„Deine Texte sind Schrott!“ Warum so eine Rückmeldung wichtig ist
Ungefiltertes Feedback tut weh – und gut. Doch nur, wenn wir in ehrliche Diskussionen eintreten, kommt der Amateurfußball weiter

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„Deine Texte finde ich Sch…! Und ich weiß, dass andere sie auch nicht gut finden.“ Diese Worte bekam ich kürzlich von einem Berliner Trainer zu hören. Ehrlich gesagt: Ich mag so etwas. Denn schonungslose Rückmeldungen helfen.
Meine Kolumnen waren nie dafür gedacht, jedem zu gefallen. Sie sollen Diskussionen auslösen – und gern auch Widerspruch provozieren. Manchmal sollen sie einfach nur Geschichten erzählen, so wie die Geschichte vom 88-jährigen Schiedsrichter Udo Zuchantke, der letzten Mittwoch wieder unsere D-Jugend gepfiffen hat. Ich ziehe alle Hüte!
Kritik heißt Aufmerksamkeit
In den letzten Wochen kam viel Gegenwind. Das zeigt mir aber auch: Die Texte werden gelesen. Auffällig ist auch, wie viele aus dem Fußball sich auf meinen Social-Media-Profilen tummeln. Offenbar suchen sie Input, was mich besonders freut. Denn Streit über Positionen bringt den Amateursport weiter. Zu oft herrscht ohnehin Schweigen, wird die Basis in Entscheidungen kaum eingebunden. Warum sie dagegen nicht aufbegehrt? Fragen Sie nicht mich, sondern andere.
Zwischendurch schreibe ich auch über Alltagsthemen wie Platzwarte oder Ehrenamt. Das mag weniger verfänglich sein, betrifft aber alle. Gerade die Ehrenamtskrise im Sport ist alles andere als unpolitisch.
Verbände gehören den Vereinen – nicht den Präsidenten
Nicht immer bin ich mit den Verbandsfunktionären einer Meinung. Doch wenn ich die Verbände unterstütze, dann aus Überzeugung. So habe ich mich auf dem Berliner Sonder-Verbandstag für viele überraschend für Beitragserhöhungen eingesetzt. Denn: Der Verband gehört nicht dem Präsidenten oder Präsidium, sondern den Vereinen – und damit auch ihren Mitgliedern.
Dieses demokratische Grundverständnis wird leider nicht von allen erkannt. Auch nicht von den Medien, wo Verbandspolitik fast nie Thema ist. Zu kompliziert? Zu trocken? Oder schlicht zu teuer in der Recherche? Über das Hühnerauge des Platzwarts vom Profiverein lässt sich eben leichter berichten.
Von eckigen Bällen und Wahlkampfparolen
Mein Hartplatzhelden-Kollege Michi Franke wird auch oft falsch verstanden. Ihm wie mir geht es immer um den Amateurfußball, vor allem um die Jüngsten. So lobte er den DFB für dessen Kinderfußballreform, von der gerade wieder einige Schlaumeier versuchen, sie zu unterlaufen. Wahrscheinlich haben sie dem mächtigsten Mann im deutschen Fußball, Hans-Joachim Watzke, bei seinem Unsinn über „eckige Bälle“ zugehört und die Fake News für bare Münze genommen.
Oder sie lauschten seinem Kumpel Friedrich Merz, der im Wahlkampf noch einen drauf setzte und versprach, bei der E-Jugend wieder Tore einzuführen. Sport scheint nicht seine Kernkompetenz zu sein, denn die Tore wurden nie abgeschafft. Aber Hauptsache, der Stammtisch wird bedient, egal wie erzkonservativ oder reaktionär der sein mag.
Nike-Deal, Kritik und Selbstkritik
Auch den Nike-Deal haben wir Hartplatzhelden positiv begleitet – verbunden mit der Frage, wie das Geld den Amateurfußball stärken kann. Ronny Zimmermann, erster Vizepräsident Amateure, fällt zu Forderungen der Unterstützung für Sozialarbeiter im Jugendfußball vor allem ein, dass wir davon auch kein Weltmeister werden. Aha! Und wieso eigentlich erster Vize? Egal, bei der UEFA, wo nahezu alle DFB-Vizes auch in einem Ausschuss sitzen, gibt es sogar vierte Vizes!!! Mir ist das egal. Was mich viel mehr interessiert, wäre die Vergütung für die internationalen Ämter der DFB-„Ehrenamtler“ und wohin diese geht.
