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Effenberg: Joachim Löw sollte über Kroos nachdenken

Inhaltsverzeichnis

Guten Morgen, liebe Fußballfreunde!

Allen Löw-Kritikern sei gesagt: Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) vollzog noch vor keinem Turnier einen Trainerwechsel. Dazu fehlt DFB-Bossen Entschlossenheit. Die Zäsur geschah immer nach einem Turnier. Sogar bei Erich Ribbeck vor zwei Jahrzehnten. Einzige Ausnahme: der Rücktritt von Berti Vogts 1998. Aber Joachim Löw und Rücktritt: Warum sollte er das tun?

DFB-Präsident Fritz Keller und Nationalelf-Direktor Oliver Bierhoff haben ihm die notwendige Rückendeckung zugesagt, die WM-Blamage von 2018 wie einen Betriebsunfall aussehen zu lassen. Gelingt die EM 2021, darf Löw seinen Vertrag bis 2022 erfüllen. Der DFB weiß, was er Löw verdankt, und spielt deswegen auf Zeit. Für verpasstes Timing ist der DFB bekannt.

Unter den deutschen Trainern gibt es nur drei, denen man die Nationalelf guten Gewissens anvertrauen könnte: Jürgen Klopp, Hansi Flick und Ralf Rangnick. Die ersten beiden sind bei Vereinen gebunden, der eine bis 2024 beim FC Liverpool, der andere bis 2023 beim FC Bayern. Bliebe Rangnick. Es ist eher unwahrscheinlich, dass er im Sommer noch zur Verfügung steht.

So bleibt dem DFB keine Wahl: Weitermachen mit Joachim Löw. Man kann den Verband dafür würdigen, dass er loyal zu seinem Cheftrainer steht. Das Risiko ist enorm. Vergeigt die Nationalmannschaft im Sommer das Turnier, wird die Frage nach dem Urteilsvermögen an der Führungsspitze erneut aufkommen. Dann geht's um mehr als um den Trainerposten.

Einen scharfsinnigen Donnerstag wünscht

Euer Pit Gottschalk

Effenberg: Joachim Löw sollte über Kroos nachdenken

Der Tiger sieht Joshua Kimmich als Leader

Noch immer hallt die 0:6-Pleite der Nationalmannschaft nach. Stefan Effenberg nimmt Joachim Löw in Schutz, aber glaubt dennoch an Konsequenzen.

Die höchste Niederlage seit fast 90 Jahren - und trotzdem bleibt Joachim Löw Bundestrainer. Zu Recht, meint Stefan Effenberg. "Für mich ist das die richtige Entscheidung", sagte der Ex-Nationalspieler in einem SPORT1 News Spezial am Tag nach dem peinlichen 0:6 gegen Spanien.

"Ein Trainer stellt die Jungs ein, auch mental. Aber im Endeffekt standen da Spieler auf dem Platz, die sehr wohl eine gewisse Qualität und zum Teil auch große Erfahrung haben“, erklärte der ehemalige Kapitän des FC Bayern.

"Und wenn diese Jungs das nicht abrufen, muss man auch mal mit dem Finger auf sie zeigen und nicht nur auf Jogi Löw".

Insbesondere von vermeintlichen Führungsspielern wie Toni Kroos zeigt sich Effenberg enttäuscht. "Ich glaube, gestern war klar zu erkennen, dass Joshua Kimmich der wahre und richtige Leader dieser Mannschaft ist. Und damit ist es dann auch nicht Toni Kroos", führte der 52-Jährige aus.

"Er (Toni Kroos) hat ja auch große Verdienste um den deutschen Fußball, auch bei Real Madrid war er immer eine zentrale Figur. Aber wenn du ein Führungsspieler sein willst, musst du das auch verbal machen, das gehört einfach dazu", machte Effenberg deutlich.

Kroos sei nicht der Typ dazu, was ihm der SPORT1-Experte auch gar nicht negativ auslegen will, dennoch legt Effenberg Löw durchaus ans Herz, über die Besetzung im Mittelfeldzentrum noch einmal nachzudenken.

