Diversifizierung der Grabenkämpfe

Der VfB Stuttgart und seine Teppichetage: Das hat mehr mit Politik als mit Business zu tun

|29. November 2024|
10.11.2024, xsltx, Fussball 1.Bundesliga, VfB Stuttgart - Eintracht Frankfurt emspor, v.l. Vorstandsvorsitzender Alexander Wehrle (VfB Stuttgart) Interimspräsident Dietmar Allgaier (DFL DFB REGULATIONS PROHIBIT ANY USE OF PHOTOGRAPHS as IMAGE SEQUENCES and or QUASI-VIDEO) Stuttgart
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Interimspräsident Dietmar Allgaier (links) bei Alexander Wehrle. Foto: IMAGO/Jan Huebner

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Warum angeblich schon wieder der Business Insider recherchiert und nicht gleich das andere Springer-Organ Politico, wenn es diesmal um sicher ganz besonders brisante Hintergründe aus der Teppichetage des VfB Stuttgart geht? Schwer zu sagen. Denn was die Spatzen da von den Dächern pfeifen, das hat doch zweifelsohne mehr mit Politik zu tun als mit Business.

Deutlich leichter lässt sich allerdings prognostizieren, dass auch der Boulevard bald wieder einsteigen wird ins Spektakel mehr oder weniger starker Schlagzeilen, und das zuletzt dann, mit gebührendem zeitlichen Abstand, auch das Stuttgarter Lokalmedium sich irgendwie an die Sache dranhängt. Denn ihre bevorzugten Kanäle füttern sie beim VfB immer alle, und jeder kennt halt irgendwen bei der Presse zum so genannten Durchstechen – ein Phänomen, das der Verein nicht exklusiv hat, sondern das quasi branchenimmanent ist. Und dass in der Branche namens Profifußball nicht ausschließlich die Besten der Besten arbeiten, die Integersten unter den Integren, das ist ja nun auch mehr Gemeinplatz denn Geheimnis.

Wie sie nach der mit vereinten Kräften und permanenter Unterbietung auch noch der niedersten moralischen Standards hinbekommenen Absägung des Presidente Claus Vogt allerdings den bislang noch nicht durch besondere Halbseidenheit aufgefallenen Ludwigsburger Landrat Allgaier überreden konnten, sich als Interimspräsident zur Verfügung zu stellen, das ist wohl eines der größeren Rätsel der jüngeren Cannstatter Fußballgeschichte. Dass aber Dietmar Allgaier diese Entscheidung eher früher als später bereuen würde, das war abzusehen.  

Alex Allgewalt und Palpatine Porth

Denn im März 2025 ist Mitgliederversammlung beim VfB, und damit da nicht irgendwelche ganz arg freien Radikalen mit Erfolgsaussichten kandidieren können, musste man bzw. musste der neue Stuttgarter Allgewaltige (operativ) Alex Wehrle den Landrat Allgaier natürlich überreden, entgegen seiner ursprünglichen Ankündigung doch anzutreten für eine weitere, diesmal ganz reguläre Amtszeit als Präsident des Vereins und Vorsitzender des Aufsichtsrats. Und weil man, wie das Sprichwort sagt, zwar alleine manchmal schneller ist, aber gemeinsam weiter kommt, hat der Allgewaltige (operativ) sich keinen Geringeren als Wilfried „Palpatine“ Porth dazugeholt, gemeinsam den Landrat zu überzeugen.

Vielleicht hat aber auch Wilfried Porth den Alex Wehrle angewiesen, Herrn Allgaier zur Kandidatur zu überreden und ist dann, sicher ist sicher, gleich mal supervisionierend mitgegangen. Und als Allgaier Anstalten machte, die Kandidatur aus Kapazitätsgründen (nicht genug Zeit für so ein umfangreiches Ehrenamt neben der Landratsfunktion) abzulehnen, da haben sie ihm das Amt halt so zugeschnitten, wie er es brauchte. Soll heißen: Frühstücksdirektor. Oder schwäbisch: Grüß-Gott-Auguschd. 

Einen solchen Zuschnitt des Präsidentenamts, also die deutliche Reduzierung der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten, ermöglichen soll nun nicht mehr die bislang anvisierte Erweiterung des Zuständigkeitsbereichs des mehrköpfigen, ehrenamtlichen Vereinspräsidiums, sondern ein neu zu schaffender Posten: der hauptamtliche Geschäftsführer des Vereins.

Dieser verdient gut und macht alles, was Alex Wehrle und Wilfried Porth wollen. Und er muss nicht von irgendwelchen Mitgliedern gewählt, sondern er kann nach Gutdünken bestimmt werden. Super Lösung, denn diese Mitglieder mit ihrem Geschrei nach mehr Mitbestimmung, die waren dem Alex und dem Palpatine ja schon immer ein Dorn im Auge. Zuletzt hatten die ja sogar noch ein weiteres Gremium durchgedrückt, diese Mitglieder. Also zumindest die immer gleichen ca. 1.500 Unentwegten unter den mittlerweile insgesamt fast 130.000 Vereinsmitgliedern, die zu den Mitgliederversammlungen erscheinen und dort qua Mitgliedschaft „denen da oben“ mal laut und deutlich erklären wollen, wie das Geschäft geht, was sie zu tun und was sie zu lassen hätten. Einen so genannten Wahlausschuss hatten sie durchgedrückt, der dann natürlich auch mitbestimmen wollte bei der Besetzung aller möglichen Gremien, in denen mitzustinken für einen echten Vereinsmeier ja quasi Oberste Direktive ist.

