ihm beim 0:3 in Köln erneut ein Patzer unterlaufen war. "Nübel raus!", schrie der Anhang des FC Schalke so überzeugt, als sei Nübel allein an der Pleite schuld.

Irgendwann platzte Jochen Schneider der Kragen. "Ich habe mich auf der Tribüne mit einem Zuschauer angelegt", erzählte der Sportvorstand hinterher. "Vor zehn Jahren war der Tod von Robert Enke das große Thema, und jetzt beschütten wir einen 23-Jährigen mit Häme."

Aber so ist das in den Fußballstadien heutzutage. Der Herdentrieb in der Fanszene entlockt erwachsenen Menschen die niedersten Instinkte. Da wird nicht groß Rücksicht genommen. Von Dietmar Hopp, schon 79, wird erwartet, dass er alle Beleidigungen auf Plakaten klaglos hinnimmt.

Schlimmer noch: Dass sie dessen Portrait in die Mitte eines Fadenkreuzes setzen und das Plakat aller Welt zeigen, wollen die Ultra-Fans nicht als Drohung verstanden wissen, sondern als Symbol. Aber wehe, man nennt diese Ultra-Fans abwertend "sogenannte Fans". Dann ist die Hölle los.

Man muss dem DFB die Frage stellen, ob sein Drei-Stufen-Plan in diesem Moment nicht sogar zu lasch ist. Zweimal durften sogenannte Fans des FC Bayern am Samstag ihre Schmähung gegen Hopp zeigen, bevor die Spieler beider Mannschaften das 6:0 von Hoffenheim über die Runden schaukelten.

Jochen Schneider machte noch am selben Tag klar, dass bei ihm und seinen Vorstandskollegen die Toleranzgrenze längst erreicht ist. Er will, wenn es beim Pokalspiel am Dienstag gegen die Bayern zu einem weiteren Fan-Eklat kommt, keine zusätzlichen Eskalationsstufen abwarten:

"Sollten im Pokalspiel gegen Bayern München, beim Spiel gegen Hoffenheim oder bei zukünftigen Spielen derartige Vorkommnisse in der Arena sichtbar werden, wird unsere Mannschaft den Platz verlassen - ungeachtet der Spieldauer, des Resultats oder etwaiger Konsequenzen." Jochen Schneider, Sportvorstand FC Schalke 04

Man kann Jochen Schneider zu dieser Haltung nur gratulieren. Spieler und Funktionäre haben unmissverständlich erklärt, dass sie nicht damit einverstanden sind, was die sogenannten Fans in der Liga veranstalten. Vermutlich machen erst Taten den Ernst der Lage deutlich.

Die Bild hat dazu einen Sofortmaßnahmen-Katalog mit sechs Punkten veröffentlicht, der nicht nur einen Stadionfrieden von den Ultras und Klubs fordert, sondern auch die Vereine in die Pflicht nimmt. Manager wie Jochen Schneider könnten besser argumentieren, wenn sie selbst Regeln einhielten.

Man dürfe nämlich von anderen Leuten nur dann die Einhaltung von Anstand und Ordnung einfordern, wenn mal selbst nicht mit Staatsunternehmen aus Ländern paktiert, die die Menschenrechte mit Füßen tritt, so Bild. Gemeint: Schalke und Gazprom, Bayern und Qatar. Ein bestechender Gedanke.

Einen sogenannten Montag wünscht

Euer Pit Gottschalk

Fan-Eklat in Hoffenheim: Stunde Null in der Bundesliga

"Wenn ich nur wüsste, was die Idioten von mir wollen"

Das Skandalspiel zwischen Hoffenheim und Bayern erhitzt die Gemüter. Bei SPORT1 meldet sich jetzt Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp zu Wort. Und man ahnt schon: Das letzte Wort im Fan-Eklat von Hoffenheim ist noch nicht gesprochen.

