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Die Bayern auf Tuchelkurs

Einstand nach Maß: Der neue Bayern-Trainer Thomas Tuchel feiert bei seiner Premiere ein 4:2 im Spitzenspiel gegen Borussia Dortmund. Doch er weiß: Die harten Zeiten kommen noch.

Thomas Tuchel mit Thomas Müller. Foto: Imago / Nordphoto

Inhaltsverzeichnis

Guten Morgen, liebe Fußballfreunde!

Seit 1997 habe ich fast 50-mal bei Sport1 im Doppelpass gesessen, meistens als Gast, seit 2020 als Sport1 Chefredakteur. Noch nie habe ich in der Dopa-Runde so oft lachen müssen wie gestern Mittag, als ich neben Hermann Gerland saß.

Der wohl berühmteste Co-Trainer des deutschen Fußballs, eine Vereinslegende des FC Bayern wie des VfL Bochum, zündete ein Sprüche-Feuerwerk, wie ich es im Farbfernsehen selten erlebt habe. Das Publikum war begeistert!

Hermann Gerland, ein Entdecker von Weltklasse-Spielern wie Philipp Lahm und Thomas Müller, brachte die einfachen Wahrheiten des Fußballs auf den Punkt und erzählte herrliche Anekdötchen.

Dabei nippte er an einem Whisky Cola light, noch bevor die Sendung losging, und fürchtete angesichts der Bayern-Dominanz um den Alkoholkonsum seiner 91-jährigen Schwiegermutter, die jedes Müller-Tor mit einem Schnaps feiert.

Gleichzeitig zerlegte er die Nachwuchsarbeit in den Vereinen, die alles Mögliche trainieren ließen, nur keine Zweikampfhärte, offenbarte den wahren Grund für seinen Bayern-Abschied nach 25 Jahren und fütterte munter das Phrasenschwein.

In solchen Momenten frage ich mich: Wo sind in der Bundesliga sonst noch so Typen wie Hermann Gerland, die den Rasen lieben und nicht auf den Mund gefallen sind? Ich könnte dem Tiger jedenfalls stundenlang zuhören.

Einen aufschlussreichen Montag wünscht

Euer Pit Gottschalk

PS: Wer die Sendung am Sonntagmittag verpasst hat und unbedingt mal herzhaft lachen will: Hier ist das Video vom aktuellen Doppelpass.


Die Bayern auf Tuchelkurs

Von Thomas Niklaus

Thomas Tuchel musste gar nicht sagen, dass er ausgesprochen nervös war und den immensen Druck spürte - man sah es ihm deutlich an. Auch lange nach dem wichtigen 4:2 im Liga-Gipfel gegen Borussia Dortmund war dem neuen Trainer des FC Bayern die hohe Anspannung noch anzumerken.

Zu viel war in den vergangenen, turbulenten Tagen in München passiert, zu viel auf den 49-Jährigen eingeprasselt. Doch Tuchel wurde der riesigen Herausforderung als Nachfolger von Julian Nagelsmann gerecht - erst einmal. Clever hielt er sich aus dem Streit um die fragwürdigen Umstände der Nagelsmann-Entlassung raus, genauso clever versuchte er bei seinem Amtsantritt Vereinspatron Uli Hoeneß auf seine Seite zu ziehen.

Clever war von Tuchel zudem, sich trotz seiner geglückten Premiere zurückzunehmen. Bei Nagelsmann hatte man oft genug das Gefühl, dass er sich gerne im Mittelpunkt sieht. Tuchel dagegen hielt sich bemerkenswert im Hintergrund, verschwand bei den Feierlichkeiten der Mannschaft mit den Fans sogar in der Kabine. Den Stars sollen die Inszenierungen von Nagelsmann einige Male nicht gefallen haben, genauso dürften sie jetzt das wohltuende Understatement des neuen Trainers registriert haben.

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Sie sollten sich in Tuchel aber nicht täuschen: Der 49-Jährige weiß ganz genau, was er will und was von ihm erwartet wird. Da wird er auf Einzelschicksale keine Rücksicht nehmen. Schon seine erste Startelf gab Fingerzeige. So saßen etwa die Superstars Sadio Mané und Joao Cancelo draußen, dafür baute er auf Problemfall Leroy Sane - und auf Routinier Thomas Müller. Zudem versuchte er die Defensive mit einer Viererkette zu stabilisieren. Es hat fürs Erste funktioniert.

Doch es zeichnet Tuchel aus, dass er sich vom deutlichen Ergebnis nicht blenden ließ. Offen sprach er die vielen Defizite im Bayern-Spiel an. Er weiß nur zu gut, dass es so in den großen Duellen in der Champions League gegen Manchester City nicht reichen wird. Und daran muss er sich messen lassen, auch wenn die Zeit knapp ist. Die Fallhöhe ist nach wie vor hoch, der Druck riesig - auch wenn der Einstand schon einmal erfolgreich war.

