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Guten Morgen, liebe Fußballfreunde!
Julian Nagelsmann schenkte dem Sprachschatz des deutschen Fußballs am Samstagabend einen neuen Begriff: Emotionsniveau. In seiner Analyse zur 2:3-Pleite gegen die Türkei fasste der Bundestrainer in 14 Buchstaben umständlich zusammen, was wir früher in einfachen Worten ausdrückten. In Worten wie: Einstellung, Siegeswillen, Mentalität. Gerne auch: deutsche Tugenden.
Er lobte das "Emotionsniveau" seiner Mannschaft, weil sie tat, was man von einer Nationalmannschaft, die in sieben Monaten eine Heim-EM bestreitet, erwarten darf: Sie wollte das Testspiel im Berliner Olympiastadion gewinnen. Nun liegt es nicht an Nagelsmann, dass dieselbe Mannschaft nach einer frühen Führung in alte Muster verfiel und dem Gegner freien Zutritt in den Strafraum erlaubte.

Was man aber von ihm einfordern darf, ist: dass er sich an die eigenen Vorgaben hält. Er wollte den Fußball, den die Nationalmannschaft spielt, einfacher gestalten. Dass er den gelernten Angreifer Kai Havertz über Nacht zum Linksverteidiger verwandelte, klingt schon kompliziert und kann (trotz Tor) keine zielführende Maßnahme sein. Nagelsmann sollte die einfachen Wahrheiten akzeptieren.
Wahrheit 1: Verriegelt den eigenen Strafraum, bis keine Fliege mehr reinkann. Antonio Rüdiger ist ein Sicherheitsrisiko in der Abwehrkette. Wenn er sein Formtief nicht überwindet: Raus mit ihm! Die bisherige Willkommenspolitik führt dazu, dass Deutschland in sieben Länderspielen, die 2023 zu Hause stattfanden, 16 Gegentore kassierte - der schlechteste Wert seit 2005.
Wahrheit 2: Joshua Kimmich ist keine Hilfe im zentralen Mittelfeld. Eine geniale Torvorbereitung kann nicht kompensieren, was er sich an Stockfehlern am Ball und an müden Spielerverlagerungen leistet. Kapitän Ilkay Gündogan braucht einen an der Seite, der arbeitet und nicht stolziert. Die Offensive mit Florian Wirtz und Jamal Musiala verlangt Zuverlässigkeit im Rückraum.
Wahrheit 3: Die Zeit der Experimente und des guten Willens ist vorbei. In diesem Jahr hat Deutschland der Rekord der Heimspielniederlagen (vier!) aus dem Jahr 1956 eingestellt. Die Mannschaft braucht jetzt eine Achse, die jedes Kind auswendig nennen kann. Identifikation ist ein hohes Gut, wenn man auf die Unterstützung des Publikums angewiesen ist. Noch liebt niemand dieses Team.
Beim Gastspiel in Österreich am Dienstagabend wird man auf einen Gegner treffen, der Tempo und Passschärfe noch präziser einsetzt als die Türken. Man wird nicht nur einen guten Eindruck bekommen, was die deutsche Mannschaft nächstes Jahr beim Turnier zu erwartet hat. Man wird auch sehen, wie schnell der Bundestrainer aus Fehlern in einem vergeigten Länderspiel lernen kann.
Einen pfeilschnellen Montag wünscht
Euer Pit Gottschalk
⚽️ 2:3! Mängelliste wird nicht kleiner
Von Oliver Mucha
Beeindruckende Stimmung, feiernde Fans, leidenschaftliche Spieler - endlich war am Samstagabend in Deutschland EM-Euphorie zu spüren. Der einzige Haken bei der Sache: Die Party im Berliner Olympiastadion fand in Rot und nicht in Schwarz-Rot-Gold statt. Während die Türken die Vorfreude auf die Euro 2024 in sieben Monaten schürten, wird die Mängelliste beim Gastgeber nicht kleiner.
Die zarte Aufbruchstimmung unter Julian Nagelsmann ist nach dem dritten Spiel schon wieder verflogen. Defensive Stabilität und Emotionalität hatte der Bundestrainer vehement eingefordert, er bekam beides nicht. Es ist einfach viel zu leicht, gegen die DFB-Auswahl Tore zu erzielen. Das war unter Joachim Löw so, hat sich unter Hansi Flick nicht geändert und wird unter Julian Nagelsmann bisher nicht besser.

Nagelsmann müssen Experimente wie mit Kai Havertz zugestanden werden. Dass sich vor dem erhofften Sommermärchen 2.0 aber weiterhin die bekannten Baustellen auftun, gibt Anlass zur Sorge. Die Abstimmungsprobleme in der Defensive waren riesig, es muss sich endlich eine Viererkette finden, um die Abläufe einzuspielen. Bis zum Turnierstart bleiben nur noch fünf Spiele.
Joshua Kimmich könnte eine Lösung sein, auch wenn Nagelsmann - warum auch immer - ausgeschlossen hat, dass er den Münchner nach hinten rechts versetzt. Kimmich und Gündogan funktionieren nicht nebeneinander im Mittelfeld. Das haben sie vor Nagelsmann nicht und auch nicht am Samstag. Und da der Bundestrainer selbst gesagt hat, dass er Platz für die besten Spieler schaffen will, wäre ein Rechtsverteidiger Kimmich die logische Konsequenz.


In der Mannschaft schlummert Potenzial. Das haben die ersten 25 Minuten gegen die Türkei gezeigt. Jamal Musiala, Leroy Sane und Florian Wirtz können die Fans verzaubern. Doch für ein erfolgreiches Turnier benötigt man Stabilität. Die muss sich so schnell wie möglich einstellen. Sonst wird es EM-Euphorie weiter nur bei den anderen Mannschaften geben.
Oliver Mucha ist Redakteur beim Sport-Informationsdienst (SID)
⚽️ Und die anderen so


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Italien greift nach dem EM-Ticket, Deutschland sucht Leidenschaft - und Novak Djokovic setzt die nächste Bestmarke. Malte Asmus bringt euch in 90 Sekunden plus Nachspielzeit auf den Stand. Zum Podcast: Hier klicken!



⚽️ Was sonst noch so los ist
Was man Urs Fischer vorwerfen muss
Eine Ära geht bei Union Berlin zu Ende. Urs Fischer ist nicht mehr Trainer der Eisernen. Es ist keine Entlassung, auch kein Rücktritt... sondern eine Entscheidung, die beide einvernehmlich getroffen haben. Grund genug um auf die aktuelle Lage von Union zu blicken: Was ist dort los? Wieso steckt man im Abstiegskampf? Die Prinzipien haben den Verein so stark gemacht, aber der typische Union-Stil ist zuletzt nicht mehr wirklich zu sehen gewesen. Natürlich ist auch die Kaderplanung dafür etwas verantwortlich, die neuen Spieler kamen zu spät und konnten nicht mehr richtig integriert werden. Und: Das Spielglück fehlt, man erarbeitet sich wenige qualitativ gute Chancen und kriegt die dann nicht ins Tor, ein großer Unterschied zur Vorsaison. Urs Fischer hat am Ende wohl nicht mehr die Kraft gehabt, um die Wende zu schaffen. Zum Video: Hier klicken!