Von Alex Steudel

Fußball ist die schönste Sportart der Welt. Leider auch eine, die sich mit Veränderung schon immer schwergetan hat. Viele (nicht alle) Ultras und deren Relativierer sind ein gutes Beispiel dafür. Es gibt sie schon seit Jahrzehnten. Sie wollen mitreden, sie wollen gehört werden. Sie finden meistens gut und erhaltenswert, was gestern war.

Das dürfen und sollen sie meinetwegen auch. Jeder hat das Recht auf seine Meinung. Einige Ultras finden aber, und das ist ein Problem, das die Zukunft des Fußballs gefährdet, dass jedes Mittel recht ist, eine Meinung durchzusetzen, wenn die Meinung gut ist. Was "gut" ist, bestimmen sie.

Darum wird Dietmar Hopp attackiert

Schmähplakate gegen Dietmar Hopp und Proteste von Spielern: Die Hintergründe zu den Vorfällen am 24. Spieltag.

"Unterbrechung war absurd"

Die verantwortliche Fanszene FC Bayern hat sich geäußert und rechtfertigt ihre Aktion mit nötiger "Aufmerksamkeit".

Die Reaktionen sehr vieler Menschen an diesem Wochenende haben gezeigt, dass sie das, was diese Ultras gut finden, schlecht finden. Die meisten Fans verstehen, dass man das Rad eben nicht zurückdrehen kann. Fußball ist eine Unterhaltungsindustrie geworden.

Die Ultras wollen dieses Rad unbedingt zurückdrehen. Sie hassen Kommerzialisierung. Vermutlich kicken in ihrer Vorstellung eines Rückveränderungsprozesses die Müllers und Lewandowskis der Liga am Ende wieder für Aufwandsentschädigung. Wie hoch die ist, bestimmen natürlich die Ultras. Weil das aber niemand außer ihnen möchte, beleidigen und bedrohen sie unschuldige Menschen (und manchmal vermummen sie sich dabei).

Außerhalb eines Stadions würde man das Selbstjustiz nennen.

Und damit müsste eigentlich die Diskussion schon beendet sein. Wenn jemand meint, er könne das Recht in die eigene Hand nehmen, ist der Auslöser hinfällig geworden. Es ist dann einfach falsch. Es darf nicht mehr um die Sache gehen. Es muss erst über die Rechtmäßigkeit der Mittel, die angewandt wurden, entschieden werden. Wenn das geklärt ist, kann es wieder um die Sache gehen. So funktioniert ein Rechtsstaat.

Im Stadion hat man den extremen Teil der Ultras aber jahrzehntelang mild beurteilt: Naja, ist halt Fußball, hat man gesagt. Oder, korrekt ausgedrückt: Wir alle haben das gesagt – ob der Fan im Block nebenan, ob der Vorstandsvorsitzende auf der Vip-Tribüne oder ich, der Journalist. Vor 15 Jahren gab es mal Mordddrohungen der Ultras gegen die Bayern-Bosse. Großes Ding in den Zeitungen. Und auch das haben wir irgendwann verdrängt.

Ja, wir waren alle sehr nett zu den Ultras. Wir sind damit selbst auch Teil des Problems.

"Selbstdarsteller gefährden sogar die Stehplätze"

Auch in Dortmund und Köln provozierten sogenannte Fans mit  Spielunterbrechungen. DFB-Präsident Fritz Keller ist geschockt.

Stefan Effenberg hofft auf den FC Bayern

Stefan Effenberg sieht den FC Bayern als Hoffnungsträger und nimmt den DFB in die Pflicht.

Dabei sind diese Ultras vielleicht gar nicht so schlimm. Sie sind ein bisschen wie Kinder. Je mehr man ihnen durchgehen lässt, desto mehr trauen sie sich. Sie versuchen, die Grenzen der Großen auszuloten. Die Grenze war am Samstag in der 77. Minute des Bundesliga-Spiels TSG Hoffenheim gegen Bayern München erreicht. Seither ist alles anders.