"Ich bin mir sicher, dass dieses Spiel gestern ganz viele Antworten gegeben hat. Wenn Jogi Löw - und das wird er tun - dieses Spiel noch einmal im Detail analysiert, dann wird er auch zu der Erkenntnis kommen, auf wen er auf dem Weg zur EM setzen und auf wen er sich verlassen kann", sagte der Champions-League-Sieger von 2001.

"Jogi Löw hat jetzt die Chance, personell Konsequenzen zu ziehen und das muss er auch tun. In meinen Augen nicht mit Boateng, nicht mit Hummels, nicht mit Müller, sondern mit den Spielern, die er jetzt zur Verfügung hat", teilte Effenberg mit.

"Warum nicht Neuhaus, warum soll er nicht die Möglichkeit bekommen, über viele Spiele hinweg zu zeigen, dass er auch großes Potenzial hat? Dann muss man sich eben von dem einen oder anderen verdienten Spieler verabschieden. Punkt."

Was bei Bundestrainer Löw gut läuft - und was nicht

Joachim Löw würde an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern

Joachim Löw hat aus einer Rumpeltruppe eine Weltmeistermannschaft gemacht. Doch seit der WM-Blamage 2018 will nichts mehr klappen. Die Schlappe gegen Spanien war der Tiefpunkt. Über die Parallelen zu Angela Merkel.

Von Alex Steudel

Kürzlich hat eine lustige Aufzählung die Runde im Netz gemacht. Sie führte einem vor Augen, wie lange Angela Merkel schon regiert: vier US-Präsidenten, fünf britische Regierungschefs und 21 HSV-Trainer lang. Spott über den abgestürzten Zweitligisten aus Hamburg machte Fußballfans bundesweit viel Spaß, bis der DFB auf den Plan kam und alles noch toppte. Zuletzt beim 0:6 gegen die Spanier. Höchste Niederlage seit 1931, bitterer geht's nicht.

Also reden wir lieber mal über Joachim Löw. Der Bundestrainer hat die Nationalmannschaft 2006 übernommen, er ist damit also nur ein Jahr kürzer im Amt als Angela Merkel. Er war anfangs ähnlich erfolgreich. Während Merkel schnell zur mächtigsten Frau der Welt wurde, baute Löw das Kabinett um und gewann die WM 2014. Das war toll.

Damals glaubte die ganze Welt, dass alles zu Gold werde, was der Jogi anfasst, also außer dem WM-Pokal, der war schon vorher aus Gold, und außer, naja, leider fingen ihn bei Länderspielen immer wieder Kameras mit dem Finger in der Nase ein, was für Irritation sorgte, aber lassen wir das.

Löw hatte jedenfalls aus einer alten Rumpeltruppe ein junges, agiles Team gemacht, das sogar moderne Taktik konnte, und damit die ganze Welt begeisterte. Sein Plan war einfach: Aufräumen. Alt durch neu ersetzen. Ob bei Personal oder Taktik. Da hinkte Deutschland weit hinterher. 2000 hatte die Nationalmannschaft noch mit Libero gespielt; das war zu der Zeit so modern, als würden wir heute fünf neue Kohlekraftwerke bauen.

Eine Nationalmannschaft ohne Führung

Das Spiel gegen Spanien hätte ein Signal des Aufbruchs werden sollen. Genau das Gegenteil passierte.

Der Erschlaffte

Unter Joachim Löw befindet sich das Team im Ungefähren. Änderung ist nicht in Sicht - auch weil der Trainer bleibt.

Die Mannschaft, die dann bei der WM 2010 erstmals für Furore sorgte und das Halbfinale erreichte, war jung, hungrig, schnell. Und sautalentiert. Die Kombi hatte es schon oft gegeben im deutschen Fußball, aber nun kam dazu, dass "Die MANNSCHAFT", wie sie Sportdirektor Oliver Bierhoff irgendwann nennen ließ, auch taktisch auf der Höhe war. Angeleitet vom Löw.

Ich erinnere mich, wie ich bei der WM 2010 im Frühstücksraum eines Hotels in Südafrika saß und vor mich hinlächelte, weil da Menschen aus aller Welt quer durch den Raum ein Deutschland lobpreisten, das plötzlich nicht mehr rumpelte, sondern unter Löw echten Fußball spielte.