Eine andere Schlagzeile eines Textes lautete: „Krise des Amateurfußballs: Schuld sind wir selbst, nicht der DFB!“ Der Text dazu nimmt die Vereine in die Pflicht. Nicht jeder war begeistert, aber Kritik ist ja konstruktiv. Klar, manchmal gibt es Spitzen oder Polemik – meist gegen Profis und Politik, manchmal auch gegen Funktionäre in Verbänden oder Vereinen, z. B. beim Thema Schwarzgeld im Amateurfußball. Wir dürfen die Probleme des Breitensports nicht verschweigen: illegale Zahlungen in unteren Ligen, Einfluss der Wettmafia oder mangelnde Förderung des Mädchen- und Frauenfußballs, fehlendes Demokratieverständnis von Präsidenten…
Vielfalt und Demokratie leben
Ganz klar: Der DFB setzt auch positive Zeichen. Vor Kurzem trug ich ein T-Shirt des Julius-Hirsch-Preises: „Gemeinsam für Vielfalt. Gegen jede Diskriminierung.“ Ein starkes Signal unseres Dachverbandes. Umso ärgerlicher, wenn zeitgleich ein DFB-Vizepräsident über „Fremdenfeindlichkeit“ schwadroniert.
Tresen oder Debatte?
Natürlich könnte ich mich auch einfach an den Tresen stellen und über „die da oben“ schimpfen. Aber das ist mir zu primitiv und bringt niemanden weiter. Der Amateurfußball braucht Debatten, auch wenn sie weh tun. Weil draußen auf den Plätzen vieles nicht stimmt. Es geht nicht nur um fehlende Infrastruktur oder zu wenig Ehrenamtliche.
Es geht um Solidarität, um Vielfalt, um die Teilhabe von Kinder aus benachteiligten Familien oder auf der Flucht – und tatsächlich auch um den Erhalt demokratischer Strukturen.
Fußball kann die Welt nicht retten – aber besser machen
Es bricht nicht gleich der Weltfrieden aus, wenn jemand einen Ball in die Mitte des Platzes wirft. Aber der Fußball kann viel bewirken. Er stärkt Kinder und Jugendliche, gibt ihnen Selbstbewusstsein, Freunde, Respekt, Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit – und macht sie widerstandsfähiger.
All das verbessert auch ihre Chancen in Ausbildung und Beruf. Sport und Bildung sind ein unschlagbares Duo – das zunehmend von den extremen politischen Rändern infrage gestellt wird.
Die entscheidende Frage
Mein Lieblingszitat ist immer noch das des großen Schriftstellers Albert Camus, der sagte: „Alles, was ich über Moral und Verpflichtung weiß, verdanke ich dem Fußball.“ Der nicht minder große südafrikanische Staatspräsident Nelson Mandela setzte noch einen drauf und sagte: „Sport hat die Kraft, die Welt zu verändern!“
Doch das geschieht nicht von allein. Wir müssen es wollen – und die Bedingungen dafür schaffen. Wir müssen diskutieren, ambitioniert bleiben, Dinge auch im Fußball manchmal grundsätzlich infrage stellen und „querdenken“, denn das ist eigentlich ein Wort für fortschrittliche Menschen und nicht für mies gelaunte Schwurbler. Wir müssen die sportlichen Bedingungen vor allem für die jungen Menschen verbessern, denn sie sind unsere Zukunft – nicht knapp 70-jährige Funktionäre, denen bei mehr Vielfalt nur die Sabotage von Diversität einfällt. Und wir müssen auch im Amateurfußball zukunftsfähig sein. Die Frage ist: Wollen wir wirklich?
PS: Mein Freund und Kollege Michael Franke (FT Gern München) und ich haben offiziell unsere Bewerbung für das Amt des DFB-Vizepräsidenten abgegeben. Nachdem DFB und Regionalverbände uns an unsere Landesverbände verwiesen haben, teilten uns diese mit, dass man sich für andere Kandidaten entschieden habe. Das ist gelebte Demokratie, wir respektieren die Entscheidung – auch wenn wir uns sehr gern für mehr Vielfalt, bessere Infrastruktur und die Stärkung des Ehrenamts im Sport engagiert hätten. Wir wünschen den am 7. November beim DFB-Bundestag gewählten Kandidaten viel Glück und noch mehr Engagement. Wir behalten uns vor, auch weiterhin unsere Ideen in den Ring zu werfen. In diesem Zusammenhang: Auch in 2026 wird es eine Amateurfußball-Konferenz der Hartplatzhelden geben. Wir freuen uns schon jetzt auf lebhafte Diskussionen mit Basis und Verbandsfunktionären.
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