Deshalb zählen für mich jetzt auch keine seifigen Argumente, die die Vorgänge relativieren. Es ist egal, wie der Fußball früher mit Rassismus umgegangen ist. Es ist wurscht, welcher Spieler wann Hurensohn genannt wurde. Es ist irrelevant, ob ein härteres Durchgreifen "in Zukunft jedesmal zu Spielabbrüchen führt", wie ein Kollege von mir geschrieben hat. Und ob Hopp ein guter oder schlechter Mensch ist, diese Diskussion führe ich auch nicht; sie ist nämlich irrelevant. Jeder hat das Recht, nicht gefährdet zu werden. Hopp, Schulze, Häberle.

"Klubs haben Ultras zu lange gewähren lassen" (€)

Der Dialog mit konsumkritischen, politisch interessierten Fans  muss konfrontativer werden, im Doppelpass Klubs und Justiz.

Ultras und DFB: Nächste Stufe der Eskalation

Der prominente Fanvertreter Michael Gabriel fordert, dass Verbände und Ultras sich schnell zu Gesprächen treffen.

Die Lage ist ernst. Fußball-Romantiker, die fadenscheinig argumentieren, sollten das begreifen. Es ist jetzt nicht die Zeit für "Und was ist mit...", für diesen Whataboutism. Du kannst auch die Klimakatastrophe nicht abwenden, indem du fragst: "Aber was ist mit den Amerikanern?" Du kannst nicht über Faschisten diskutieren und sagen: "Naja, aber da sind jetzt schon auch ganz schön viele Flüchtlinge hier."

Du kannst ein Problem nur lösen, wenn du dich mit dem Kern des Problems beschäftigst.

Der Fußball schreibt jetzt Stunde Null. Rücke bis auf Los vor. Wir brauchen Pläne (ich habe keinen) und einen Weg. Ob mit den Ultras am Tisch oder ohne sie. Ob mit den überfordert wirkenden Fanbeauftragten und DFB-Bossen am Tisch oder ohne sie. Ob mit Arbeitskreis oder mit Eingreiftruppe. Was wir ganz bestimmt auch brauchen: die Einsicht aller, dass auf beiden Seiten Fehler gemacht wurden. Hauptsache es funktioniert diesmal, und der Hass verschwindet. Vielleicht können wir uns dann auf einen Fußball einigen, den alle mögen.

Wie soll das nun alles weitergehen? (€)

Die Vereine demonstrierten Geschlossenheit. Aber wie sollte die Androhung von Sanktionen gehen?

"Mannschaft verlässt den Platz"

Drohung statt Appell: Der Schalke-Vorstand warnt: Sollten auch S04-Fans beleidigen, würde die Mannschaft den Platz verlassen.

Und auch wenn das nicht klappt, liebe extreme Ultras, will ich am Samstag noch ins Stadion gehen und Spaß haben können. Ich will nicht, dass Fußball gefährlich wird und irgendwann Terror. Für diese Angst in mir seid Ihr jetzt verantwortlich. Wenn ihr etwas verändern wollt, versucht es bitte mit rechtsstaatlichen Mitteln.

Und falls ihr das nicht hinbekommt, weil ihr es nicht könnt oder wollt oder weil eure Angst vor Veränderung zu groß ist, dann lasst uns in Ruhe und geht. Zum Beispiel ins Deutsche Fußballmuseum. Das ist am Dortmunder Hauptbahnhof. Wenn man rauskommt, gleich rechts.

Union Berlin: Hopp-Schmähungen überschatten Remis

Aufsteiger Union Berlin holt gegen Wolfsburg einen Punkt. Doch auch dieses 2:2 ist überschattet von Diffamierungen gegen Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp.

Heute im Fernsehen

20.30 Uhr, Sky: 2. Liga, Hannover 96 - Holstein Kiel

Was sonst noch so los ist

Nach RB-Patzer: Spott von Bayer-Torwart Lukas Hradecky

Nach der 5:0-Gala auf Schalke patzt RB Leipzig im Titelkampf und lässt ein lebloses 1:1 gegen Bayer Leverkusen folgen. Einziger Gewinner des Spiels: die Bayern.

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