Bei einer WM braucht es für Unterhaltungen unter Fußballfans keine Sprachkenntnnisse, da funktioniert Kommunikation anders: Du sagst einfach einen Spielernamen und schaust die anderen an, und die anderen nicken anerkennend, und du weißt, wie die Stimmung im Weltfußball ist. "Muller!" rief ein Amerikaner. "Ossill" ein Argentinier. "Nooiirrr. Schww.. Schwwwstgr", ein Araber.

Deutschland war wieder wer. Und dabei sympathisch. Dank Jogi. Ich war, ich gebe es zu, stolz. Man neigt ja bei solchen Geschichten zu sagen: Das war wie im Film! Tatsächlich hat der deutsche Fußball schwere Rumpeljahre bewältigt, in denen sich Tiefpunkte und "noch tiefere Tiefpunkte" (O-Ton Rudi Völler, Bundestrainer bis 2004) aneinanderreihten.

Löw-Umbau nur ein Scheinumbruch

Nach der WM-Enttäuschung 2018 wollte man sich neu ausrichten. Vieles ist unerfüllt geblieben.

Rettungsaktion oder Zukunftsvision

Nach dem 0:6 gegen Spanien werden die Rufe nach den drei Aussortierten Hummels, Boateng und Müller lauter.

2004 schaute dann kurz Jürgen Klinsmann vorbei, machte Vorwäsche und übergab an Löw, der Weltmeister wurde. Das Problem an der Metapher ist: In Hollywood enden Filme mit dem einen Höhepunkt, nach dem nichts mehr kommen braucht. Während du eine Träne der Rührung verdrückst und den Abspannn guckst, interessiert dich null, was nach der abschließenden Information, auf welchem Material der Film belichtet wurde, noch alles passiert sein könnte.

Leider wollte die Geschichte der deutschen Nationalmannschaft einfach nicht aufhören. Wir haben seither, Achtung Spoiler, außer den völlig unwichtigen Konföderationenpokal rein gar nichts mehr gewonnen. Die WM 2018 endete für das DFB-Team sogar in einem Disaster, weil Löw auf die Haudegen von 2014 vertraute. Sein Slogan war eine Mischung aus Adenauer und Merkel: "Keine Experimente, wir schaffen das!"

Aber wir schafften nichts, und es wurde immer schlimmer. 2019 stieg Deutschland sogar aus der kümmerlichen Nations League ab und musste von der Uefa per Eilentscheid wieder zurückgehievt werden. Die Sponsoren und so. Das hätten sie beim Fußballverband mal besser bleiben lassen sollen, die dünne Luft in der Nations Liga A hat dem Neuaufbau gar nicht gutgetan.

Bierhoff & Keller teilen ihr Schicksal mit Löw

DFB-Präsident Fritz Keller und Manager Oliver Bierhoff verknüpfen ihr Schicksal mit Joachim Löw.

Ein Jahr zum Vergessen

Präsident Keller, Direktor Bierhoff, Bundestrainer Löw: Sie wirken alle gemeinsam überfordert.

Wenn wir ehrlich sind, klappt seit geraumer Zeit überhaupt nichts mehr, und selbst dieser Zustand verschlechterte sich in den letzten Tagen immer weiter. Gegen die Ukraine, in der Weltrangliste Tabellennachbarin von Peru, gewann Deutschland noch mit Müh und Not 3:1. Den Sieg schmälerte tags drauf die Info, dass ein paar Spieler der sowieso ersatzgeschwächten Ukrainer auch noch mit Corona aufgelaufen waren. Und jetzt das. Spanien. Ganz Deutschland ist entsetzt. Und keiner will mehr Löw sehen.

Alle arbeiten sich an dem Mann ab, der 2018 an seiner Rückwärtsgewandtheit scheiterte, Neuaufbau versprach und von 81 Millionen Deutschen begnadigt wurde. Vieleicht kann man auch das ein bisschen mit Angela Merkel vergleichen, die oft totgesagt wurde. Aber sie kam irgendwie immer wieder zurück, ob nun als Wiedergewählte, oder indem sie irgendwelche Krisen meisterte, wenn es darauf ankam.