Homo homini lupus

Aber jetzt war Schluss mit der Folklore. Jetzt hatte der Allgaier sich zu einer Kandidatur breitschlagen lassen, hatte eingewilligt, also konnten Alex und Palpatine die Katze mit dem neuen Vereinsgeschäftsführer aus dem Sack lassen. Der Räker Jan sollte es machen, der AG- und Vereinsjurist, offizieller Titel „Direktor Operations und Infrastruktur“, der als oberster Aufseher auch schon alle Unregelmäßigkeiten bei der Ausgliederung seinerzeit abgenickt, versiegelt und im hintersten Regal des Leichenkellers versenkt hatte. Nicht der komplexeste Spezialarbeiter im Weinberg des Herrn, aber doch ein willfähriger Helfer, einer, der keine Fragen stellt, sondern einfach macht. Das kleine Glied im Chain of Command, dessen Frau ebenfalls auf der Payroll als Leiterin der VfB-Akademie steht, einer Art klubeigener Hochschulabteilung, wo in Kooperation mit richtigen Hochschulen verschiedene Bachelors und Masters mit dem echten VfB-Geschmäckle abgelegt werden können. Interne Lösung de luxe.

Was sie nicht berücksichtigt hatten bei Ihrer Scharade war freilich die Tatsache, dass zwar bis vor Kurzem alle gemeinsam, alle Investoren, große Teile des Aufsichtsrats und sogar die Ultras den einst mit 94 % der Stimmen gewählten Präsidenten Vogt bekämpft und unter mehr als fadenscheinigen Gründen wie einen räudigen Hund vom Hof gejagt hatten – dass aber seitdem wieder jeder seine eigenen Pläne und Ambitionen hatte. Denn der Mensch ist dem Menschen ein Wolf, im Fußball zumal, da muss ich mich nicht wiederholen.

Also ist der ebenfalls nicht lichtscheue Vertreter des neuen Investors Porsche, Lutz Meschke, selbstverständlich nicht einverstanden mit der Personalie Räker. Glasklarer Mercedes-Mann, dieser Jurist. Meschke will aber einen Porsche-Mann. Und CEO Wehrle hat ohnehin schon viel zu viel Macht hier beim VfB, da ist sich Meschke sogar mit Dr. Thomas Ignatzi einig, dem Vorstand Finanzen. Denn der, so wird getuschelt, ist eigentlich ein Fundamentalist, hat noch die alten, längst überwunden geglaubten Kampfbegriffe wie „Mitgliederrechte“ und „Mitbestimmung“ im Kopf, warum auch immer. Und seit Dietmar Allgaier das mitbekommen hat mit dem Plan mit Jan Räker als neuem Geschäftsführer, seitdem erzählt er jedem, der es wissen, und jeder, die es nicht wissen will, dass das ja nicht seine Idee gewesen, sei sondern die vom Wehrle. Und im Hintergrund lauern die anderen größeren und kleineren Hyänen und reiben sich erregt die Pfoten ob des bald zu erwartenden öffentlichen Schlammwerfens beim VfB. Das Weltmarkenbündnis als Ansammlung sich nichts gegenseitig gönnender Egomanen; die aktive Fanszene, nach Mitbestimmung und Einfluss lechzend, instrumentalisiert und aufs Abstellgleis geschoben. Manche sagen: Verarscht worden.

Da ist es grad ein Glück, dass die Bundesligamannschaft trotz etwas bescheidenerer Ausbeute als in der Vorsaison immer noch ziemlich viel Spaß macht, vollen Einsatz zeigt und beim Publikum trotz mancher Ernüchterung hoch im Kurs steht. Hoffentlich zeigen sie sich auch weiterhin immun gegen das so gar nicht gemeinsame Vorgehen auf der Teppichetage, und ganz und gar desolate Darbietungen wie am Mittwoch im halbleeren angeblichen Hexenkessel von Belgrad bleiben die Ausnahme.

Ach, und warum recherchieren die denn eigentlich schon wieder beim Business Insider? Nun, es scheint da – angeblich – um irgendwelche Unregelmäßigkeiten mit einem Allgaierschen Immobilienkredit zu gehen. Es riecht also stark nach einem erneuten „Viel Lärm um ziemlich wenig“. Um Dinge, die vielleicht vor 25 Jahren eine exponierte Persönlichkeit zum Rücktritt bewogen hätten. Aber heutzutage musst Du schon deutlich mehr auffahren, wenn Köpfe rollen sollen. Denn heutzutage sind solche Kleinigkeiten den Leuten egal. Und die Köpfe sitzen deutlich fester auf den Hälsen als früher.

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