Thomas Niklaus ist Redakteur beim Sport-Informationsdienst (SID)


Das Reus-Drama: Aufgeben ist eine Option

Von Alex Steudel

Ich bin am Samstag auf Knien nah an den Bildschirm gerobbt und habe Marco Reus gesucht. Es lief die erste Hälfte des Spitzenspiels, und er war mir entglitten. Aber er musste ja irgendwo sein, ich war mir ganz sicher, schließlich hatte ich seinen Namen in der Aufstellung gesehen. Dann entdeckte ich ihn. Da war er, der große Kapitän von Borussia Dortmund, versteckt an der Seitenlinie, auf ein paar unwesentliche Pixel geschrumpft.

Lothar Matthäus, der Sky-Experte, rief vor der Pause, als es schon 3:0 für die Bayern stand: Torwart Kobel hat jetzt den Ball, aber alle zehn Dortmunder Spieler drehen ihm den Rücken zu!

In solchen Momenten trennt sich auf dem Fußballplatz die Spreu vom Weizen. Die einen sind dann da und wollen, wollen, wollen; die anderen zeigen Rücken. Reus war am Samstag ganz Rücken. Der Kicker gab ihm nach dem Debakel eine 5,5, Sport1 verlieh die glatte Sechs. In der Schule ist die Versetzung bei solchen Noten nicht gefährdet, sie ist gar kein Thema mehr.

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Marco Reus ist ja so gut. Zu selten ist er das, wenn es darauf ankommt. Viele leiden mit ihm, vor allem, wenn er wie so oft verletzt ist oder wie im Champions-League-Finale 2013 zwar stark spielt, aber doch wieder nicht stark genug.

Ich gehöre auch zu denen, die leiden, denn es gibt kaum etwas Schöneres, als ihn in Topform und mit Selbstvertrauen Fußball spielen zu sehen. Ich leide seit Jahren, weil es wehtut, wenn so ein Talent stückweise von der Wettkampfrealität abgetragen wird. Reus gewann in seiner ganzen Karriere nur zweimal den DFB-Pokal (und eine Handvoll zu vernachlässigende Supercups), das war's. Und in einem der beiden Pokalendspiele musste er beim Stand von 1:1 verletzt raus.

Im besten Fall nannten wir solche Spieler früher: Schönwetterfußballer. Im schlechtesten Fall komme ich zu Stefan Effenberg. Der hat Matthäus in seiner Biografie als "Verpisser" bezeichnet. Das war 2003 und gab einen Riesenskandal. Schließlich war Matthäus zu diesem Zeitpunkt längst Weltmeister.

Wenn der Weltfußballer und Weltmeister und Europapokalsieger ein Verpisser gewesen ist, was bitte ist dann Reus?

Illustration: Jens Uwe Meyer / bergfest.at

Kürzlich, im Champions-League-Rückspiel gegen Chelsea, und vor allem jetzt gegen die Bayern schlüpfte Reus mit seinen 33 Jahren wieder in seinen berühmten Tarnanzug. Nichts war in München von ihm zu sehen, rein gar nichts. Sein Oldie-Double Thomas Müller zeigte auf der Gegenseite, was ein wahrer Kapitän ist. Mensch, selbst Leroy Sané strengte sich mehr an als Reus!

Ich frage mich: Wie kann man eine Prüfung bestehen, wenn man gar nicht erst hingeht? Oder gibt es ihn vielleicht wirklich, den Reus-Fluch?

Seit der gebürtige Dortmunder 2012 zum BVB zurückgekommen ist, ist Dortmund nicht mehr Meister geworden. Und jetzt sieht es schon wieder schlecht aus, obwohl die Fußballdealer dem BVB die besten Karten hingelegt hatten.

BVB: Die Dortmunder Kampfansage nach dem Kollaps gegen den FC Bayern - WELT
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Reus wurde übrigens, das will ich nicht verschweigen, in all den Jahren zweimal Fußballer des Jahres: 2012 und 2019. In beiden Jahren gewann er: keinen Titel.

In diesem Sommer läuft sein Vertrag in Dortmund aus. Ich finde, er könnte es machen wie am Samstag: Aufgeben ist eine Option. Dortmund braucht einen Neuaufbau und einen richtigen Kapitän.

Das dritte Steudel-Buch ist da! Titel: "Die nächste Kolumne ist immer die wichtigste". 276 Seiten für 14,95 Euro. Wer es sofort will: Hier bestellen! Wer ein signiertes Exemplar bevorzugt: Mail an post@alexsteudel.de.

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