Löw hat nur eine Krise gemeistert, die erste, und das kommt im Fußball oft vor: dass Trainer nach oben führen, aber nicht oben halten können. Bei Löw hat jedenfalls nichts mehr geklappt, auch sein neuer Weg, welcher auch immer das ist, ist in die Hose gegangen.

Bedeutung in der Niederlage

Hätte die Nationalelf Spanien bezwungen, es hätte außer Nerds wohl kaum jemanden gejuckt.

"Fußballwelt im totalen Schock"

Mit dem 0:6 aber muss die Löw-Elf weltweit Häme ertragen. Hier die internationalen Pressestimmen.

Vielleicht wurde das Dilemma, in dem der deutsche Fußball steckt, nie deutlicher als während der Fernsehübertragung am Dienstagabend, als sogar dem ARD-Moderatorenteam (Branchenspott: Fan Club Nationalmannschaft) nichts anderes übrig blieb, als sich in Kritik zu flüchten. Das Kuriose daran ist: Auch Löws Kritiker haben keine echten Lösungen. Klar, die Spieler, die Löw zuletzt aufstellte, waren jung – aber so jung, dass man ihre Namen googeln musste.

Liegt es an der Qualität des Nachwuchsarbeit, für die er nichts kann? Oder ist er mit seinen 60 Jahren zu alt und unflexibel für den Job? Erreicht er die Spieler nicht mehr? Dass Löw seine einstigen Kraftwerke Thomas Müller, Mats Hummels und Jerome Boateng (zusammen 94 Jahre alt) vom Netz genommen hat, haben ihm viele übelgenommen.

Sie wollen, dass er sie alle reaktiviert. Kurioserweise sind das dieselben Kritiker, die ihm 2018 vorgewarfen, dass er bei der WM auf alte Spieler gesetzt hatte. Machen wir uns nichts vor: Wären morgen Bundestrainerwahlen, Löw würde an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern.

Nächstes Jahr ist EM, und alle haben Angst vor der neuen Blamage. Also wird über Nachfolger diskutiert, aber Fußball ist eben nicht Politik. Im Fußball haben die Guten alle einen Vertrag irgendwo.

Als Deutschland zuletzt 0:6 verlor

Das 0:6 in Spanien ist für die deutsche Nationalmannschaft die höchste Pleite seit 89 Jahren. Damals blamiert sich eine deutsche Elf in Österreich.

Heute im Fernsehen

10.02 Uhr, SPORT1: 2nach10

Was sonst noch so los ist

Nations League: Österreich wendet Blamage ab

Italien und Belgien komplettieren die Endrunde der Nations League. Durch Siege gegen Bosnien-Herzegowina und Dänemark, sicherten sich beide Teams die letzten Tickets für das Final Four. Unterdessen mühte sich Österreich gegen eine norwegische Rumpftruppe zum Aufstieg in die A-Liga. Die Türkei steigt in die C-Liga ab.

Werder Bremen will Thomas Schaaf halten

Im Sommer läuft der Vertrag von Thomas Schaaf als Technischer Direktor nach drei Jahren aus.

Simon Terodde heilfroh über Wechsel zum HSV

Während beim 1. FC Köln im Sturm kaum etwas gelingt, sorgt Simon Terodde beim HSV für Begeisterung in der Offensive.

Alle mal herhören!

Simon Terodde: Jeder erwartet, dass du lieferst

‎Wie arbeitet Simon Terodde mit seinem Berater zusammen? Wie wichtig ist es, als Torjäger und Mittelstürmer, der in seiner bisherigen Karriere vor allem für Traditionsvereine spielte, auch den Markt im Blick zu haben? Und wie geht man eigentlich mit dem Druck um, immer treffen zu müssen? Tormaschine Terodde, jetzt mit dem HSV im Aufstiegsrennen, spricht mit Tobias Holtkamp über Unterschiede zwischen erster und zweiter Liga, gibt interessante Ratschläge - und meistert im Sport1-Podcast ein spontanes Fußball-Quiz.

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