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Christoph Daum war für mich immer einer von uns

Der Star-Trainer aus Köln verlor seinen Kampf gegen den Krebs. Erinnerungen an einen Fußballrevolutionär und Bessermacher des deutschen Fußballs

Foto: Getty / Ina Fassbender (OF)

Inhaltsverzeichnis

Als ich Christoph Daum 1999 kennenlernte, war er längst Meister geworden und noch nicht in der Koks-Affäre verstrickt. Ich kannte die abenteuerlichsten Geschichten von ihm. Sein Zoff mit Uli Hoeneß im ZDF-Sportstudio. Oder die Aktion in der Umkleidekabine: Er nagelte beim 1. FC Köln 40 Tausendmark-Scheine an die Wand, damit seine Spieler ein Gefühl für die Meisterprämie gewinnen. „Keiner von ihnen“, sagte Daum, „hatte je 40 Tausender in der Hand.“

Weltberühmt wurde die Sache mit den Glasscherben: In Leverkusen schickte er Spieler und sich selbst mit nackten Füßen über ein Beet aus Glas. Die einen sagten: Sowas fördert die Überwindung. Die anderen: Unsinn und Selbstdarstellung. Christoph Daum ließ sich nicht beirren. Noch heute erzählt seine Website von der Motivation: dass er Menschen beibringen wollte, wie sie sich ihrer eigenen Kräfte bewusst werden und Großes in ihrem Leben leisten können. 

Er wollte auch seinen Krebs besiegen, er sagte: „Der Krebs hat sich den falschen Körper ausgesucht.“ Jahrelang hat er den Aufstand erfolgreich geprobt. Am Ende konnte er den Kampf nicht gewinnen. Samstag ist er mit 70 Jahren im Kreis seiner Familie gestorben. Er wusste, was er nicht verhindern konnte, und ist mit allen Menschen im Reinen, denen er in seiner langen Karriere als Bundesliga-Trainer und in der Türkei vielleicht auf die Füße getreten ist.

Bei unserem Kennenlernen hat er mir an einem Beispiel gezeigt, wie er Menschen sieht: Wie er seinen Spielern (ich meine: beim VfB Stuttgart) Gleichberechtigung veranschaulicht haben will. Christoph Daum sperrte alle Jungs nackt in der Dusche ein und zeigte auf ihre Hüften: Schaut hin, Ihr seid alle gleich! Alle! So ist er mir, dem jungen Sportchef aus Aachen, immer begegnet. Sogar in Zeiten, als wir uns wegen Nichtigkeiten verkracht hatten und kein Wort miteinander sprachen.

Irgendwann sprach er dann eine Einladung zum Abendessen zu sich nach Hause in Köln aus. Seine Frau Angelica hat gekocht, wir uns die Meinung gegeigt, und nach einer guten Stunde war alles wieder gut. Christoph Daum wollte kein Streithansel sein. Er war deshalb froh und glücklich, dass er mit Uli Hoeneß Frieden geschlossen hat - mit dem Mann, der ihm zu Beginn dieses Jahrtausends den Bundestrainer-Job verhindert hat. Stichwort: Koks-Affäre.

Hoeneß über Daum: “Keinem Disput aus dem Weg gegangen”
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In diesen Tagen werden wir in Nachrufen viele Geschichten von und mit Christoph Daum lesen, aber diese eine sticht hervor und prägte sein Leben wir keine andere. Er, Fußballrevolutionär und Bessermacher, sollte um die Jahrtausendwende den deutschen Rumpelfußball retten. Sein Arbeitgeber, Bayer 04 Leverkusen mit XXL-Manager Reiner Calmund, wollte ihn auch freigeben - als plötzlich Uli Hoeneß in einem Gespräch bei AZ-Autor Bernd Hildebrandt Bedenken anmeldete.

Es waren nur Gerüchte, die Hoeneß zu angeblichem Koks-Konsum kolportierte, und eigentlich sollte das Gespräch auch vertraulich bleiben. Aber der Schneeball war geworfen, die Lawine löste sich. Daum wies alle Anschuldigungen von sich. Wir Sportjournalisten hatten keinen Zweifel: Wenn er eine Haarprobe anbietet, ist er clean. So kann man sich täuschen: Sein Haar bestätigte den Drogenkonsum, alles war bewiesen, der DFB-Job unerreichbar - Daum flüchtete in die USA. 

Für die Tageszeitung „Die Welt“ kommentierte ich damals, dass nicht das Koks das Problem war; Drogenkonsum verzeiht eine Partygesellschaft. Es war die Lüge: Er hatte die Leute belogen und getäuscht. Er, der immer das offene Worte liebte und keine Konfrontation scheute. Er spielte das Thema später runter: „Das war keine gute Idee.“ Vermutlich war die Koks-Affäre die einzige Lebenssituation, die er völlig falsch eingeschätzt hat. Genau deswegen fand er neue Jobs.

Die Vereine sahen ihm den Fehltritt nach, sie mochten seine Überzeugungskraft, seinen Mumm und seine Zugänglichkeit. Er war immer ein Trainer zum Anfassen, ein Mann des Volks. Wenn er im Sport1-Doppelpass auftrat, am liebsten mit Anzug und Krawatte, gerne schillernd, bekam er stehende Ovationen. So werde ich ihn auch in Erinnerung behalten: Christoph Daum war einer von uns, einer wie wir. Manchmal zu laut, nicht fehlerfrei - und fast immer ehrlich.

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